AMALIA
Seitdem Bruno weg war, fühlte ich mich noch mieser als ohnehin schon. Ich konnte mich kaum noch wirklich bewegen und trinken und essen ging ohnehin nicht. Also lag ich einfach im Bett, starrte die Wand an und kuschelte mich an Brunos Kissen, um seinen angenehmen Geruch einzuatmen, den ich jetzt schon sehr vermisste. Und dabei war er gerade mal ein paar Stunden weg! Ich wusste nicht, wieso ich mich vorhin nicht von ihm hatte verabschieden können, aber irgendwie fühlte ich mich wie gelähmt und konnte kaum etwas tun. Ich wollte meine Familie hier haben! Dieses schrecklich hilflose Gefühl war wirklich fürchterlich! Es klopfte leise gegen die Tür, bevor Isabela, Dolores und Luisa reinkamen. Ich schaffte es nicht, mich aufzusetzen, aber ich sah die drei an, was im Moment das höchste meiner Gefühle war. Sie kamen zu mir, Luisa hielt ein Blatt Papier in den Händen.
"Tía? Geht es dir besser?", fragte Dolores besorgt nach, ich schüttelte schwach den Kopf.
"Wir haben dir was gemalt", meinte Isabela, worauf Luisa mir das Bild hinhielt. Darauf war die ganze Familie zu sehen, einschließlich Amigo, der auf Brunos Schulter saß. Es war wirklich süß gemacht, das musste ich meinen Nichten lassen. Ich schaffte es irgendwie, das Bild in die Hand zu nehmen und die drei anzulächeln.
"Danke, es ist sehr schön", brachte ich kraftlos hervor und legte das Bild auf Brunos Kissen. "Ich lasse es neben mir, ja?"
"Ja. Können wir dir noch etwas Gutes tun, tía?", fragte Luisa besorgt nach und setzte sich zu mir auf das weiche Bett. Ich strich ihr über die braunen Locken, aber das fühlte sich so schwer an, dass ich meine Hand gleich wieder sinken ließ.
"Nein, danke, ihr Lieben. Geht ruhig wieder spielen, ich komme zurecht", lehnte ich ab, worauf die drei mich umarmten und dann wieder aus dem Zimmer gingen. Ich seufzte und drehte mich wieder zur Wand um. Jetzt ging der Alltag weiter. Liegen, atmen, starren. Liegen, atmen, starren. Es war schrecklich, nichts tun zu können und wie gelähmt vor Sorge zu sein! Dieses Gefühl musste so schnell es ging verschwinden, aber ich wusste nicht wie! Sobald ich versuchte, mich zu bewegen, tat mir sofort alles weh und alles fühlte sich tonnenschwer an. Und dabei wusste ich nicht einmal wieso! Wieso war ich nur so schwach? Was war passiert? Hatte Esteban es wirklich geschafft, mich krank zu machen? Aber wie? Normalerweise war ich für so etwas doch gar nicht anfällig! Nicht einmal, als er mich zur Hochzeit gezwungen hatte, hatte ich mich so mies gefühlt! Lag es vielleicht daran, dass ich Bruno und Carla sehr viel mehr liebte? Dass ich es mir nicht verzeihen könnte, wenn ihnen etwas passierte? Das war sehr gut möglich. Ich seufzte leise und drückte mein Gesicht in Brunos Kissen. Ich hätte ihn begleiten und mich nicht wie ein feiger Idiot hier im Bett verstecken sollen! Aber selbst, wenn ich ihm jetzt nachreiten wollte, wäre ich mir doch sehr sicher, dass ich es nicht bis in die Stadt schaffen würde. Zumal ich den Weg dorthin nicht einmal kannte! Aber selbst, wenn ich ihn gekannt hätte, wäre ich dort aufgrund meiner Kraftlosigkeit sicher nicht angekommen. Und unterwegs zusammenzubrechen, wäre wirklich fatal, denn dann konnte mir keiner mehr helfen. Aber ich musste irgendetwas tun, ich konnte nicht einfach nur hier herumliegen! Es dauerte allerdings noch weitere fünfzehn Minuten, bis ich die Kraft dazu aufbringen konnte, mich wirklich aufzusetzen. Mir wurde sofort schwindelig und ich bemerkte, dass mein ganzer Körper sich dagegen wehrte, wirklich aufzustehen. Ich wartete, bis mein Schwindel etwas verschwunden war, bevor ich mich am Nachttisch festhielt und mich dann mühselig auf die Beine quälte. Sie gaben beinahe sofort nach und signalisierten mir damit, dass ich liegen bleiben sollte, aber ich musste etwas tun. Auch, wenn meine Muskeln jetzt schon schmerzten. Trotzdem machte ich vorsichtig einen Schritt nach vorne. Ich brauchte etwas frische Luft. Schwerfällig quälte ich mich bis zur Tür, an der ich mich festhalten musste, um meine Schmerzen kurz zu mindern. Viel besser wurde es nicht, aber wenigstens war es besser als laufen. Trotzdem lief ich nach einigen Minuten weiter und schaffte es irgendwie auf die Galerie zu kommen. Ich wollte nach vorne zum Geländer laufen, aber meine Kraft war aufgebraucht. Ich fiel auf den Boden und blieb erschöpft auf den kalten Fließen sitzen. Wieso war ich nur so schwach? Was passierte hier mit mir? Und wieso konnte Julieta mir auch nicht helfen? Was war nur los mit mir? Ich wollte wieder aufstehen, aber ich hatte nicht die Kraft dazu und schaffte es kaum, meine Arme zu heben, um mich hochzuziehen. Also blieb ich einfach sitzen, lehnte meinen Kopf an die Wand und schloss erschöpft die Augen. Es würde wohl eine Weile dauern, bis ich wieder aufstehen können würde. Da hörte ich Schritte auf der Treppe und öffnete die Augen. Alma kam die Treppe nach oben und sah mich erschrocken an, als sie mich so zusammengesunken auf dem Boden sitzen sah. Sie eilte zu mir und kniete sich neben mich.
"Lia, was ist passiert?", fragte sie besorgt nach, bevor sie sich zu der offenen Galerie umdrehte. "Pepa, Julieta, Augustín, Félix, kommt mal bitte!" Sie sah mich wieder an. "Was machst du hier, Lia? Was ist passiert?"
"Ich wollte nur frische Luft schnappen", brachte ich unter Anstrengung hervor.
"Warte hier, wir bringen dich wieder ins Bett. Du siehst wirklich nicht gut aus", erwiderte sie besorgt, ich nickte und spürte den aufsteigenden Schwindel, die Übelkeit und die Kopfschmerzen immer stärker. Julieta kam mit den anderen nach oben, sie hatte einige Arepas dabei. Zusammen mit den anderen half sie mir, mich aufzurichten und mich vorsichtig auf die Füße zu kämpfen. Meine Beine zitterten immer noch, aber alle zusammen schoben mich vorsichtig zurück ins Zimmer, damit ich mich hinlegen konnte. Sobald ich wieder auf dem Bett lag, fühlte ich mich etwas besser und atmete erleichtert auf. Noch mal würde ich sicherlich nicht aufstehen! Mir blieb nichts anderes übrig, als im Bett liegen zu bleiben und auf Bruno und Carla zu warten. Das wurde aber so langsam unerträglich! Und dabei war Bruno gerade mal ein paar Stunden weg! Aber die Sorge, dass ihm oder Carla oder auch meiner Mutter etwas passiert sein könnte, ohne, dass ich ihnen helfen konnte, brachte mich schier um. Diese Angst nahm mir die Luft zum Atmen und ich hatte das Gefühl, als würde jemand auf meiner Brust sitzen. Ich holte tief Luft und drehte mich auf die Seite.
"Hier, Lia, probier es noch mal mit einer Arepa", sagte Julieta, hielt mir eine Arepa hin und obwohl mir speiübel war, biss ich lustlos hinein, aber auch dieses Mal blieb die erhoffte Wirkung aus. Was war nur los mit mir? Wieso half die Magie mir nicht mehr? Was passierte hier nur?
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Ich brauche dich, Bruno 2 - Die Macht der Familie
FanfictionEinige Jahre nachdem Amalia und Bruno geheiratet haben, steht die Gabenzeremonie ihrer Tochter Carla an. Was als schönster Tag seit langem für die Familie und das Dorf geplant war, schlägt schnell in ein Desaster um, als ein alter Bekannter unvorher...