BRUNO
Isabela, Dolores und Luisa gingen wenig später in ihr Zimmer, um sich umzuziehen, Carla blieb bei mir. Lia musste Julieta noch unten in der Küche helfen und ich hatte solange beschlossen, auf Carla aufzupassen, weil sie in ihrem schicken Kleid nicht spielen wollte. Sie wollte es schließlich nicht dreckig machen! Also saß sie auf Lias und meinem Bett und wackelte mit den Füßen, während ich wieder und wieder versuchte, meine wirren Locken zu ordnen, aber auch heute war das unmöglich. Ich seufzte und sah Carla an.
"Hast du noch eine Idee, wie meine Haare gut aussehen könnten, hija?", fragte ich meine Tochter, die sofort vom Bett hüpfte und zu mir kam. Sie nahm eines von Lias Bändern aus ihrer Schublade.
"Kannst du dich mal hinknien, Papá?", bat sie, ich nickte und kniete mich zu ihr.
"Natürlich. Was hast du denn vor?", fragte ich neugierig nach.
"Lass dich einfach überraschen", wich sie geheimnisvoll aus. "Und mach die Augen zu!" Ich lächelte und schloss die Augen, während Carla sich an meinen Haaren zu schaffen machte. "Ok, du darfst die Augen wieder aufmachen!" Ich öffnete meine Augen und richtete mich wieder auf, um in den Spiegel sehen zu können. Carla hatte mir das dünne Band um die Stirn gebunden, sodass meine Haare mir nun nicht mehr in die Augen fielen und meine Locken brav aufeinanderlagen. Aber wenn ich so auf der Zeremonie auftauchen würde, würde Mamá mir die Haare abrasieren! Und da doch ein wenig an meinen Locken hing, würde ich sie doch gerne noch behalten!
"Wow, amor, das sieht richtig toll aus, du hast dafür wirklich ein Talent! Aber wenn ich so zu deiner Zeremonie gehe, wird Abuela mir die Haare abschneiden!", erwiderte ich und sah sie an. Sie zuckte die Schultern.
"Aber deine Haare sehen gut aus!", wandte sie ein.
"Ja, das stimmt. So gut lagen meine Haare schon lange nicht mehr", gab ich ihr recht. "Aber ich glaube, dass ich mir das Band trotzdem rausmachen muss, bevor Abuela mich so sieht."
"Na gut", sagte Carla und zuckte die Schultern, bevor sie sich wieder auf mein Bett setzte und ich mir das Band aus den Haaren machte. Carla war wirklich süß. Ich räumte das Band wieder ein und startete einen erneuten Versuch mit meiner Bürste. "Papá? Wer kommt heute Abend denn eigentlich alles?" Ich sah Carla an.
"Tja, eigentlich alle. Das ganze Dorf, die ganze Familie... und ich hab gehört, dass deine Abuela Ines sogar ein besonderes Geschenk für dich hat", antwortete ich ihr, worauf sie mich mit strahlenden Augen ansah.
"Wirklich? Ein Geschenk? Was denn für eins?", fragte sie aufgeregt und ungeduldig nach, ich lachte daraufhin.
"Das kann ich dir nicht sagen, es soll nämlich eine Überraschung werden. Aber es wird dir gefallen, da bin ich mir sehr sicher!", antwortete ich und grinste geheimnisvoll an. "Du musst dich wohl noch ein bisschen gedulden!" Sie verzog ihr Gesicht zu einem Schmollmund und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Das ist unfair! Ich will nicht warten!", widersprach sie trotzig, aber ich lachte und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
"Das wirst du wohl aber müssen, mi vida. Sonst ist es ja keine Überraschung mehr", konterte ich und zwinkerte ihr geheimnisvoll zu. Ines hatte Carla eine Kette machen lassen, mit kleinen Anhängern, die die Buchstaben C und M zeigten - Carla Madrigal. Carla würde diese Kette lieben, das wusste ich ganz genau. Sie war wirklich wunderschön geworden, Ines hatte keine Kosten und Mühen gescheut, um Carla für ihre Zeremonie etwas Besonderes zu schenken. Sie war eine wirklich tolle Abuela, genauso wie meine Mamá natürlich auch. Sie waren beide wirklich süß zu den Kindern und wir ließen sie gerne bei den beiden, weil die Kinder auch gerne bei ihnen waren.
"Kommt Abuelo auch?" Ich sah Carla verwirrt an. Abuelo? Wie kam sie denn jetzt darauf?
"Abuelo? Hija, du weißt doch, dass Abuelo Pedro tot ist, er kann nicht kommen!", wandte ich ein und kniete mich zu ihr. Eigentlich wusste Carla, dass mein Vater schon gestorben war, als ich selbst noch in den Windeln gelegen hatte. Wieso fragte sie so plötzlich nach ihm? "Aber er ist immer in deinem Herzen und durch die Magie bei uns." Carla schüttelte den Kopf.
"Das weiß ich, Papá, aber ich meine auch nicht Abuelo Pedro! Ich meine Mamás Papá!", erwiderte sie, worauf ich einen Augenblick still blieb. Wie kam sie jetzt auf Esteban? Wir hatten ihr nie von Lias Vater erzählt, weil wir nicht wollten, dass sie von dieser schlimmen Geschichte belastet wurde. Was Esteban anging, so existierte er für Carla eigentlich gar nicht, sie wusste ja nichts von ihm. Also wie kam sie jetzt darauf, dass er herkommen würde?
"Wie... kommst du darauf?", fragte ich perplex nach und nahm ihre Hände in meine, um sie zu drücken.
"Mamá muss ja einen Papá haben, jeder hat ja einen! Und ich hab ihn mal auf den Bildern in Abuela Ines' Haus gesehen. Wieso habe ich ihn noch nie gesehen? Ist er etwa auch tot?", fragte sie neugierig nach, ich seufzte.
"Hör zu, mi vida, das ist etwas kompliziert. Nein, dein Abuelo Esteban ist nicht tot, aber er wohnt weit weg, weil er böse Sachen getan hat. Er konnte nicht hier bleiben, weißt du? Er war nicht nett zu Mamá, deinen Abuelas und mir und deswegen musste er gehen. Er wird also nicht kommen können, tut mir leid, amor. Und deine Mamá spricht nicht gerne über ihn, also verlier kein Wort mehr über ihn, ja? Nur kein Wort über deinen Abuelo!", erklärte ich. "Kannst du das verstehen?" Sie nickte.
"Ja, das verstehe ich. Ich will Mamá ja auch nicht traurig machen. Ist gut, Papá, ich vergesse es", stimmte sie zu und lächelte mich an. "Aber alle anderen kommen, oder?" Ich lächelte sie an und gab ihr einen Kuss auf ihre kleinen Hände.
"Natürlich, alle anderen kommen! Jeder freut sich schon auf den Abend heute, er wird absolut toll!", erwiderte ich schnell und hob sie hoch. "Und keiner wird stolzer auf dich sein, als Mamá und ich!" Sie lachte und umarmte mich, ich drückte sie an mich und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
"Danke, Papá! Ich freue mich jetzt auch, aber ich bin trotzdem noch ein bisschen nervös", erwiderte sie und vergrub ihren Kopf an meiner Schulter.
"Das kann ich verstehen, aber weißt du was? Ein bisschen Nervosität ist auch gut! Das zeigt bloß, dass du dich freust und es dir wichtig ist! Du schaffst das, ich weiß es!", beruhigte ich sie und sah sie lächelnd an. "Ich hab dich lieb, mi vida."
"Ich dich auch, Papá!", erwiderte sie und gab mir einen Kuss auf die Wange. "Jetzt fühle ich mich schon etwas besser!"
"Das freut mich, mehr will ich doch gar nicht", sagte ich und drückte sie an mich. Es freute mich, dass ich sie hatte beruhigen können, denn sie sollte beruhigt in den Abend gehen. Ein wenig Aufregung war zwar gut, aber zu viel war schlecht für den Magen. Besonders bei Kindern! Also beruhigte ich sie lieber und stand ihr bei. Das war mir sowieso lieber, denn ich wollte sie niemals alleine lassen - oder ihr gar das Gefühl geben, dass ich sie im Stich lassen würde! Dafür liebte ich sie viel zu sehr!
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Ich brauche dich, Bruno 2 - Die Macht der Familie
FanficEinige Jahre nachdem Amalia und Bruno geheiratet haben, steht die Gabenzeremonie ihrer Tochter Carla an. Was als schönster Tag seit langem für die Familie und das Dorf geplant war, schlägt schnell in ein Desaster um, als ein alter Bekannter unvorher...