Prolog

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"Gewonnen. Ich habe wirklich gewonnen."

Ungläubig starrte Sophie auf den Brief, den sie gerade aus dem Briefkasten gezogen hatte. Dieses Mal waren es nicht nur Rechnungen, bei denen sie überlegen musste, woher sie noch Geld nehmen sollte, um alles zu bezahlen.

An dieses Preisausschreiben, dass sie im Krankenhaus neben dem Bett ihrer Mutter ausgefüllt hatte, dachte sie gar nicht mehr. Zu oft war sie in dieser Hinsicht enttäuscht worden und nie rechnete sie damit, dass sie etwas gewinnen würde.

Immerhin war sie nur Sophie Müller. Sie zog alles Schlechte magisch an oder wurde gezwungen, ihre eigene Träume hintenan zu stellen, um anderen zu helfen.

Sie blätterte durch die ganzen Unterlagen und konnte es nicht fassen, dass sie tatsächlich einmal Glück haben sollte. Es war sogar der Hauptgewinn.

Eine Reise nach Spanien, besser gesagt nach Barcelona, war ihr nun möglich gemacht worden. Vier Leute durften dem grauen und kalten Herbst in Deutschland entfliehen und die restliche Sonne in einem relativ großen Hotel genießen.

Sophie seufzte leise.

Eine Woche lang konnte sie einmal alles hinter sich lassen und vergessen, was sie hier jeden Tag erwartete.

Bisher war ihr Leben nicht gerade freundlich zu ihr gewesen. Zumindest die letzten Jahre nicht.

Seit fünf Jahren pflegte sie ihre Mutter, die an Alzheimer erkrankt war. Sie brach ihr Studium ab, um neben der Pflege noch einigen Jobs nachzugehen, um die Sachen bezahlen zu können, die das Amt nicht bezahlte.

Das alleine war schon eine heftige Herausforderung, doch seit einem Jahr war ihr Bruder wieder eingezogen. Eigentlich sollte man meinen, dass es leichter werden würde, doch ganz im Gegenteil. Sophie hatte seit Roberts Heimkehr noch mehr Arbeit als je zuvor. Zuerst einmal brachte er seine uneheliche Tochter mit. Marie war ein liebes Kind, das weder von seiner Mutter, noch von seinem Vater je Liebe erfahren hatte. Sophie sah es als ihre Pflicht an, ihrer Nichte diese Liebe zu geben.

Robert selbst war schon immer ein fauler Hund gewesen und Sophie war damals froh gewesen, als er klangheimlich verschwand. Doch nun durfte sie nicht nur die Ersatzmutter seiner Tochter sein, sondern auch ihn bedienen, denn ihm fielen jede Menge Ausflüchte an, um nicht arbeiten gehen zu müssen. Allerdings weigerte er sich auch Sophie bei der Pflege seiner Mutter zu helfen.

"Was haben wir denn gewonnen?"

Wie aufs Stichwort, war Robert unbemerkt an sie heran gepirscht und hatte ihr den Brief aus der Hand gerissen. Beeindruckt pfiff er durch die Zähne.

"Da haben wir wirklich eine Volltreffer gelandet. Na ja, fast. Aber da hast du mal wieder nicht darauf geachtet. Es gibt nur einmal am Tag etwas zu Essen. Aber das nehme ich dir nicht übel. Du denkst eben nicht so weit."

Er tätschelte ihr den Kopf, als ob sie ein Hund wäre und nicht seine Schwester. Sophie schnaubte, aber senkte ihren Blick zu Boden. Sie wusste, dass Robert sehr aggressiv werden konnte, wenn er sich provoziert fühlte.

"Es ist mein Gewinn.", murmelte sie, aber er hörte es natürlich.

Er lachte spöttisch.

"Die Reise ist für vier Personen. Du hast nicht einmal Freunde und außerdem kannst du deinem Bruder schon einmal eine Auszeit gönnen."

Sie fragte sich, ob er Witze machte, denn eine Auszeit benötigte Robert bestimmt nicht. Sein ganzes Leben war eine Auszeit. Doch sie konnte ihm leider nicht widersprechen, was ihre Freunde anging, denn sie hatte tatsächliche keine mehr. Sie war früher sehr beliebt gewesen und es gab immer jemand an ihrer Seite, doch während das Leben für ihre Freunde mit Studium, Ausbildung und Arbeit weiterging, blieb Sophie in ihrer bescheidenen Situation hängen und es wurde leider nicht besser. Nach und nach verschwanden alle und selbst ihre damals beste Freundin meldete sich nicht mehr, seit sie eine schlimme Phase von Sophies Mutter miterlebte. Sie konnte es niemand verübeln, denn sie ertrug es manchmal selbst nicht mehr.

Killer's brideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt