"Wo ist Papa?"
Sophie seufzte leise und wischte Marie die Marmelade vom Gesicht, die es kostenlos zum frühstück gab. Es war ihr sehr peinlich gewesen, dass sie die Cent-Stücke heute morgen zusammenraffen musste, nur um zwei Brötchen im Speisesaal des Hotels kaufen zu können.
Der Gewinn versprach zwar ein kostenloses Essen, aber Robert hatte natürlich wieder einmal seinen Willen durchgesetzt und statt wenigstens einmal eine Mahlzeit zu haben, lieber zwei Einzelzimmer für Harry und sich gebucht. Sophie nahm an, dass es dem Hotelmanager egal war, denn die Zimmer waren aufgrund der Jahreszeit nur zur Hälfte belegt und so sparte er wenigstens am Essen.
Aber ihr Bruder verwaltete auch das wenige Geld, was hieß, dass er es für Drinks am Pool ausgab und sich über sie lustig machte. Dass sie sich das Geld abgespart hatte, interessierte ihn nicht sonderlich. Hauptsache, er konnte an der Bar sitzen und sich betrinken.
Es hatte sie am gestrigen Tag sehr verletzt, wie er über sie gesprochen hatte. Er machte nicht einmal vor seiner eigenen Mutter halt und verhöhnte sie öffentlich.
Das Marie ihn immer noch als Papa bezeichnete, konnte Sophie sich nicht erklären, denn das war Robert bestimmt nicht. Ihm war es einfach egal, was mit Marie geschah.
"Ich weiß nicht, wo dein Vater ist, mein Engel."
Sophie hoffte, dass Marie die Verachtung in der Stimme nicht bemerkte, aber das Kind aß gerade die letzten Krümel von Sophies Teller. Wieder etwas, was ihr die Zornesröte ins Gesicht trieb. Sophie hatte Marie schon die Hälfte ihres Brötchen hinterlassen, aber das arme Kind hatte immer noch Hunger. Und das nur, weil Robert nicht den Anstand hatte, ihnen wenigstens ein paar Euro zum Essen zu überlassen.
Sie konnte froh sein, dass das Leitungswasser ihr bisher keine Magenprobleme bereitete, denn um ihren Hunger zu übertünchen, trank sie das Wasser aus dem Badezimmer. So wie auch jetzt. Die Flasche Wasser, die sie aus Deutschland mitbrachte, war schon so oft gefüllt worden, dass Sophie es nicht mehr zählen konnte. Sehnsüchtig schielte sie zu der Kaffeemaschine, an der sich andere Gäste jederzeit bedienen konnten.
Die letzten Krümel waren vom Teller verschwunden, aber sie sah Marie an, dass sie immer noch Hunger hatte.
Verflixt, sie sollte sich überlegen, ob sie nicht eine Cent in der Stadt erbettelte, um dem Kind wenigstens eine richtige Mahlzeit zu kaufen und sie einmal ohne ein Magengrummeln einschlafen konnte.
Sie lächelte und beugte sich zu Marie.
"Was hältst du davon, wenn wir heute die Stadt etwas erkundigen? Am Pool wird es doch so langsam langweilig."
Außerdem würde sie Robert aus dem Weg gehen, der mit seinem dämlichen Kumpel am Mittag bestimmt aufschlagen würde. Dann würde es wieder losgehen mit den kleinen Gemeinheiten, gegen die sie sich nicht wehren konnte, weil sie darauf hoffen musste, dass er ihr wenigstens etwas Geld gab.
Marie lächelte sie an.
"Oh ja, Tante Sophie. Können wir mit einem Bus fahren?"
Sophie schüttelte bedauernd den Kopf. Sie musste aufpassen, dass sie nicht anfing zu weinen, weil sie jeden Wunsch des Kindes abschlagen musste.
"Aber wenn wir laufen, werden wir wenigstens fit und bekommen etwas Sonne ab, nicht wahr?", ersuchte sie alles abzumildern. Man sah Marie an, dass sie genau wusste, warum sie nicht mit dem Bus fahren konnten, aber sie fügte sich.
Robert hatte so ein braves Kind nicht verdient.
Gerade als sie aufstehen wollte, kam ein Kellner und stellte ihnen lächelnd einige Teller, Körbchen und Schüsseln auf den Tisch.
DU LIEST GERADE
Killer's bride
RomanceWenn man Sophie Müller sieht, bemerkt man sie eigentlich gar nicht. Unscheinbar, viel zu dünn und schlecht sitzende Kleidung. Dennoch schließt sie bei einem Spanienurlaub Freundschaft mit Joshua, einem Amerikaner, wohl wissend, dass ihre gemeinsame...