"Frau Müller? Auf ein Wort."
Sophie stöhnte innerlich, denn sie hatte in den letzten Tagen immer wieder versucht, Professor Biedermann aus dem Weg zu gehen.
Wie sie vermutete, konnte sie sich ein Auslandsstudium einfach nicht leisten. Robert und sie hatten stundenlang gerechnet, wie sie es bewerkstelligen konnten, doch selbst wenn Carolinas Eltern die Miete einer kleinen Wohnung übernahmen, waren die Lebenshaltungskosten und auch die Studiengebühren in Amerika einfach nicht zu stemmen. An Montana dachte Sophie nicht einmal, denn obwohl sie dort nicht einmal die Hälfte bezahlen musste, wollte sie einfach nicht in der Nähe von Joshua sein. Die Angst, dass sie ihm auch nur zufällig begegnen konnte, war einfach zu groß. Schon beim letzten Mal hatte sie Monate gebraucht, um wieder ein halbwegs normales Leben führen zu können, ohne dass sie an ihn dachte und ihn vermisste. Das wollte sie sich nicht mehr antun, vor allem, weil es, wenn man nicht auf das Herz, sondern auf den Verstand hörte, keine Hoffnung für sie beide gab.
Der Professor visierte sie an und ließ sie keinen Augenblick aus den Augen, was schon etwas gruselig war. Anscheinend wollte er sie dieses Mal nicht einfach davonkommen lassen.
"Hallo, Professor. Ich habe leider nicht viel Zeit. Ich muss..."
Er hob eine Hand, um ihren Redefluss zu stoppen.
"Ich weiß, dass Sie mir seit geraumer Zeit aus dem Weg gehen und ich kann mir denken, dass es dieser Studentenaustausch ist, der Sie bekümmert. Aber ich habe Neuigkeiten, die gerade Sie betreffen. Haben Sie vielleicht eine Minute? Ich habe die Unterlagen im Büro und würde diese Ihnen gerne zeigen."
Sophie blieb gar nichts anderes übrig, als dem Professor zu folgen. Sobald er die Tür zu seinem Büro schloss wurde es geradezu gespenstig ruhig. Die ganze Hektik und der Lärm, der auf den Fluren der Uni herrschte, schien ausgeblendet zu sein.
Der Professor zeigte auf die Stühle vor seinem Schreibtisch, der überquoll vor Dokumenten und Ordnern. Kaum nahm sie Platz, wühlte er sich schon durch das Papier und Sophie wunderte sich, wie er bei diesem Chaos einen Überblick behalten konnte.
"Entschuldigen Sie das Chaos, Frau Müller, aber ich denke, ich so etwas wie der Prototyp eines zerstreuten Professors." Er sah zu ihr auf. "Musik? Hier ist es mir immer zu leise und ich kann mich kaum konzentrieren."
Sophie nickte nur und Professor Biedermann drückte auf eine Fernbedienung und es erschallte Tannhäuser, was sie noch gruseliger in dieser Situation empfand.
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Klugscheißermodus: Tannhäuser ist eine Oper von Richard Wagner und während ich das hier schreibe höre ich gerade die Ouvertüre. Und ja, es ist mir im Moment etwas gruselig zumute, obwohl ich Tannhäuser eigentlich sehr gerne mag.
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Fieberhaft überlegte sie sich eine Ausrede, um aus diesem Büro zu kommen, doch dann hörte sie ein Aha und Prof. Biedermann hob einen Ordner in die Höhe, als ob er gerade auf der Jagd gewesen wäre und diese Papiere als Beute mitbrachte.
Er setzte sich auf seinen Ledersessel, der auch schon bessere Tage gesehen hatte und drückte seine Brille nach oben, die ihm auf die Nasenspitze gerutscht war.
"So. Dann mal sehen. Also, Sie haben ja schon durchblicken lassen, dass der Studententausch für Sie nicht in Frage kommen könnte, weil Sie nicht wissen, wie sie ein oder sogar zwei Semester finanziell stemmen könnten."
Sophie nickte.
"Richtig. Und ich kann meinen Studentenkredit nicht aufstocken. Mein Bruder versuchte wirklich alles, um es mir zu ermöglichen, aber..."
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Killer's bride
RomanceWenn man Sophie Müller sieht, bemerkt man sie eigentlich gar nicht. Unscheinbar, viel zu dünn und schlecht sitzende Kleidung. Dennoch schließt sie bei einem Spanienurlaub Freundschaft mit Joshua, einem Amerikaner, wohl wissend, dass ihre gemeinsame...