1. New World

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Ich lehnte mit dem Kopf an der Glasscheibe des Flugzeuges und betrachtete London unter mir. Die Lichter der Stadt strahlten hell in der Dunkelheit. Ein Meer aus elektrischen Blüten. Durch mein Smartphone, in dem Kopfhörer eingesteck waren, hörte ich "Time after time" von Cyndi Lauper und versuchte meine müden Augen offen zu halten. Der Flug von Washington D.C. bis nach London war unerträglich eintönig gewesen. Zum Gluck würde das Flugzeug in Kürze landen.

Als ich endlich wieder festen Boden unter meinen Füßen hatte und meinen schweren Koffer hinter mir herzog sah ich auch schon einen älteren Herrn in einem grauen Anzug und Brille, der ein Schild mit meinem Namen vor der Brust hielt. Natalia Morgan war in großen Lettern auf den weißen Pappkarton gedruckt. Mit einem höflichen Lächeln auf den mit Lipgloss beschmierten Lippen ging ich auf meinen Fahrer zu. Die Absätze meiner schwarzen Lackstiefel klapperten auf dem glatten Boden der Eingangshalle des Heathrow airports.
Der ältere Mann, der sich als Richard vorgestellt hatte geleitete mich nach draußen, verfrachtete mein Gepäck im Kofferraum des schwarzen Rolls Ruys und öffnete mir die Tür des Autos.
Interessiert betrachtete ich die Gebäude an der Straße. Die Gehwege waren größtenteils leer, nur vereinzelt sah ich die letzten betrunkenen Partygänger die nach Hause wankten. Es war auch höchste Zeit, denn langsam aber sicher ging die Sonne auf.
Ich war froh, dass mein Vater mich schon zwei Wochen bevor er ins Flugzeug stieg nach London geschickt hatte. Ein langer Flug mit ihm hätte ich nicht überstanden. Ich war wütend auf meinen Vater, den ich schon mein ganzes Leben hasste. Meine Mutter hatte sich vor sechs Jahren von meinem Vater getrennt, doch das Sorgerecht hatte er bekommen. Jetzt hatte er ein Jobangebot in London bekommen,and wir waren umgezogen. Die meisten meiner Sachen waren schon in unserem Haus im Stadtzentrum. Mein Vater war Anwalt und hatte Geld ohne Ende, seit seine wohlhabende Mutter gestorben ist es sogar noch mehr geworden, obwohl ich schon immer den Verdacht hatte, dass er das ganze Geld nicht alles legal verdient hatte.
Der Grund warum ich ihn hasste war nicht, dass er nie da war sondern weil mein Vater alles für mich entschied. Auf welche Schule ich gehen sollte, welche Freunde ich haben sollte oder was ich anziehen soll. Als ich mich gestern für den Flug ankleiden wollte lagen Designerjeans, ein schulterfreies Top und ein cremefarbener Mantel auf meinem Bett. Darunter standen schwarze Stiefel die meiner Meinung zu hohe Absätze hatten. Meine weißblond Haare hatte ich zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengebunden.

Eine viertel Stunde später stand ich vor einem schönen viktorianischem Stadthaus. Richard zeigte mir mein Zimmer und stellte meinen Koffer vor den großen dunkelbraunen Schrank in dessen Mitte ein schlanker Spiegel eingelassen war. Erschöpft ließ ich mich auf mein pastellfarbenes Himmelbett fallen und betrachtete mein Zimmer. Auf dem hellen Dielenboden stand außer dem Bett und Schrank ein Schreibtisch mit einem Apple PC und einer weißen Tastatur. Die Wände waren mit einer blasslila Farbe gestrichen und an einer Seite befand sich ein großes Fenster aus dem man auf die Straße sehen konnte. Obwohl nicht Alles nach meinem Geschmack war, gefiel mir das Zimmer.
Mühsam legte ich meinen Mantel ab und schlüpfte aus der Jeans bevor ich mich unter die Decke kuschelte.

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