9. Let's dance !!!

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Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Ich traf mich entweder Spätnachmittags mit Ty oder wir telefonierten stundenlang. Wir lernten uns gegenseitig immer besser kennen. Er erzählte mir von seinem älteren Bruder Sean, der gerade in Elba war und ich klärte ihn über meinen verhassten Vater auf.

Viel zu schnell war der letzte Ferientag gekommen, und damit auch dieser Rosenball. Den ganzen Morgen lang hatte ich nach einem geeigneten Kleid gesucht und war schließlich fündig geworden.

Jetzt betrachtete ich mich in einem langen Spiegel. Das Kleid war eisblau und bodenlang mit einem weiten Rock. Meine Schultern ließ das Kleid frei und so fiel die silberne Kette mit einem Saphiranhänger noch mehr auf. Ich hatte meine weißblonden Haare nach hinten gekämmt und meine Lippen rot geschminkt.

Die Absätze meiner weißen High Heels klapperten auf der Treppe als ich nach unten lief und in den wartenden Rolls Royce stieg.

Richard fuhr zu der nächsten U-Bahnhaltestelle, dort wartete bereits Ty. Er trug einen eleganten Anzug, ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte. In der Hand hielt er eine weiße Rose.

Richard stieg aus und öffnete ihm die Tür. Unsicher setzte er sich neben mich auf die Rückbank. >> Wow. Das ist mal ein schickes Auto. << Typisch Mann, dachte ich. >> Obwohl du heute tausendmal schöner bist << ich spürte wie meine Wangen sich rot färbten.

Wir fuhren nach Richmond. Dort -Irgendwo im Nirgendwo – befand sich ein großes Haus, dass hell erleuchtet war. Richard setzte uns ab und Ty klingelte. Ein Mann mit leuchtend grüner Haut öffnete. Er musste ein Hexenmeister sein, schoss es mir durch den Kopf.

Wir wurden in den großen Garten geführt. Dort tanzten schon einige Mentalis und Hexenwesen. Ich fühlte mich seltsam deplaziert zwischen den knalligen Hautfarben und intelligenten Katzenauge. Unwillkürlich klammerte ich mich an Tys' Arm fest.

Ich schaute mich weiter um. Der Garten war umsäumt von dunkelgrünen Tannen, die neugierige Blicke abhalten sollten.

Um die kreisrunde Tanzfläche herum standen weitere Leute, die sich leise unterhielten. Es wurden keine altmodischen Klassikstücke gespielt, sondern größtenteils langsame Popsong.

Jeder schien sich großartig zu amüsieren, ich sah sogar die strenge Charlotte unter den Tanzenden. Ihr karottenrotes Haar war zu einer aufwendigen Hochsteckfrisur drapiert und sie trug ein schlichtes, schwarzes Kleid.

>> Möchtest du tanzen, schönes Mädchen? << fragte ein junger Hexenmeister mit violetter Haut, der zu mir herangetreten war.

Bevor ich antworten konnte ergriff Ty das Wort. >> Sie ist mit mir hier. Also verschwinde. <<

>> Schon gut, Tyler. << antworte er und verschwand in der Menge.

>> Das wäre nicht nötig gewesen. Ich werde heute sowieso nicht tanzen. << verkündete ich.

>> Weshalb nicht? << fragte Ty verwirrt.

>> Ich mach mich doch nicht lächerlich. Bei meinem Glück kick ich um und reiße dich auch noch mit.<<

>> Du wirst nicht umknicken. Komm schon, Lia. Tanz mit mir. << er verbeugte sich wie ein Gentleman und strecke mir seine Hand entgegen.

>> Ein Tanz, mehr nicht. << stimmte ich zu.  

Ty führte mich in die Mitte der Tanzfläche und legte seine rechte Hand auf meine Hüfte. Bei jeder seiner Berührungen kribbelte meine Haut.

In diesem Augenblick ertönte ein mir allzu bekannter Song. Chasing Cars. Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen und versuchte mich an die Tanzstunden in der neunten Klasse zu erinnern. Damals war ich eine komplette Niete im Tanzen gewesen, doch hier und jetzt mit Ty war es plötzlich ganz einfach. Ich musste nicht einmal auf meine Füße schauen, damit ich mich nicht aufs Fressbrett legte. Ganz automatisch bewegte ich mich im Takt der Musik.

Ich blickte in Tys' wunderschöne grüne Augen, deren Pupille wie eine Sichel geformt war. Unter den Mentalis waren sie sicher keine Seltenheit, doch für mich waren sie etwas Besonderes. Ich verlor mich in ihnen und zum ersten Mal in meinem Leben verstand ich warum es Augenkontakt hieß. Denn er schien direkt in meine Seele blicken zu können.

Plötzlich fiel warmer Sommerregen vom Himmel. Die dicken Tropfen durchnässten mein Kleid, doch es machte mir nichts aus. Ich ließ mich auch nicht davon stören, dass bereits alle Gäste ins Haus gegangen waren. In diesem Augenblick gab es nur Ty und mich. Ich erinnerte mich an ein Zitat. Ex hoc momento pendet aeternitas. An diesem Moment hängt die Ewigkeit.

Er wirbelte mich auf einmal im Kreis herum. Urplötzlich entfuhr ein helles Lachen meiner Kehle und ich hätte nie gedacht, dass tanzen so Spaß machte.

Nach der Drehung, die ein bisschen zu viel Schwung hatte, prallte ich versehentlich gegen Ty.

Unverzüglich waren unsere Gesichter sehr nahe. Ich spürte seinen warmen Atem auf meiner Wange. Nach einem endlosen Augenblick überbrückte Ty die kurze Distanz zwischen uns und berührte mit seinen weichen Lippen die Meinen.

Ein Feuerwerk explodierte hinter meinen geschlossenen Augenliedern und mein gesamter Körper kribbelte. Leidenschaftlich erwiderte ich den Kuss und fuhr durch sein dunkles  Haar. Ich hatte schon ein paar Jungs geküsst, doch ich hatte mich dabei noch nie so gefühlt.

Nach wunderschönen Minuten lösten wir uns voneinander und Tyler schenkte mir ein strahlendes Lächeln. >> Das war .... unglaublich << sagte ich und lachte. Ty strich mir mein nasses Haar aus dem Gesicht und zog mich dann hinter sich her unter das Dach des Hauses.

Wind kam auf und ich fing an zu zittern. >> Wir können reingehen, wenn dir kalt ist.<< meinte Ty. >> Das ist nicht nötig, ich muss sowieso nach Hause. Morgen ist der erste Schultag nach den Ferien und ich möchte nicht aussehen wie ein Drogendealer auf Entzug.<<

Ty lachte und legte sein Jackett um meine Schultern. Wir gingen aus dem wunderschönen Garten hinaus und auf die Straße. Der Regen hatte aufgehört und jetzt roch die Luft richtig gut. Es war dieser typische Geruch von Regen auf Asphalt.

>> Macht es dir etwas aus zu laufen? Die Nacht ist so schön. Ich möchte es noch so lange genießen wie ich kann. << Ab morgen war mein Vater wieder in der Stadt und solche Dinge würde er mir sicher nicht erlauben.

>> Wenn du willst. << stimmte Ty zu und nah meine Hand.

Der Gehweg war breit genug, doch wir so nahe beieinander, als ob es ein dieser italienischen Gässchen war. Wir liefen langsam, und küssten uns immer wieder.

Zurück zum Londoner Stadtviertel Kingston, in dem ich wohnte war es ein langer Weg, doch weil Ty in meiner Nähe war fühlte es sich viel kürzer an. Viel zu schnell standen wir vor dem viktorianischen Haus.

 >> Gute Nacht, Lia << , sagte Ty und küsste mich zärtlich auf die Stirn.

>> Dir auch. <<

Ich drehte mich schweren Herzens um und betrat mein Zuhause.

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