POV Erling
Im hier und jetzt saß ich also in meinem Wohnzimmer und dachte über Jude und meine Gefühle für ihn nach. Jude und ich kannte uns erst seit etwas über einem Jahr, aber wir waren relativ schnell auf einer Wellenlänge und auch auf den Platz passte es gut zwischen uns. Anfangs merkte ich es gar nicht so richtig, doch je mehr Zeit verging, desto mehr wurde ich mir bewusst, dass ich ihn vermisste wenn er nicht da ist, ich während des Trainings seine Nähe suchte und versuchte die Partnerübungen mit ihm zusammen zu machen. Und das nicht nur weil wir im Spiel ziemlich gut harmonieren und die Übungen mit ihm Spaß machten, sondern weil ich im nah sein wollte und eifersüchtig auf meine Teamkollegen wurde, wenn es die Übungen mit jemand anderem machte, weil ich dann an der Stelle sein wollte. Irgendwann machte es dann doch mal Klick bei mir, dass ich wohl mehr Gefühle für ihn hatte als zum Beispiel für meine Freunde in Norwegen oder Gio und Marco. Es fühlte sich sehr wie mit 17 an als ich in meinen Mitspieler verknallt war.
Am nächsten Tag im Training fiel mir das auch wieder mehr als deutlich auf, dass ich mir langsam Gedanken machte, ob es nicht doch langsam etwas auffällig für andere war. Aber ich glaube bisher gingen alle davon aus, dass wir uns einfach nur auf und auch neben den Platz sehr gut verstanden. Das ist ja im Prinzip nichts Ungewöhnliches im Fußball. Hat man ja auch schon bei Marco und Mario Götze gesehen, die besonders vor meiner Zeit, aber auch noch zu meiner Anfangszeit in Dortmund sehr eng waren und keiner sagte etwas dazu. Oder auch Jule und Kai. Die zwei kannte ich zwar nur von Erzählungen von Marco und Mats aus der Nationalmannschaft und von Videos auf YouTube, die ich mir daraufhin angesehen hatte, aber die beiden waren ja auch wirklich eng miteinander und niemand sprach davon, dass zwischen den beiden mehr als Freundschaft sein könnte. Auch wenn die Videos mir teilweise ein anderes Gefühl gaben und auch Jule immer mal wieder etwas verstrahlt in sein Handy grinste und man im Laufe des Tages mitbekam, dass er mit Kai geschrieben hatte. (Ich fragte mich dann immer, ob es wohl auch so war, wenn ich mit Jude schreibe.) Aber selbst wenn sonst noch jemand diese Gedanken oder Vermutungen haben sollte, dass zwischen Jule und Kai mehr als nur Freundschaft war, sprach er sie nicht an. Und auch das liebte ich an Dortmund, wir sind zwar alle echt super gut miteinander, aber jeder bekam in der Regel seinen Freiraum und Privatsphäre, wenn man mache Themen nicht direkt ansprach. Mal abgesehen von den üblichen Späßen, die es immer gab.
Jude und ich sprachen im Training meistens einen lustigen Mix aus Deutsch und Englisch, mit dem wir bei unseren deutschen Mitspieler regelmäßig für Erheiterung und einige Lacher sorgten und auch heute konnten wir uns schon in der Kabine kaum zurück halten. Nachdem wir alle aus der Kabine kamen und auf dem Platz den Anweisungen des Trainers lauschten, versuchte ich mich mehr oder weniger unauffällig, sofern das mit gut 1,90m Körpergröße möglich war zu Jude zu bewegen, der ein paar Meter weiter neben Gio stand, um nachher die Partnerübung mit ihm zusammen zu machen. Denn nach unserer Aktion in der Kabine hatten wir eigentlich beschlossen uns etwas weiter auseinander zu stellen, um keinen Stress mit dem Trainer zu bekommen. Doch schon nach ein paar Sätzen wollte ich wieder in seiner Nähe sein. Die Aktion meinen Platz zu wechseln klappte, auch wenn ich einen Mischung aus fragendem und ermahnenden Blick vom Kapitän bekam. Marco hatte offensichtlich mitbekommen, dass ich dem Trainer nicht mehr ganz so gut zuhörte. Wie auch immer. Als ich bei Jude ankam, war der Trainer mit seinen Erläuterungen zum Ablauf des heutigen Trainings fertig und schickte uns erstmal zum Aufwärmen ein paar Runden laufen. Wie üblich unterhielt ich mich mit Jude und auch Gio über alles Mögliche soweit dies eben beim Aufwärmlauf möglich war. Zum Ende hin wurde es etwas weniger, da wir trotz eigentlich guter Kondition so langsam unsere Probleme bekamen zu reden und gleichzeitig im entsprechenden Tempo weiterzulaufen. Das lag vielleicht auch etwas daran, dass es bei uns selten bei normalen Unterhaltungen blieb, sondern schnell ein bisschen albern wurde, was sich dann doch eher mäßig mit dem Laufen vertrug. Als wir mit den anderen wieder zusammen standen und auf die nächsten genauen Anweisungen des Trainers warteten, versuchten wir also wieder zu Puste zu kommen und ich fragte Jude, da klar war, dass eine Partnerübung kommt: „Machen wir zusammen?" „Klar", kam darauf sofort seine Antwort, „ich dachte, dass ist schon längst klar." Das freute mich mehr als es vermutlich sollte. Das Training und vor allem die Übungen mit Jude liefen super und wir bekamen Lob vom Trainer. Auch wenn ich mich immer mal wieder deutlich mehr auf die Übungen konzertieren musste, als wenn ich sie mit Marco, Jule oder Gio gemacht hätte, da ich dazu neigte Jude etwas genauer anzusehen, um nicht zu sagen anzustarren und dann immer mal wieder in meinen Tagträumen über ihn und mich zu versinken. Zum Glück schien es Jude heute und auch ansonsten noch nicht aufgefallen zu sein. Nur Marco grinste mich nach den Übungen immer mal etwas wissend an. Unser Kapitän hatte einfach eine unfassbare Beobachtungsgabe und bemerkte sofort, wenn sich jemand anders oder irgendwie auffällig verhielt. Ich nahm mir vor darauf zu achten den Engländer nicht mehr so sehr zu beobachten oder nur noch wenn Marco nicht dabei ist, denn auf so ein Gespräch mit dem Kapitän war ich nicht so scharf.
Da ich nach dem Training nichts mehr vorhatte, fragte ich wie fast schon üblich Jude und Gio, ob sie Lust hatten bei mir vorbeizukommen um gemeinsam FIFA oder so zu zocken. Das ging zwar zu zweit eigentlich besser, aber ich wollte die Einzeltreffen mit Jude nicht zu auffällig werden lassen und außerdem verbachte ich auch sehr gerne Zeit mit dem Amerikaner. „Sorry, ich würde super gerne, bin aber für heute mit meiner Family und meiner Freundin zum Facetimen verabredet. Nächstes Mal aber wieder super gerne und so hatten Jude und du etwas Zeit zu zweit", hatte Gio nur lachend auf meine Einladung erwidert und mir wie Marco heute auch schon etwas zweideutig zugezwinkert. War mein Verhalten in Richtung Jude wirklich so auffällig, dass es auch Gio mitbekommen hatte, der heute eigentlich am anderen Ende des Platzes trainiert hatte? Oder hatte Marco doch etwas fallen lassen? Wobei wir verbringen normal schon viel Zeit zu Dritt, aber es gibt halt auch immer mal wieder nur Treffen zu zweit, da Gio öfter mal verhindert war, da es für ihn aufgrund der Zeitverschiebung natürlich schon etwas schwieriger ist Kontakt zu seiner Familie zu halten.
„Ich komme gerne. Kann ich direkt mit zu dir kommen? Dann muss meine Mutter mich nicht abholen.", fragt Jude. Ich vergaß immer wieder, dass es noch keinen Führerschein hatte und ihn daher meistens seine Mutter abholte. „Klar, kein Problem, wäre jetzt eh mein Vorschlag gewesen." Damit kam es heute also wieder zu einem Treffen von Jude und mir zu zweit. Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mich das nicht freute. Ich versuchte schon seit einiger Zeit bei Treffen, bei denen wir zu zweit waren mich langsam an das Thema Homo- bzw. Bisexualität heranzutasten. Denn ich wollte erstmal herausfinden wie Jude überhaupt zu dem Thema steht, bevor ich es bei ihm versuche bzw. zumindest mal bei ihm oute. Denn das war mein aktueller Plan. So ganz 100% durchdacht war der noch nicht, denn ich hatte die Befürchtung, dass auf ein Outing auch die Frage kommen könnte, ob ich jemanden hatte (sowas wird ja gerne mal gefragt). Und wenn er davon wüsste, würde vermutlich auch mein Nähe suchen irgendwie auffälliger werden. Aber wie gesagt, so ganz durchdacht war das Ganze noch nicht und ich wollte mich ja Stand jetzt auch erstmal nur ran tasten und dann weiter überlegen.
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Irgendwann
FanfictionErling ist glücklich beim BVB, doch was passiert wenn plötzlich Gefühle für einen Mitspieler ins Spiel kommen? Und was wenn diese Gefühle auch erwidert werden, doch dann von der Beziehung niemand etwas erfahrend soll? // Geschichte über Erling und J...