Begegnung

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Die ersten beiden Unterrichtstage waren erstaunlich schnell vorüber und die Verwandlungslehrerin fand Gefallen an ihrer neuen Tätigkeit. Eigentlich kein Wunder - hatte sie ihren Freunden doch bereits in der ersten Klasse quasi Nachhilfe gegeben.
Dennoch war sie etwas erschöpft und froh, dass nun das Wochenende vor der Tür stand. Die Kinder waren neugierig und vor allem anstrengend, die älteren Schüler kannten sie noch aus ihrer eigenen Schulzeit und Taten sich etwas schwer, sie jetzt als ihre Professorin zu sehen.

Doch nun stand erstmal die Lehrerkonferenz an.
Und sie war etwas in Eile, da sie sich in Überlegungen zur Anwendung von Wegerichswurzeln in der Trankheilkunde verloren hatte. Jetzt  musste sie in den verbliebenen fünf Minuten zum Lehrerzimmer hetzen. Der 'Vorkriegs - Hermine' wäre das sicher nicht passiert, rügte sie sich in Gedanken. Was war nur mit ihr los?
Eigentlich kannte sie die Antwort,  sie hatte sie tief unten mit allem, was mit IHM zu tun hatte, in ihrer Gedankenbibliothek begraben.
Welch ein Widerspruch, war doch das Bild einer Bibliothek eine Errungenschaft, die auf seine Anregung hin entstanden war.
Der Gedanke, dass ihre intimsten Erinnerungen frei zugänglich für jeden waren, der auch nur einen Hauch von Legilimentik verstand, war ihr so gruselig vorgekommen, dass sie sich so gut es ging Okklumentik beigebracht hatte. Es hatte nicht sonderlich gut funktioniert, doch als ER sie mit einer abfälligen Bemerkung auf eine Bibliothek gebracht hatte, war es ihr plötzlich viel einfacher gefallen.

Minerva stand am Kopf des ausgedienten langen Tisches, vor ihr saßen schon fast alle Mitarbeiter Hogwarts'. Sogar Argus Filch war gekommen, wenn auch nur, um -wie jedes Jahr- einen Antrag zu stellen, dass gewisse Erziehungsmethoden aus vergangenen Jahrhunderten doch wieder eingeführt werden sollten. Wie in den letzten Jahren würde dieser Antrag wohl auch dieses Jahr abgelehnt werden und Mr. Filch würde darauf aufmerksam machen, wie wichtig es wäre, Herumtreibern und Übeltätern das Handwerk zu legen und sie angemessen zu bestrafen. Und wie jedes Jahr würde diese Anmerkung mit einem Nicken zur Kenntnis genommen werden und anschließend würde man mit dem nächsten Punkt auf der Tagesordnung fortfahren.
Wie er diese Konferenzen vermisst hatte! Was gab es auch schöneres, als stundenlang auf unbequemen knarzenden Stühlen zu sitzen, sich den neusten Klatsch und Tratsch reinziehen um dannach festzustellen, dass sich nichts ändern würde. Nun gut, dieses Jahr war ein besonderes Jahr, vielleicht gab es noch Hoffnung.
Hoffnung... wie lange er gehofft hatte. Gehofft, endlich lieben zu dürfen. Und nun?
Nun würde er wohl jeden Tag mit der unerfüllbaren Wunschvorstellung konfrontiert werden, selbst geliebt zu werden und er würde im Stillen zurücklieben und ihre Anwesenheit würde seine Liebe mehren und seinen Kummer in ungeahnte Höhen treiben.
Wo war sie überhaupt?
Weshalb machte er sich darüber Gedanken. Er sollte sie endlich aus seinem Kopf und vor allem aus seinem Herz verbannen.
Die Tür wurde sacht aufgemacht und herein trat jene, nach deren Liebe er sich sehnte. Sie war schön. Er wusste nicht, wie er sie sonst beschreiben sollte. Ihre braungelockte Mähne umrahmte ihr zierliches Gesicht. Doch ihre sonst so strahlend haselnussbraunen Augen waren etwas eingetrübt und der dunkle Schatten unter ihnen zeugten von ihrer Erschöpfung. Dennoch war sie einer der schönsten Menschen, die er je betrachten durfte. Ein weiterer Grund, sie zu vergessen.

Sein Seufzen schien sie dazu zu bewegen, ihre Aufmerksamkeit von Minerva und Pomona - den alten Tratschtanten - weg und zu ihm zu lenken. Er konnte sehen wie ihr Blick auf ihm verharrte, sie blickten sich an - seine Welt schien für einige Augenblicke still zu stehen und sich erst dann wieder weiterzudrehen, als Filius Hermine etwas sagte, er wusste nicht was, es war nicht wichtig für ihn.

Er saß ihr gegenüber. Seine Miene war ausdruckslos wie immer, doch seine dunklen Augen schienen zu funkeln. Oder bildete sie sich das nur ein? Als sie ihn das erste Mal wieder erblickte, könnte sie es nicht glauben. Und auch jetzt, eine halbe Stunde später, kam es ihr surreal und unmöglich vor. Er lebte.
Er lebt!, schrie ihr Herz ihr zu. Eine Glückseligkeit ergriff sie, doch bald gesellte sich Wehmut dazu. Er war dennoch unerreichbar für sie. Du hast keine Chance, vergiss ihn endlich, sagte ihr Kopf.

After The War - Severus Snape FfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt