»Und dann ist da diese blöde Kuh gewesen!«, jammerte ich und schnäuzte in das Klopapier hinein. Während der Bahnfahrt hatte ich angefangen zu heulen.
So richtig, mit laufender Nase, roten Augen und der Tatsache, dass ich auch keine Taschentücher bei mir hatte. Hätte ich heute früh die Nerven dazu gehabt mich zu schminken, wäre diese mir wohl übers ganze Gesicht gelaufen und die Leute um mich herum würden mir noch mehr Blicke zuwerfen, als sie es ohnehin schon taten.
Mandy war, zu meinem Glück, mit einer Freundin auf deren „Band"-Probe und so hatte ich Megan alleine in ihrem Apartment vorgefunden.
»Ich glaube, wenn ich dir jetzt unter die Nase reibe, dass ich Recht hatte, würde es dir nicht wirklich helfen.«
»Da hast du Recht.«
»Kommt vor.«, behauptete Megan. »Ich denke nicht, dass er das wirklich gewollt hat, also dass es seine Absicht war.«
»Du meinst also, er ist ausgerutscht und mit seinem Schwanz ganz zufällig in ihr gelandet?« Ich zog eine Augenbraue hoch und musterte die Blondine neben mir.
»Ich meine, es ist vielleicht so ungewollt gewesen wie die Tatsache, dass ihr beide Sex hattet.«, erklärte Megan und sah mir in die Augen. »Vielleicht war er nicht ganz bei sich.« Langsam beschlich mich das Gefühl das Anwalt-Megan nicht auf meiner Seite stand.
»Apropos Alkohol - «, begann ich um das Thema von Fynn zu lenken.
»Wir haben gar nicht über Alkohol geredet, Eve.«
» - ich brauche dringend eine ganze Menge davon.« Und zwar eine gewaltige Menge an Alkohol. Wenn möglich auch einen Kerl der mir sagen würde, ich sei wunderschön.
Megan ging auf meinen Wunsch gar nicht ein. »Alkohol ist keine Lösung.«, behauptete sie nun und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Gott sei Dank war ihr Köter nicht hier, da ihre Schwester die Bestie mitgenommen hatte. Alkohol war eine Lösung, es war schon immer die Lösung gewesen. Evelyn, wieso hast du ein E in deiner Englischprüfung geschrieben? - Der Alkohol. Evelyn, wieso bist du letzte Woche nicht in der Schule gewesen? - Der Alkohol. Evelyn Rose Dunkens, wieso ist ein nackter Kerl in deinem Bett?! - Der Alkohol. Wenn ich so recht überlege, es ist ein wunder, dass ich letztendlich meinen Notenspiegel so aufbesserte, dass ich fürs Psychologiestudium zu gelassen wurde. Ich stand leicht schwankend von Megans Sofa auf und ging auf meine Schuhe zu.
»Nein, Eve!«, schrie Megan vom Sofa aus. »Wir gehen nichts trinken!« Ihre Stimme klang gefährlich kühl, doch ich hatte schon viel zu lange auf meinen Rausch verzichtet.
»Du vielleicht nicht, ich schon!«
Ich hatte sie gar nicht kommen sehen. Erstaunlich wie schnell sie sich trotz ihrer Körpermasse bewegen konnte. Sie packte meine Stiefel und stürmte zum Fenster, welches sie gewaltsam öffnete und die schwarzen Schuhe an den Schnürsenkel draußen baumeln ließ. Ich schluckte.
»Ich lasse sie fallen, wenn du den Alkohol noch einmal erwähnst.«, drohte sie mir und kniff die Augen zusammen. »Hast du mich verstanden?«
»Ich habe keinen schiss davor auf Socken runter zu laufen und sie mir zu holen.«
»Auch wenn sie auf dem Vordach landen?« Vage erinnerte ich mich daran dass unter Megans Fenster die Eingangstür zu dem Wohnblock war. Ich starrte sie stumm an, überlegte fieberhaft, ob ich wirklich auf den Alkohol verzichten wollte. Ich könnte auch barfuß zu einer Bar gehen, es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass ich barfuß irgendwo hin ging. »Also was ist?«
»Ischwerddenalkoholnichtmehrerwähnen.«, nuschelte ich und sie zog eine Augenbraue hoch. Ich stöhnte und verdrehte die Augen. »Gut, ich werde den Alkohol nicht mehr erwähnen.«, gebe ich Zähne knirschend von mir und lasse mich wieder auf das Sofa nieder.
»Gut, dann lass uns endlich wie normale Menschen reden.«, befahl sie und zog die Schuhe wieder in die Wohnung hinein. Mit einem Klatschen fielen sie neben ihrem Esstisch zu Boden und ich widerstand dem drang aufzuspringen, sie mir zu schnappen und damit abzuhauen. Megan setzte sich wieder neben mich und sah mich abwartend an.
Als ich nach mehreren Sekunden noch immer nicht das Wort ergriff, begann sie selbst zu sprechen. »Wieso bist du überhaupt zu dem Date mit Christian gegangen, wenn du was von Fynn willst?«
»Das ist eine außerordentlich gute Frage, ich denke ein Schluck Bier würde meinen Gedanken auf die Sprünge helfen.« Meine Antwort brachte mir nur einen wütenden Blick von Megan ein. Ich atmete tief ein und fesselte meinen Blick auf meine Schuhe. »Weil ich das Date vor dem mit Fynn abgemacht hatte.« Ich mochte es nicht, über mich selbst zu sprechen. Dies und die Tatsache, dass ich Junkies wie Benny helfen wollte, waren wohl die Auslöser wieso ich mich für die Psychologie entschieden hatte. Evelyn, du kannst nicht Psychologie studieren und gleichzeitig ein Alkoholproblem haben. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass die Stimme meiner Mutter für immer in meinem Kopf widerhallen würde.
»Weiß Fynn das auch?«
»Hm?«, machte ich, obwohl ich ihre Frage ganz klar und deutlich verstanden hatte.
»Ich habe dich gefragt, ob Fynn weiß, dass das Date vor eurem Date geplant wurde?«
»Ich glaube das ist mir entfallen als ich die dumme Kuh ohne Hose sah und meine Kaffeebecher zersprangen. Irgendwo in dieser kurzen Zeitspanne muss ich diesen Gedanken verloren haben. Sind wir jetzt fertig?«
»Nein.«, antwortete Megan kühl. »Und wieso rufst du ihn jetzt nicht an und klärst das?«
»Weil ich ihm nicht wie ein blöder Schoßhund hinterherlaufen werde.«
»Dir ist klar, dass du echt Scheiße bist oder?«
»Ja, das höre ich oft.«, erwiderte ich darauf und mein Blick zappelte zwischen meinen Schuhen und der Tür. Eigentlich könnte ich ohne ihnen laufen. Oder ich schnappte mir die Schuhe und wartete noch einige Minuten auf der Couch bis sie erneut abgelenkt war.
»Wie war das Date denn?«
Für einen klitzekleinen Moment fühlte ich mich wie mein sechszehnjähriges Ich, dass bei der Suchtberaterin auf dem Sofa lümmelte und versuchte der alten Dame klar zu machen, dass man gar kein Suchtproblem hatte. Und vor fünf Jahren hatte ich noch wirklich kein Suchtproblem, ich hatte ein Mutter-Problem, dass sah nur niemand ein. »Es fand im Grunde gar nicht statt.«, murmelte ich und sah auf meine Fingernägel.
»Wie es fand nicht statt?«
»Es fand nicht statt. Wir haben gesprochen, dann kam Fynn, wurde wütend verschwand und Christian sagte mir, es hätte keinen Sinn das wir uns sehen, wenn ich am Ende des Tages doch zu Fynn gehen wollen würde. Also brach er es ab.«
»Er ist echt bemerkenswert.«
»Ich fand ihn sehr ritterlich. Liegt wohl an dem Namen. Batman ist auch der dunkle Ritter.«
»Ich weiß nicht ob ich dich für deine außerordentliche Bekenntnis loben oder lieber einweisen sollte, weil du definitiv zu viele Filme guckst.« Megan sah mich stirnrunzelnd an und räusperte sich leicht.
»Verkündest du mir jetzt schweren Herzens, dass ich unheilbar bin und wir was trinken sollten?«
»Ich hasse dich.«, behauptete Megan, grinste aber breit und erhob sich. »Lass uns in deine Bar gehen und etwas essen. Ich habe echt Hunger.«
»Wurde aber Zeit, noch länger hätte ich es wohl kaum ausgehalten.«
»Du solltest deswegen in Therapie gehen.«
»Erstaunlich...«, ich wartete einen Moment ab bevor ich weiter sprach und zog mir währenddessen die Schuhe an. »Auch das sagen mir extrem viele Leute.«
»Und was tust du dann?«
»Ich reise aus England nach Amerika und sage keinem einzigen davon Bescheid.« Es sollte lustig klingen, doch in meiner Stimme schwang ein bitterer Unterton an und wir beendeten das Thema.
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Friends in a roundabout way
HumorSie ein typischer Fall von Ausreißerin mit großen Plänen. Er ein typischer Fall von Arschloch aus der Wohnung gegen über. Obwohl die Geschichte der beiden mit Zickereien weiblicherseits und vergeblichen Flirtversuchen männlicherseits begann, entw...