Kapitel 9

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Es tat weh.

Es tat einfach nur so unnormal weh, Menschen leiden zu sehen. Unschuldige Menschen, die mit den Folgen der nicht endenden Kriege zu kämpften hatten.

Das Dorf hier vor mir sah sogar noch schlimmer aus als das davor. Die Häuser waren komplett zerstört. Sogar von meterweiten Entfernung konnte ich all die kaputten Türen und Dächer erkennen. Die Männer des Dorfes versuchten gerade den einen Teil wieder aufzubauen, doch wie es aussah, reichten die Materialen dafür nicht aus. Drei von ihnen holten einige Holzplatten, welche sie vermutlich von dem komplett ruinierten Hütte nebenan rausgerissen hatten.

Frauen und Kinder waren kreuz und quer überall hin verstreut. Genauso wie die Männer wirkten sie schwach und zerbrechlich. Ich wusste, dass viele Menschen in Valera unter Hungersnöten litten. Doch dies jetzt so zu sehen... mein Herz zerbrach in tausend Teile.

Ich wollte was tun. Ich musste was tun.

»Was ist der Grund für diese Armut? Was unterscheidet uns von den anderen Leuten?«, fragte ich Lord Mullo, der genauso wie ich auf die Menschen sah. Mit einem Seufzen drehte er sich zu mich.

»Hoheit, wie Ihr wisst waren Maxea und Valera einst ein ganzes Reich. Tygon war mächtig, mächtiger als jedes andere Reich in ganz Heraya. Doch die Teilung änderte alles. Da der Westen, also das heutige Maxea, die meisten Lebensmittel produzierte, wollte der damalige König Valera unter Druck setzen. Doch diese Taktik funktionierte nicht. Seitdem her ist unser einziger Lieferant das Reich Indo«, erklärte er mir die Situation.

»Aber was wurde dann hier produziert?«

»Zwar sind unsere Böden oft nicht fruchtbar genug, um ausreichend Lebensmittel zu anzubauen, doch glücklicherweise haben wir unser stark ausgeprägtes Bergbau und eine große Anzahl an qualitativen Produkten, die wir den anderen Reichen verkaufen können. Kurz gesagt ist dies das Prinzip von Geben und Nehmen.«

»Wäre es möglich, dass Maxea und Valera wieder ein werden? Falls ja, würde dies etwas bringen?«, fragte ich ihn dann leise. Irgendwie kam es mir so vor, als wäre es ein sehr heikles Thema. Die Auswirkungen waren noch so aktuell und frisch, ein Teil von mir wollte diese Fragen gar nicht stellen.

Gleichzeitig aber war ich verantwortlich dafür, die Lage zu ändern. Was anderes als Informationen sammeln konnte ich derzeit einfach nicht machen.

Für einen kurzen Moment lächelte er nur verträumt. »Majestät, die Vereinigung wäre die Erlösung unserem leidenden Reiches. Nur kann ich Euch nicht sagen, ob dies möglich wäre. Seit dem Krieg entstehen täglich neue Konflikte. Dennoch kennen wir den neuen König Maxeas nicht so gut. Vielleicht wäre er für eine Vereinigung, wer kann es schon wissen?«

Hoffnung.

All diese Menschen hatten trotz allem noch Hoffnung. Etwas, was ich schon lange nicht mehr kannte.

Doch jetzt war es nicht mehr nur ich. Jetzt hatte ich noch Millionen Andere um mich herum, die meine Hilfe benötigten. Ich wollte ihnen helfen. Sehr sogar. Nur wirkte es nicht wirklich so, als würde dieser König von Maxea die Idee der Vereinigung mit Freude aufnehmen. Wäre dies der Fall, müssten die beiden Reiche ja schon längst vereinigt sein.

»Eure Majestät, es wird bald regnen«, holte mich eine tiefe Stimme aus meinen Gedanken.

Noar stand vor mir, um seinen rechten Arm mein grauer Mantel und in seiner linken Hand das Schwert haltend. Kurz sah ich nach oben. Er hatte recht, es würde gleich regnen. Doch nicht nur das, die dunklen Wolken deuteten auch darauf hin, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit gewittern würde.

»Die Häuser hier haben alle Schäden. Nie und nimmer können die Leute Schutz darunter finden«, klagte ich. Während ich in meinem warmen Palast saß, mussten sie es in Kälte und ohne Dach überm Kopf aushalten. Das war doch absurd.

Trust & BetrayalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt