Kapitel 11

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»Ich weiß nichts von diesem Sklavenhandel, dafür kann ich meine Hand ins Feuer legen. Unser Treffen heute ist das erste Mal, dass ich davon höre«, gab ich ehrlich zu. Mir wurde alles erzählt und erklärt, doch davon sagte mir niemand etwas. Sklaven? Was zum Teufel? Allein der Gedanke, dass dies wahr sein könnte, ließ mich erschaudern.

Der Sklavenhandel war eines der barbarischsten Akte der Menschengeschichte.

Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die Sklaven hier wenig Unterschied mit denen aus der Menschenwelt hatten.

»Daran ist auch nichts verwunderlich, Prinzessin Alessa. Denn es ist nicht Euer Hof, der diesen Sklavenhandel betreibt.«

Meine Verwirrung musste mir ins Gesicht geschrieben sein. Gab es etwa in Valera einen Schwarzmarkt? Das war sogar viel schlimmer. Die Leute auf meinem Hof waren gebildet und erfahren, versuchten trotz allem die Unruhen im Reich unter Kontrolle zu halten. Und jetzt sollten es andere geben, die dem Reich Maxea Sklaven abkauften?

»Wer dann? Wer sind sie?«, fragte ich ihn. Er lehnte sich nur seufzend auf seinem Sessel zurück und schaute zur Öllampe.

»Die Gruppe Marte. Lasst mich raten, von denen wisst Ihr auch nichts?«, mit einer hochgezogenen Augenbraue sah er mich an. Mir schoss das ganze Blut ins Gesicht. Was eine Amateurin ich doch nur war... Mit einem kurzen Nicken bestätigte ich seine These.

»Verstehe. Marte zeigte sich zum ersten Mal vor 15 Jahren, das wahrscheinlich schlimmste Jahr des Krieges. Sie handelten mit Leuten aus meinem Reich, nahmen sich Teile meines Volkes als Sklaven im Gegenzug zu Diamanten aus den Mienen. Die Frauen werden vergewaltigt, die Männer arbeiten bis zu ihrem Tode und Kinder unter fünf Jahren werden als Volk Valeras großgezogen.«

Das... das war viel zu viel für mich. Es fühlte sich an, als hätte jemand eine Schnur genommen und diese um meinen Hals herum gewickelt. Nur schwer konnte ich Luft einsaugen.

Mein Volk tat so etwas? Leute, die in meinen Augen puren Horror erlebten, taten den unschuldigen Bewohnern des Kriegsreiches viel schlimmere Dinge an. Und mir... mir fiel das nicht einmal auf.

Warum wusste ich davon nichts? Warum wusste niemand von meinem Hof davon? Oder taten sie es etwa?

Ich vertraute ihnen blind. Jeden einzelnen von ihnen. Vielleicht war das ja mein Fehler. Herrscher waren schon immer schlauer als andere. Deshalb regierten sie über ein Land. Nicht so schlaue Leute ruinierten das Land. Ließen die Leute leiden, bis kein Ausweg mehr in Sicht war. Entweder starb man, oder man floh. Mehr Leid.

Ich war vermutlich einer dieser dummen Herrscher. Es sollte mich nicht so stark treffen, eher sollte ich einen kühlen Kopf bewahren und mit dem König vor mir, der mich mit undefinierbaren Blicken anschaute, darüber diskutieren. Aber ich ließ meinen Gefühlen freien Lauf. Angst, Ärger, Schmerz. Alles in einem gemischt mit einer Selbstbestrafung meines Gehirns.

»Hört auf damit«, hörte ich dann seine gedämpfte Stimme. König Tegon. König von Maxea. König der Leute, die von einigen meiner gefoltert wurden.

Noch mehr Scham.

»Ich bin nicht geeignet für solch eine Position.«

»Ganz im Gegenteil«, murmelte er auf einmal. Mein Kopf schoss nach oben, König Tegon direkt in die Augen schauend. Sollte das ein verdammter Scherz sein?

Doch bevor ich was sagen konnte, sprach er schon weiter. »Zu fühlen ist nichts... schlimmes, Prinzessin Alessa. Die eigentliche Kunst ist es, diese Gefühle zu kontrollieren. Hat man welche, ist es einfach. Hat man keine, verliert man sich selbst.«

Seine dunklen Augen starrten wieder in meine. Diesmal schaute ich sie mir genauer an. Versuchte ein Hauch von Fälschung seiner Worte zu finden, doch nichts. Es wirkte so, als meinte er sie auch wirklich.

»Wie kann ich diesen Handel stoppen?«, meine Stimme verließ meinen Mund genauso wie ich es hasste. Zart und zerbrechlich. Meine meist gehasste Kombination. Das war nämlich nicht ich.

Das war das kleine Kind in mir, welches raus kommen wollte. Man erlaubte mir nicht, es in seiner Zeit frei leben zu lassen, und nun machte es mir nur noch Probleme. All meinen Emotionen wurden wegen der kleinen Zara in mir entfesselt und unbeaufsichtigt an die Oberfläche gebracht.

»Hört auf, uns Produkte aus dem Reich zu verkaufen. Passiert dies offiziell, wird unser neuer Handlungspartner Piraris.«

Er schluckte. Ich schluckte.

Wir wussten beide, was dies bedeuten würde.

Das war also der Grund, warum er mich hergerufen hatte.

Doch passiert dies, würden die Menschen in Valera verhungern.

Bis jetzt involvierte mich der Hof eher weniger in die Außenpolitik des Landes. Aber ganz dumm war ich auch wieder nicht. Mir war klar, dass Maxea für uns eine wichtige Rolle spielte.

Und mit diesem Angebot würde unser womöglich einziges Verhältnis untergehen. Während das Volk von Maxea Freiheit erlangte, würde mein Volk zu erst durchdrehen, dann nacheinander verhungern. Bis nichts mehr von Valera übrig war.

So etwas konnte ich nicht erlauben.

»Marta ist eine Gruppe. Nicht das ganze Volk. Nur wegen einigen wenigen Leuten können wir nicht mein ganzes Reich bestrafen.«

Nun musste ich endlich etwas für mein Reich tun. Genug mit der Heulerei. Denn wenn heute etwas falsch lief, könnte dies fatale Folgen für Millionen von Leben haben.

Er seufzte. Laut und die Augen dabei geschlossen. Mit der rechten Hand fuhr er sich durch die dicken Haare und sah wieder zu mir. Er nickte nur. Nickte und nickte und nickte, bis er seinen Mund wieder aufmachte. »Ich möchte auch nicht, dass Valera in noch mehr Schwierigkeiten gerät-«

Ich ließ ich nicht aussprechen.

»Ach ja? Wie soll das denn funktionieren? Ihr und ich, wir wissen beide, dass diese Idee Hunderttausende Bewohner in nur wenigen Wochen töten würde! Ich wurde noch nicht gekrönt, die meiste Macht liegt immer noch in den Händen meines Hofes, doch solch ein großer Idiot war ich nicht. Ich weiß, was zurzeit abgeht. Menschen hungern, Menschen sterben. Alles wegen einem verdammten Krieg, den keiner von uns möchte.«

»Natürlich kann ich nicht das Gleiche von Eurem Volk halten, König Tegon.«

Das ließ ihn durchdrehen. Diesmal war nicht ich, die diesen Emotionen Freibahn gab, sondern er. Der König, der den kühlen Kopf bewahrte, war nun ein König, der mich allein mit seinen verhassten Blicken in Stücke zerriss.

»Hast du überhaupt eine Ahnung, wie es meinem Volk geht? Es sind erst einige wenige Wochen, die die kleine Prinzessin in Valera verbracht hat. Reicht das? Nein! Es. Reicht. Nicht. Nur das eigene Volk sehen, nur mit den eigenen Leuten Mitleid haben... Ich habe mich wohl mit dieser Auswahl hier getäuscht«, seine Stimme kam mir viel rauer vor. Doch was mich eigentlich außer Kontrolle brachte waren seine Augen. Sie funkelten mich eiskalt an. Ich wurde für ihn im Nu ein Feind.

»Das Gleiche kann ich über Euch sagen, König Tegon. Nur das eigene Volk sehen, nur mit den eigenen Leuten Mitleid haben...« wiederholte ich eins zu eins seine Worte. »Habe ich nicht recht? Wo liegt dann Euer Interesse in Valera?«

Mit den Händen stützte er sich am Tisch. Dass er überhaupt aufgestanden war, fiel mir erst jetzt auf. Komplett überfordert mit dieser Auseinandersetzung zwischen uns, achtete ich gar nicht mehr auf die Umgebung.

Kühlen Kopf behalten Zara. Kühlen Kopf.

»Gebt mir vier Wochen. Ich werde versuchen, das Problem mit der Marte zu lösen. Anders wird es nicht funktionieren.«

Ein zweiter Versuch war es wert. Kurz murmelte er etwas vor sich hin, doch ich war zu weit, um ihn hören zu können.

»Meine Karten liegen offen, Prinzessin Alessa. Wir werden uns bald wieder sehen.«

Den Raum verließ ich zu erst. Nun war es Zeit, zu handeln.

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