chapter 8 | changing room

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Gegen 19 Uhr trat ich mit Pizza unter meinem Arm in meine Wohnung. Es ist wie immer ein wenig unordentlich, doch das stört mich nicht. Ich liebe diese Dynamik und Lebhaftigkeit auf dem Flur und auf dem Tisch.
Meine Tasche und den Mantel lege ich ab, ehe ich mir die Hände waschen gehe - ein wichtiges Ritual.
Ich setze mich auf meine zur Fensterfront gerichtete Couch und atme einmal tief durch.

Was für eine verrückte und schöne Zeit nun hinter mir liegt, mich jedoch auch erwartet. Es fühlt sich immer noch wie ein Traum an, wenn ich daran denke, dass Annalena mich wirklich als ihre Assistentin will. Nicht nur eine Assistentin, sondern ihre Assistentin.

Für eine Weile muss ich in Gedanken geschwelgt haben, denn mittlerweile geht die Sonne Stück für Stück immer weiter am Horizont Berlins unter.
So schnappte ich mir den Pizzakarton, ehe ich eine Platte auflegte. Für Fernsehen ist der Sonnenuntergang viel zu schön, um ihn nicht zu beobachten.

Es war der Song Barfuß am Klavier von AnnenMayKantereit, welcher nun durch meine Lautsprecher erklang.

Auch wenn ich das eigentlich nicht sollte, schweiften meine Gedanken andauernd zu Annalena. Für meine eigenen Gedanken kein Verständnis zeigend, schüttelte ich meinen Kopf und aß meine Pizza, während die schönen Farben des Himmels mein Herz erwärmen ließen - oder waren es doch die Gedanken an Annalena?

- time skip, nächster Tag -

Heute ist der Tag. Annalena und Robert werden als Parteivorsitzende abgelöst und eine neue Spitze wird gewählt. Ich werde nicht als Delegierte dort sitzen, sondern als „Team" von Robert. So steht es auf meinem Umhängeschild, welches mir am Eingang überreicht wurde. Es gab noch ein kleines grünes Bändchen und ich konnte in die große Messehalle eintreten.

Es herrschte schon Wuhling um die Bühne herum und die Plätze füllten sich langsam, aber sicher. Ich war ein wenig eher gekommen und suchte mit meinen Augen nach Robert oder Annalena. Mir war bekannt, dass sie gegen 16 Uhr verabschiedet werden würden, doch ob sie schon da waren, wusste ich nicht.

Nach einer Weile des Suchens gab ich schließlich auf und setzte mich hinter den Tischen für die Delegierten auf eine provisorische Bank. Hinter mir war ein etwa drei Meter hohes Podest, auf welchem sich die Anlaufstellen der Presse befanden. Ich ließ meinen Kopf hinten an die Wand prallen und schloss die Augen.

„Hey y/n!", riss mich eine bekannte weibliche Stimme aus meinem Tagtraum und ich sah auf. Annalena erschien nun in meinem Sichtfeld und ich stand auf, um sie zur Begrüßung zu umarmen.

„Hey Anna", nuschelte ich in ihre Halsbeuge und wir lösten uns nach einer innigen Umarmung.
Die kleinen Schmetterlinge in meinem Bauch fanden wieder Einzug und ich musste wohl vor mich hinstrahlen, da wir uns so lange nicht berührt hatten.

„Schön dich wiederzusehen!", sagte sie.

Mir fehlte ihre Nähe. Doch ich wusste nicht, dass es Annalena nicht anders erging. Auch sie vermisste mich und meine Nähe auf Reisen und immer, wenn wir nicht beieinander waren. Keiner von uns wusste, was das zwischen uns war und keiner traute sich, es anzusprechen - geschweige denn den nächsten Schritt zu gehen.

„Ich hab dich schon die ganze Zeit gesucht und versucht dich zu erreichen. War dein Handy aus?", fragte Annalena.
Ich fischte mein Handy aus meiner Jackentasche und tatsächlich - 2 verpasste Anrufe von Anni <3.

„Oh sorry, hab mein Handy auf stumm", kam es aus meinem Mund.

„Jetzt hab ich dich ja", zwinkerte sie mir zu und boxte mir leicht in den Arm.

Aus der Ferne sah ich auch schon Robert auf uns zukommen, ehe wir uns begrüßten und uns angrinsten. Wir unterhielten uns über die vergangenen Wochen und ein wenig über die Zukunft. Bis Annalena ungeduldig von einem Bein auf das andere wankte. Sie zupfte an meinem Ärmel und gab mir zu verstehen, dass ich ihr folgen sollte.

„Wir sind kurz für kleine Grüne", sagte Annalena zu Robert und schon ging sie schnellen Schrittes vor mir weg.
Unser Weg führte mich allerdings nicht zu den Toiletten, sondern zu Annalenas Umkleide.

Ich wusste, dass sie mir heute etwas sagen wollte, wie sie mir bereit am Telefon erzählte. Das Warten wird nun ein Ende haben und ich werde erfahren, was Annalena mir Wichtiges zu erzählen hat, wenn sie es nicht per Anruf besprechen möchte.

Schnell zog sie mich in den Raum hinein und verschloss die Tür. Mir blieb nicht viel Zeit, um mich umzusehen, da ich auch schon Annalenas Lippen auf meinen spürte. Ich war erstaunt und überrascht über ihr plötzliches Handeln, doch erwiderte leidenschaftlich den Kuss.

Ihre Lippen waren so unfassbar weich und sie war eine Göttin im Küssen. Wir fanden einen gemeinsamen Rhythmus und Annalenas Arme waren inzwischen um meinen Nacken geschlungen. Meine Hände fanden auf ihrer Taille Platz.

Mein Körper drohte vor Gefühlen zu platzen und mein Gehirn hat bereits ausgesetzt. Auf diesen Moment habe ich so lange gewartet, auch als Annalena von meiner Person noch nichts wusste, wollte ich ihre Lippen auf meinen spüren. Ihr nah sein. Nun kann ich alles um mich herum vergessen und alle Emotionen und Gefühle, die sich angestaut hatten, voll und ganz Annalena widmen.

Wir lösten uns schwer unter einem Keuchen, verweilten Stirn an Stirn und die Hände fanden sich noch immer dort, wo sie zuvor waren. Annalena grinste mich an und man sah ihr das Glück ins Gesicht geschrieben.

„Das wollte ich schon so verdammt lange tun", ergriff Annalena das Wort. „Wenn du wüsstest, wie oft ich an dich denke, würdest du mich für verrückt erklären!" Sie lachte.

Ihr Lachen ist das schönste der Welt. Ich kann ihre Gefühle nur erwidern und finde mich selbst in den Situationen wieder. Den vielen schlaflosen Nächten, die sie mir bereitete oder der ständigen Nervosität, wenn sie in meiner Nähe war.

„Du machst mich so verdammt glücklich!" Ich zog sie in einen erneuten Kuss.

„Ich glaube, wir müssen das heute Abend fortsetzen, sonst denkt Robert noch, wir machen sonst was", löste sich Annalena von mir und brachte Abstand zwischen uns.

„Wir machen doch noch gar nichts", gab ich ihr verschmitzt zurück.

Wir richteten noch unsere Haare und Annalena korrigierte ihr verwischtes Make-up, ehe wir den kleinen Raum wieder verließen.
Niemand würde von all dem hier erfahren und ich brannte bereits für heute Abend. Ich weiß nicht, was Annalena vor hatte, doch es wird mit Sicherheit ein unvergesslicher Abend für uns beide werden.
Jetzt heißt es jedoch erst einmal Zähne zusammenbeißen und arbeiten. Nun ja, ob ich arbeite sei mal dahingestellt, da ich nur als „Team" hier bin und nicht als Wahlberechtigte.

Ab 20 Uhr geht im Maxxim Club die Party los. Der Club ist allein für uns gemietet und es werden wahrscheinlich auch viele Parteikollegen erscheinen.
Mein Fokus liegt jedoch nicht auf meinen Kollegen, sondern ganz allein bei Annalena. Ich kann es gar nicht mehr abwarten, was sie mit mir anstellen will und in meinem Kopf spielen sich schon jetzt die wildesten Szenarien ab.

don't stop me nowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt