Loki erwachte bereits vor Sonnenaufgang. Die Nacht lag noch finster über der Welt., doch ein Knacken im Unterholz hatte ihn aus dem Schlaf geholt. Verwirrt sah er sich im Wald um, auf der Suche nach der Ursache des Geräusches, welches seine nächtliche Ruhe gestört hatte. Es war der Wolf. Bevor Lavea und er sich zur Nachtruhe gebettet hatten, hatte Loki dem Tier ein Stück des getrockneten Fleisches zugeworfen. Es entsprach zwar nicht der natürlichen Nahrung des Räubers, jedoch war es besser als gar nichts. Und der Wolf hatte so hungrig ausgesehen. Womöglich war er schon geraume Zeit unterwegs, immer in feindlichen Revieren, wo er nicht jagen durfte. Nun hatte das majestätische Wesen sich erhoben. Auch, wenn er noch etwas zittrig auf den langen Beinen stand, eines hatte Loki ihm wieder zurückgegeben: den erhabene Funkeln in seinen Augen. Ein dankbarer Blick des Tieres, ein Kopfnicken von Seiten des Gottes des Chaos und dann war der Räuber verschwunden. Streifte erneut durch die Wälder auf der Suche nach einem neuen Zuhause. Genauso wie Loki selbst. So unklar, was die Zukunft bereithielt. Er wollte nichts als ein neues Leben beginnen. Fernab von Asgard und dem Kerker. Doch nun war Mordevas aufgetaucht und gab dem Ganzen – wie so oft in seiner Lebzeit geschehen – eine dramatische Wendung. Wie sollten sie es schaffen, diese Bedrohung auszuschalten? Sollten sie es überhaupt versuchen? Für wen sollte er noch kämpfen? Es gab in den gesamten neun Welten kaum jemanden, dem er etwas bedeutete. Sein Blick fiel auf Lavea, die friedvoll neben ihm schlief. Sie hatte so viel für ihn auf sich genommen. Aus welchem Grund hatte er zwar bisher nicht herausgefunden, aber sie schien so ziemlich die Einzige zu sein, der noch etwas an ihm lag. Und sollte Mordevas tatsächlich die neun Welten zu unterwerfen, so gäbe es keinen Ort, an dem er und Lavea sicher wären. Zudem er Frigga nicht einfach ihrem Schicksal überlassen konnte. Was, wenn sie bei dem Versuch dieses antiken Geistes, die Herrschaft zu übernehmen, ums Leben kam? Er würde sich nie verzeihen, sollte er nicht alles in seiner Macht Stehende versucht haben, dies zu verhindern. Egal, was es kosten würde. Selbst, wenn seine Lebensreise dabei ein Ende finden würde, so war es allemal angenehmer, als in der Zelle zu verrotten unter den Augen seines angeblichen Vaters, der ihn Tag seines Lebens belogen hatte.Während Loki so seinen Gedanken nachhing, ließ er sich wieder zurück auf den moosbewachsenen Boden fallen, sein Blick zu den Sternen geheftet. Neben ihm begann Lavea sich zu regen.„Alles okay?", fragte sie etwas verschlafen und richtete sich auf. Das war sein Tölpel, wie er sie kannte. Sie konnte wirklich immer und überall schlafen. Wenn er sie nicht durch seine Bewegungen aus ihren Träumen gerissen hätte, hätte sie vermutlich erst am Morgen mitbekommen, dass der Wolf verschwunden war. „Ja. Verzeih, dass ich dich geweckt habe", flüsterte er und hoffte, sie würde schnell wieder einschlafen. Sie würde die Kraft brauchen.„Er ist weg?", fragte sie in die Stille hinein, als sie den Wolf nicht mehr ausmachen konnte.„Ja. Er ist eben gegangen." Die Kriegerin bettete ihren Kopf wieder auf das Moos, schloss ihre Augen jedoch nicht, sondern folgte Lokis Blick zum Nachthimmel. Funkelnd hingen die Sterne am Firmament, als hätte dort jemand Diamanten auf einem schwarzen Tuch aus Samt befestigt. Stille umhüllte dieses Szenario wie eine Decke, die sich über den Wald legte. Selbst die Tiere gaben kaum Geräusche von sich. Irgendwie gab es dem Gott ein winziges Stückchen Ruhe.„Siehst du auch manchmal hinauf zu den Sternen und fühlst diese Nostalgie in dir aufsteigen?", durchbrach er mit leiser Stimme die Stille. Er konnte selbst nicht sagen, wieso er seine Gedanken mit ihr teilte, oder warum er es ausgerechnet jetzt tat. Vielleicht war es das Licht der Sterne und der Schutz der Dunkelheit, die ihn seine so hohen Barrikaden niedersinken ließen.„Nostalgie?", fragte Lavea flüsternd und drehte ihren Kopf in die Richtung ihres Kindheitsfreundes.„Ja, als würden sie dich an einen Ort erinnern, an dem du einmal warst, ein weit entferntes Zuhause oder eine längst vergangene Zeit."„Du vermisst Asgard, was?" Verständnisvoll glitt ihr Blick über Loki, doch dieser bemerkte es gar nicht, da er immer noch zu den Sternen sah. Schnaubend setzte er zu einer Antwort an. „Asgard ist nicht mein Zuhause. Das war es nie", sprach er und sah zu Lavea. Wie wunderschön sie doch selbst hier in der Finsternis aussah, wo nur der Mond sein silbriges Licht auf ihr blondes Haar legte und sich die Sterne im tiefen Blau ihrer Augen wiederfanden, als wären es Spiegel. Spiegel ihrer Seele. Mit schmerzendem Herzen wandte er seinen Blick wieder ab. Zur Sicherheit, für sich selbst. Da er seinen Sinnen nicht vertrauen konnte. „Meine Gedanken umfassten eher ein Zuhause oder eine Zeit, die bereits lange nicht mehr zu den Erinnerungen gehört, sondern nur noch in Bruchstücken in unserem Unterbewusstsein verankert ist", fuhr er mit seiner Erläuterung fort.„So habe ich das noch nie gesehen. Ich habe mich immer irgendwie... unwichtig, nebensächlich, aber dabei irgendwie...friedvoll gefühlt, wenn ich zu den Sternen gesehen habe. Ihnen irgendwie immer ein bisschen ähnlich. Ebenfalls nur ein Sandkorn in den weiten des Universums. Und da waren meine Probleme irgendwie nicht mehr ganz so groß und wichtig wie zuvor. Ja, vielleicht auch eine Art Nostalgie, auf eine etwas andere Art und Weise", entgegnete die Kriegerin nachdenklich und betrachtete ebenfalls wieder die Himmelskörper.„Ähnlich dem, als wir noch jung waren. Als uns unser Geist noch nicht gequält hat und das Leben noch behutsam seine Hand über uns gelegt hatte, anstatt uns zu zerdrücken mit all dem Gewicht, das auf unseren Schultern lastet. Vielleicht fühlen wir deshalb diese Wehmut. Eine Sehnsucht nach einer Zeit, oder einem Zuhause, das wir einst hatten und mit dem wir noch immer irgendwie verbunden sind, zu dem wir aber nicht mehr zurückkehren können", endete Loki die eben gewonnenen Eindrücke. Ein Ort, an dem man geliebt wurde, anstatt nur als Mittel zum Zweck betrachtet zu werden. In welchem man ohne Bedingung einen Wert hatte und nicht nur, solange man dazu beitrug, das Bestreben derjenigen zu erfüllen, die behaupteten, dass sie einen lieben würden.„Ein bittersüßer Gedanke", murmelte Lavea, während ihre Augen schwer wurden, war sie erschöpft von der zurückliegenden Strecke, die sie am vergangenen Tag gelaufen waren. Loki war so in seinen Eingebungen vertieft, dass er dies kaum bemerkte und weitersprach:„Weißt du, einst hatte ich so ein Zuhause in dir gefunden, ohne es zu wissen. Doch nun...wo sich das Blatt so gewendet hat...da bin ich nicht mehr als eine Bürde für dich. Und obwohl mir das bewusst ist und ich weiß, was ich eigentlich tun müsste, so scheint es als könnte ich mich nicht von dir lösen."Doch Lavea hörte ihn schon nicht mehr, befand sich bereits im Land der Träume. Mit einem leichten Schmunzeln und einem Kopfschütteln drehte er sich auf die Seite, um sie besser ansehen zu können.„Es tut mir leid", flüsterte er und strich ihr eine Strähne ihres Haars aus dem Gesicht, darauf bedacht, sie nicht zu wecken. Sie sollte nicht hier in Ljossalfheim in einem Wald auf dem Boden liegen. Sie sollte zu Hause bei ihrer Familie sein, die Krieger der Armee trainieren und ein glückliches Leben führen. Sie sollte lachen und tanzen, Feste feiern und unbeschwert sein, nicht mit ihm hier auf der Flucht. Wie hatten die Dinge nur so schief gehen können? Er hatte nicht nachgedacht, als sie plötzlich mit den Sachen bei ihm in der Zelle stand und ihn angewiesen hatte, ihr zu folgen. Er hatte eine Chance für sich gesehen und diese ergriffen. Er hatte nicht bedacht, was das für sie bedeuten würde, was er ihr damit antun würde. Auch, wenn es ihre Entscheidung gewesen war. Er trug die Schuld daran, war er doch erst der Auslöser dafür.
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Cold as Ice?
FanfictionManchmal finden sich zwei Menschen, beide gebrochen und sie beginnen gemeinsam, etwas zu erschaffen, dass unzerstörbar ist. Kalt. Abweisend. Herzlos. Viele Asen würden Loki seit den Vorfällen in New York so beschreiben. Viele, aber nicht alle. Da is...