Lokis PoV
Hitze. Unbeschreibliche Hitze durchflutete meinen Körper. Ich verspürte unheimlichen Durst. Ich war vollkommen ausgetrocknet. Die Ketten schnitten mir ins Fleisch, rissen die alten Wunden immer wieder neu auf. In meinem Delirium registrierte ich, wie mich jemand im Nacken packte und meinen Kopf zur Seite drückte. Mir wurde übel. Vor mir standen zwei seiner Handlanger. „Der Boss sagt, wir haben heute nicht viel Zeit. Also haben wir diesmal ein paar kleine Helfer mitgebracht..." Ein dritter Handlanger stellte einen Käfig mit Raben vor mir ab und zog eine lederne, neunschwänzige Katze aus seiner Tasche hervor. Ein diabolisches Grinsen umspielte seine Lippen. Die Übelkeit verstärkte sich weiter. In altbekannter Manier lösten sie meine Ketten von dem großen Felsen, an den ich gebunden war und brachten mich zu einem Metallklotz. Sie fesselten meine Hand- und Fußgelenke, sowie meine Hüfte an den Klotz und begannen, mich auszupeitschen. Ich machte mir nicht die Mühe, meine Schreie zu unterdrücken. Nicht mehr. Die feinen Metallstücke, die in die Peitsche geflochten waren, ließen das Blut nur so über meinen Körper strömen. Der metallische Geruch stieg mir in die Nase. Ein Würgereiz überkam mich und ich musste mich übergeben. Gelächter kam von den Henkern. Nach knappen fünfzehn Schlägen war es vorbei. Hoffte ich zumindest. Ich irrte mich. Die wahre Folter begann erst. Mein Blut lockte die geflügelten Aasfresser an. Sobald die Käfigtüre geöffnet war, fielen sie über mich her. Pickten in den Wunden herum, die sich Sekunden später durch meine Heilungskräfte wieder verschlossen, nur um dann erneut aufgerissen zu werden. Ich wand mich wie ein Wurm, doch die Fesseln hielten mich an Ort und Stelle. Die Henker ergötzen sich an meinem Leid. Gehässig lachend riefen sie immer wieder meinen Namen. „Loki! Loki! Loki!"
Erschrocken fuhr ich hoch.
„Loki, ist alles in Ordnung?" Ich sah geradewegs in Laveas blaue Augen. „Hast du schlecht geträumt? Hier. Trink erst einmal einen Schluck."
Dankbar nahm ich das Glas, welches Lavea mir reichte, entgegen und trank. Mein Mund war tatsächlich ganz trocken und mein Nacken schmerzte von der unbequemen Haltung auf dem Sessel.
„Wie spät ist es?" fragte ich tonlos und rieb mir die verspannten Schultern.
„Kurz nach halb acht."
„Gut. Sowieso Zeit zum Aufstehen." Ich bemühte mich, keine Emotionen zu zeigen, erhob mich von den Sesseln und verschwand hinter dem Raumteiler, um mich umzukleiden und zu waschen. Doch meine Gedanken ließen mich nicht los. Es fühlte sich an, als würden sie es niemals tun. Ich konnte davonlaufen – feige wie ich schon ein Leben lang war – und dennoch würden sie mich immer wieder einholen. Ich war ihnen hoffnungslos ausgeliefert wie ein verwundetes Reh, das vor dem Jäger davonlief, obwohl es wusste, es würde seinem Schicksal niemals entkommen können. Wäre ich bei den Chitauri oder in der Schlacht von New York umgekommen, wäre es besser gewesen. Für mich und auch für alle anderen. Ein Monster wie ich verdiente es nicht, zu leben.
***
Laveas PoV
Während des gesamten Frühstücks sprach Loki nicht ein einziges Wort, sondern starrte nur geistesabwesend aus dem Fenster des kleinen Speisesaals. Seinen Haferbrei rührte er ebenfalls nicht an. Es musste irgendwie im Zusammenhang mit seinem Albtraum stehen, doch sobald ich ihn darauf ansprach, warf er mir nur einen warnenden Blick zu. Er wollte nicht darüber sprechen – oder konnte es noch nicht – und ich wusste, es hatte keinen Sinn, ihn dazu zu drängen. Damit hätte ich nur das Gegenteil erreicht und er würde sich mir gegenüber immer mehr verschließen, anstatt sich zu öffnen. Doch ich konnte nicht einfach zusehen, wie er sich weiter quälte.
„Wie fändest du es, wenn wir erst morgen abreisen? Ich dachte, nun, wo wir schon einmal hier sind, könnten wir der Nat Vandilje beiwohnen. Das wird bestimmt schön."
„Wenn du es wünscht." Er schenkte mir ein sanftes Lächeln, doch es erreichte seine Augen noch lange nicht. Sie sprachen etwas ganz anderes. Er sah müde aus, doch es war keine Müdigkeit, die von Schlafmangel hervorgerufen wurde. Eher müde vom Leben, vom Kämpfen und durchhalten. Und ich nahm mir fest vor, ihn zumindest für eine gewisse Zeit von seinen quälenden Gedankenschleifen abzulenken.
***
Die Sonne stand bereits im Zenit und wir schlenderten durch die Gassen von Veis Saari. In den Straßen waren überall Stände aufgebaut, an denen allerhand Dinge verkauft wurden. Von Kleidung über Speisen bis hin zu Kerzen und Papier, die für die Traditionen der Nacht der Seerosen benötigt wurden. Während Loki uns gerade eine Kleinigkeit zum Mittag suchte, bewunderte ich ein paar wunderschone Dolche, die an einem der Stände verkauft wurden. Das silberne Metall funkelte in der Mittagsonne und strahlte mit den Saphiren, die in der Halterung der Klinge befestigt waren, um die Wette.
„Gefallen sie euch, Miss?" fragte der Verkäufer.
„Sie sind wunderschön."
„Für eine so schöne Frau, wie Ihr es seid, habe ich da noch etwas ganz Besonderes." Der Händler verschwand kurz hinter dem Vorhang, welcher die Auslage von einer Art Provisorischem Lager trennte, und trat mit einem herrlichen Kleid wieder hervor. Das Oberteil bestand aus silbrigen Drachenschuppen, die in einem angenehmen Kontrast zu dem zartfließenden, hellblauen Chiffon standen, der den Rock bildete.
„Durch die Drachenschuppen eignet sich dieses Kleid ebenfalls zum Kampf. Sie bilden einen idealen Brustpanzer. Durch die fehlenden Ärmel gewährt es eine optimale Armfreiheit, um auch mit dem Schwert kämpfen zu können." Seine Worte ließen mein Kriegerherz höherschlagen. Das Kleid wäre einfach perfekt.
„Wie viel kostet das gute Stück?" fragte ich, während ich unser Budget für die nächsten Tage überprüfte. Uns blieben noch fünfzig Silbermünzen und fünf Bronzetaler, bis wir Übersee auf ein Dorf trafen, in dem ich mit ein paar Gelegenheitsarbeiten unsere Kasse etwas aufstocken konnte.
„Das macht zwanzig Silbermünzen." Enttäuscht schüttelte ich den Kopf.
„Das kann ich mir momentan leider nicht leisten." Die Kosten für die Übernachtungen in der Taverne und das Essen fielen noch an und würden nicht mehr allzu viel in meinem Beutel übriglassen. Vielleicht würde ich irgendwann zurückkehren und mir das Kleid doch noch kaufen.
„Ich nehme zwei der Papierseerosen und zwei Kerzen dazu." Ich wollte Loki damit heute Abend überraschen. Wenn er schon mit mir hierblieb, um sich das Spektakel anzusehen, sollte er wenigstens auch daran teilhaben. Zudem hoffte ich, würde es ihn etwas von seinen trüben Gedanken ablenken. „Wenn ich nur wüsste, was ihn so zermartert." Ging es mir durch den Kopf. Ich wollte ihm so gerne helfen. Wenn er mit mir sprechen würde, würde es ihm bestimmt besser gehen und ich könnte irgendetwas für ihn tun, damit er sich nicht mehr so quälen musste. Sein von Pein verzerrtes Gesicht heute Morgen ging mir nicht mehr aus dem Kopf. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Dennoch konnte ich momentan nicht mehr für ihn tun, als versuchen ihn irgendwie abzulenken... Vielleicht wirkte die Nacht der Seerosen ja tatsächlich Wunder.
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Cold as Ice?
FanfictionManchmal finden sich zwei Menschen, beide gebrochen und sie beginnen gemeinsam, etwas zu erschaffen, dass unzerstörbar ist. Kalt. Abweisend. Herzlos. Viele Asen würden Loki seit den Vorfällen in New York so beschreiben. Viele, aber nicht alle. Da is...