3. Hoher Besuch

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Hale und ich standen hinter Miranda, um ihre aufwendige Hochsteckfrisur mit so viel Haarspray zu befestigen, dass kein Orkan ihr ein Haar krümmen konnte. Sie hatte sich nach tagelangem Anprobieren für ein hellgrünes Kleid entschieden, das sich mit viel Glitzer und Tüll um ihre Figur schmiegte und mit ihren rotblonden Haaren harmonierte. Sie sah gut aus, wenn auch etwas aufgetakelt. Aber das war nun einmal ihr Stil. Ich war froh über die schlichte weiße Bluse und den schwarzen Rock, den Hale und ich trugen und vor allem über die flachen Schuhe. Madame Relard hatte mittlerweile den Versuch aufgegeben, uns in Stöckelschuhen kellnern zu lassen. Es waren zu viele Missgeschicke geschehen und am nächsten Tag hatten wir Blasen an den Füßen gehabt.

Wir spitzten die Ohren, als Autoreifen auf dem Kies auf dem Vorplatz zu hören waren. Miranda schlug sich aufgeregt die Hand vor den Mund.

„Sprüht noch einmal!", befahl sie und Hale und ich, beide mit einer Flasche 5+ extra stark bewaffnet, versenkten ihre Frisur erneut in klebrig süßem Nebel.

„Sehr gut!", befand Miranda und tastete nach einer ihrer hochgesteckten Locken, die ihrer Berührung standhielt wie ein Fels.

Keine Sekunde später stürmte Madame Relard in den Raum, wie das SEK in ein Drogenlabor. Ich wollte schon die Hände heben und mich ergeben, als ich mich erinnerte, warum sie da war.

„Miranda!", zischte sie außer Atem, „Er ist da! Los, hop hop! Wenn er die Tür betritt, schreitest du langsam an die Galerie der Eingangshalle. Hale und Verve, ihr flankiert sie in einigem Abstand bis zum Treppenabsatz. Dann schreitet meine Prinzessin die Stufen hinab. Das wird ein majestätischer Anblick, den er nie vergessen wird!"

Miranda nickte eifrig. Sie war ihrer Mutter eine sehr gelehrige Schülerin und war ebenso selbstzentriert wie die Luna. Aber im Grunde war sie kein schlechter Mensch. Ich gönnte ihr ihren großen Auftritt und ihren Prinzen. Auch wenn ich bezweifelte, dass ein mächtiger Alpha viel von einem Traumprinzen hatte. Madame Relard verließ eilig den Raum, um sich dem Begrüßungskomitee an der Eingangstür anzuschließen.

Kurz darauf hörte ich Stimmen im Eingangsbereich und spitzte die Ohren. Eine Stimme wurde dabei herausgefiltert und drang so deutlich zu mir durch, dass ich mich fast erschreckte. Sie war tief und kalt. Eine dieser Bassstimmen, die einem durch den ganzen Körper fuhren und aufspringen ließen, wenn man sie hinter sich hörte. Auch wenn man sie objektiv als emotionslos bezeichnen würde, fand ich sie selten anzüglich. Verwirrt schüttelte ich den Kopf und versuchte die Stimme auszublenden, auf die sich mein Gehör seltsam stark fokussiert hatte.
„Los!", bestimmte Miranda und Hale und ich versammelten uns rechts und links hinter ihr. Ich atmete tief ein, als wir auf die Galerie zuliefen von der aus eine breite Marmortreppe ins Foyer führte. Fast wäre ich gestolpert, als mich ein Duft erwischte, der besser war als jede Praline und Rose und Parfümflasche, die ich je gerochen hatte- und wesentlich männlicher. Doch statt zu stolpern, begann ich zu beschleunigen. Mein Körper hatte plötzlich ein Ziel. Es befand sich in diesem Raum und duftete wie ein Gott. 

„Verve!", zischte Hale und zog mich am Arm. Ich blinzelte zwei Mal, bevor ich begriff, dass ich dabei gewesen war, Miranda zu überholen, um Hals über Kopf die Treppe herunterzueilen. Mein Job, fiel mir ein, mein Job ist es, hinter Miranda herzulaufen und ihren pompösen Auftritt nicht zu vermasseln. Als mein Verstand wieder die Oberhand hatte, nickte ich Hale zu und sie ließ meinen Arm los. Was auch immer meinen Kopf hatte verrücktspielen lassen lag weiterhin in der Luft, aber ich hatte mich unter Kontrolle. Über meine geistige Zurechnungsfähigkeit konnte ich mir dann heute Nacht Gedanken machen, wenn ich meine Arbeit erledigt hatte. Wir traten an den Treppenabsatz. 

Seine Augen trafen auf meine. Sie waren leuchtend grün und selbst von hier oben aus erkannte ich den Wald in ihnen. Er sah mich unentwegt an und ich starrte zurück, als sei die Welt um uns herum stehen geblieben. Sein Blick traf mich so tief in meinem Inneren, dass mein Herz wie wild zu pochen begann. Er war die Quelle des Dufts, der mich verrückt machte. Er besaß die Stimme, die ich aus allen herausgehört hatte. Alpha Xerian. Auch ohne ihm vorgestellt worden zu sein, wusste ich, dass er der Alpha war. Es war unverkennbar. Wir Wölfe hatten einen Instinkt für so etwas, aber hier brauchte es nicht einmal Instinkt, es reichte simpler Menschenverstand. Er war mit zwei breitgebauten Begleitern und einer Begleiterin angereist, die alle stark und bedrohlich wirkten. Doch keiner strahlte eine Autorität aus wie er es tat in seiner Haltung, seinen Bewegungen, seiner Stimme. Und in seinen Blick, der so intensiv war, dass ich unter ihm drohte zu zerplatzen. Aber ich fühlte mich unter seinem Blick nicht klein und hilflos wie es normalerweise unter dem Blick eines Alphas der Fall war. Ich fühlte mich viel eher erhitzt und wild und -ja- sexy.

Abrupt wandte er seine Augen ab, um sie auf Alpha Relard zu richten, der ihm etwas erzählte. Mir fiel auf, dass ich mich an die Balustrade der Galerie geklammert hatte und ließ sie los. Ich bemerkte Madame Relard, die mich ebenfalls von unten anstarrte. Allerdings war ihr Blick nicht so unergründlich wie der des Alphas. Ärger spiegelte sich deutlich in ihren Augen wider. Hatte sie bemerkt, wie der Alpha mich angestarrt hatte? Oder, noch schlimmer, konnte man mir ansehen, wie ich auf ihn reagierte? Ich räusperte mich und versuchte, so unbeeindruckt wie möglich zu wirken und nebenbei meinen Körper auf Normaltemperatur zurückzufahren. Mit breitem Lächeln drehte sich Miranda zu Hale und mir um und flüsterte: „Er ist sooo heiß, oder?"

Ich schaute nur betreten zur Seite, in dem Wissen, dass der Alpha ein noch besseres Gehör hatte, als die meisten Wölfe. Er hatte sie mit Sicherheit gehört und ich wollte nicht, dass er mitbekam, dass auch ich das Offensichtliche wahrnahm.

Dann begann Miranda, die Treppe hinabzusteigen. Der Mann, der direkt hinter dem Alpha Xerian eingetreten war, vermutlich sein Beta, lächelte verschmitzt, während er sie beobachtete. Miranda war eine beeindruckende Schönheit. Sie wusste, wie man sich bewegte. Nur einem Augenpaar schien das egal zu sein. Das Grün seiner Augen brannte auf meiner Haut, während ich mit aller Macht auf die Treppe vor mir starrte. 

Alpha und Omega - Die Wege der GöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt