4. Faux Pas

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Nach einer umschweifenden Begrüßungszeremonie zwischen den Relards und ihrem Besuch, wurden die vier Gäste zu ihren Zimmern geleitet. Hale und ich huschten die Treppe hinab und durch einen der Salons auf die Terrasse, um uns die halbe Stunde Pause zu gönnen, bevor die Gäste zum Champagnerempfang eintreffen würden.

Es dämmerte und die Frühlingsblumen in den Beeten um die Rasenflächen hatten bereits ihre Blüten geschlossen. Die Luft war frisch und verheißungsvoll. Eine willkommene Abkühlung.

„Okay, was, beim Jahrhundertmond, war das gerade?", stellte Hale mich zur Rede. Sie verschränkte die Arme und lehnte sich gegen das steinerne Geländer der Terrasse.

Angespannt fummelte ich an meiner Bluse herum. Sie hatte also den Blick des Alphas mitbekommen.

„Ich weiß nicht.", murmelte ich verlegen.

„Er hat dich angestarrt, als sei ihm die Göttin höchstpersönlich erschienen!", erklärte Hale.

„Miranda-", begann ich ausweichend.

„Nein, nix Miranda.", fiel sie mir ins Wort, „Er hat dich angestarrt."

„Vielleicht schielt er.", meinte ich.

Hale schnaubte.

„Ja, vielleicht. Das wird es sein.", meinte sie sarkastisch.

„Jetzt erzähl schon, bist du ihm schonmal begegnet?", stachelte sie weiter.

„Was? Nein. Wo sollte das denn gewesen sein?", erwiderte ich verwundert.

Sie seufzte und lehnte sich über die Balustrade der Terrasse, als wolle sie den Garten umarmen.

„Er ist verdammt heiß. Da hatte Miranda ausnahmsweise mal recht.", sagte sie, während sie mich aus dem Augenwinkel beobachtete und fuhr fort: „Diese erdbraunen Haare, das harte Kinn und die breiten Schultern, was sagst du, Verve, gefällt er dir?" Sie grinste anzüglich.

Okay, jetzt war sie an dem Punkt angelangt, wo sie mich einfach provozieren wollte.

Ich seufzte.

„Hale, können wir aufhören so über die Gäste der Relards zu sprechen?", fragte ich genervt.

„Du findest ihn gut!", kicherte sie und kiekste mir in die Seite und hauchte dann: „Und er dich auch."

Ich kam eigentlich immer gut mit Hales Art klar, aber ich war gerade so gefühlsgeladen, dass mir ihre Naivität und Realitätsferne gewaltig gegen den Strich gingen.

„Hale. Er ist ein Alpha, falls dir das entgangen ist. Ich bin nicht mal eine richtige Werwölfin, wenn man es genau nimmt. Ich wäre die letzte, an der er ein Interesse entwickeln würde. Willkommen in der Realität!", hielt ich ihr eine Standpauke. Meine Worte waren so glasklar und einleuchtend, dass sie mir selbst einen Stich versetzten. Ich schämte mich für die Gefühle, die ich gerade auf der Treppe gehabt hatte. Warum reagierte ich so auf ihn? Reagierte jede Frau so auf ihn?

Frieda tauchte hinter uns auf. Man sah ihr an, dass sie Stress hatte.

„Hop hop, auf eure Plätze, Mädchen!", rief sie, wobei sie Madame Relard so perfekt nachahmte, dass wir lachen mussten.

Dann beeilten wir uns in den Salon, in dem der Champagnerempfang stattfinden sollte. Gerade, als ich mir ein Tablett mit vollen Gläsern geschnappt hatte, trudelten die ersten Gäste ein. Alle, die in unserem Rudel Rang und Namen hatten, waren eingeladen. Bald war der pompöse Raum mit fast 20 schnatternden Leuten gefüllt. Dagegen wirkte Alpha Xerians Delegation von vier Personen winzig. Dennoch schienen sie den ganzen Raum einzunehmen, als sie eintraten. Alle Augenpaare blickten ehrfürchtig den Gästen entgegen und die Gespräche verstummten. Ich schob mich unauffällig hinter eine Säule. Den schwindelerregenden Sog, den alleine seine Anwesenheit in diesem Raum in mir auslöste reichte mir. Ich musste ihn nicht auch noch zu Gesicht bekommen.

Alpha und Omega - Die Wege der GöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt