Kapitel 1

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Als Nelli gerade mit ihrer Schwester Nala ein paar Fliegen verputzte, segelte eine kleine, auf Spinnengröße abgestimmte Papyrusrolle vom Himmel. Sie landete genau vor Nellis acht winzigen Füßen.
"Was ist denn das? ", fragte Nala.
"Keine Ahnung ", antwortete Nelli.
"Sieht aus wie so eine Art Papyrus." Neugierig griff Nala nach der Rolle.
"Guck mal, die ist mit einem Siegel verschlossen." Jetzt sah Nelli es auch, es war ein roter Klecks und in der Mitte befand sich ein Diamant.
"Ich habe dieses Siegel ja noch nie gesehen ", sagte Nelli mit Verwunderung. Schnell griff sie in ihre Tasche, die sie immer bei sich trug und in der sich alles Mögliche befand. Sie stöberte kurz herum und dann fand sie wonach sie gesucht hatten: ein Lexikon, indem sich alle Siegel befanden.
Nachdem sie ein paar Seiten durchgeblättert hatte,entdeckte Nala das Diamantensiegel.
"Da!", rief sie freudig und zeigte auf den Diamanten. Doch es stand weder eine Bedeutung noch wo es benutzt wurde in dem Lexikon.
"Hm, das ist seltsam", murmelte Nelli, "in dem Buch stehen normalerweise alle Siegel."
"Ist doch egal", erwiderte Nala und öffnete die Papyrusrolle. "Komisch, da steht ja gar nichts drauf", meinte Nala. "Hä, da steht doch was!",erklärte Nelli.
"Ich sehe aber nichts!", schimpfte Nala verärgert.
"Lies doch mal vor!"
" Liebe Auserwählte, ich habe dich auserwählt, nun komm zu mir und rette die Welt. Ich wohn' hier im Tausedlichterichterwald, ich habe für dich viele Schilder gemalt. Finde im Wald das gelbe Haus, beeile dich sonst ist es aus! Ich brauche dich am Sonntag noch vor Mitternacht, sonst kommt das böse an die Macht! Cha... Chu...Chuhang"
"Wow, ich habe keine Ahnung, was das heißt! ", sagte Nala.
"Ich denke, das soll heißen aber das ich am Sonntag noch vor Mitternacht in den tausend Lichter Wald zu einem gelben Haus gehen soll, dass ich auch Wegweiser achten soll und dass ICH die Welt retten soll." Das 》ich《 in dem Satz betonte Nelli ganz besonders.
"Oh mein Gott! Das ist total aufregend, du wirst die Welt retten, meine Schwester wird eine Heldin! Wir werden berühmt, du wirst eine Sekretärin brauchen. Ich kümmere mich um die Autogrammkarten und du...", weiter kam Nala nicht denn ihre Spinnenschwester unterbrach sie.
"Das macht doch gar keinen Sinn, wie soll ich die Welt retten? Ich, ich bin eine Spinne!" Wortlos schwang Nelli sich auf einen Ast und trippelte davon.
"Nelli, warte doch!", schrie Nala ihr noch hinterher, doch Nelli war schon nicht mehr zu sehen.

Am nächsten Morgen wurde die kleine Spinne von ihrer Schwester geweckt.
"Nelli, aufstehen! Ich habe eine Überraschung für dich!" Als Nelli die Augen öffnete, sah sie einen Papagei. Er hatte die Farben des Regenbogens und irgendwoher kannte sie den Vogel.
"Hallo Nelli, gut geschlafen? ", krächzte der Papagei ," Weißt du noch, wer ich bin? Ich bin Lino. " Ach ja, jetzt erinnerte sich Nelli wieder. Sie hatte vor ein paar Tagen die Eier von Lino gerettet. Aber was wollte er von ihr? Waren die Bagger etwas so schnell gewesen und hatten sie eingeholt? Musste sie etwa schon wieder alle Tiere in Sicherheit bringen? Doch zu ihrer Erleichterung war es in der Umgebung ruhig. Sie atmete beruhigt aus. Erst dann viele ihr ein, dass Lino sie etwas gefragt hatte.
"Ja", antwortete sie knapp, "Was ist los ?"
"Nala hat mir von dem Brief erzählt, und ich schulde dir doch noch was, immerhin hast du meine Babys gerettet! Als Lino nicht mehr weiter sprach fragte Nelli zögerlich.
"Und das heißt ?"
"Das heißt, dass ich dich zum Tausedlichterichterwald fliegen werde !"

"Ich habe doch gesagt, dass ich da nicht hingehen werde. Diese Nachricht könnte mir jedes Tier geschrieben haben und es gibt verdammt Tiere!"
"Wie kannst du das nur sagen!? Nur du konntest diese Nachricht lesen, weißt du nicht mehr? Das ist ein Hinweis des Universums!", kicherte Nala.
"Also los, wir müssen uns beeilen. Es ist schließlich schon Sonntagvormittag. Nala hat sogar schon ein Lunchpaket für uns eingepackt", meinte Lino. "Wir wissen doch gar nicht, wo diese Tausedlichterichterwald liegt!", protestierte Nelli. "Dieses Problem haben wir schon gelöst !", antworteten die beiden im Chor. Als die beiden Nelli noch ewig an bettelten, gab sie sich einen Ruck, schnappte sich ihre Ledertasche und schwang sich auf Linos Rücken. Lino stieg in die Luft und flog mit Nelli auf dem Rücken davon.

Sie flogen über den Regenwald, grüne Baumkronen strecken sich dem Himmel entgegen. Nun flogen sie über eine der vielen Stellen des Regenwaldes, die von den Maschinen zerstört wurden. Erst jetzt begriff Nelli, wie wichtig es war, die zerstörerischen Bagger aufzuhalten oder noch besser sie zu zerstören. Es war schlimm sich vorzustellen, wie viele Tiere ihren Lebensraum bereits verloren hatten. Und es war noch schlimmer sich vorzustellen, wie viele Tiere nicht gerettet wurden und ihr Leben verloren hatten. Aber am aller schlimmsten war es zu wissen, dass die Maschine nicht aufhören würden, ehe sie alles zerstört hatten! Nelli wusste jedoch auch, dass kein einziges Tier eine Chance gegen den Willen der Menschen, denen die Bagger gehörten, hatte. Es gab zwar einige, die sich für die Tiere und die Wälder einsetzten, doch viele Menschen sahen und wollten das Leid der Natur einfach nicht sehen. Es war einfach bequemer nichts zu tun.

Brwschurbr, das laute Dröhnen eines Flugzeugs beförderte Nelli wieder zurück in die Realität. Hustend stürzte Lino mit Nelli auf dem Rücken in die Tiefe. Das Flugzeug war so nah an den beiden vorbei geflogen, dass sie die stinkenden Abgase eingeatmet hatten. Glücklicherweise fing sich Lino noch vor dem schmerzhaften Aufprall. Weil er noch immer weiter hustete befahlen Nelli ihm auf der Waldlichtung, über der sich die beiden gerade befanden, zu landen. Sie holte ein Hustenbonbon aus ihrer Tasche steckte es Lino in den Mund und untersuchte seine Lunge. Sie musste leider feststellen, dass ihr Gefährte zu viel Abgase eingeatmet hatte und sich deshalb ausruhen sollte. Als Nelli Lino das mitteilte, wollte dieser Nelli beweisen, dass er topfit war.
"Nein! Du wirst dich noch verletzen !", schrie sie, als er sich in die Luft erhob, doch er wollte nicht auf sie hören. Zuerst sah alles noch normal aus, als ob er kerngesund wäre, doch schon nach kurzer Zeit fing er wieder an zu schwanken. Und ehe Nelli sich die Augen zukneifen konnte, flog Lino mit einem 》Wums《 gegen einen Baum. Er fiel zu Boden. Nelli reagierte blitzschnell. Sie spannte in null Komma nichts ein Spinnennetz. Lino landete sanft in dem weichen Netz, dass Nelli vor wenigen Sekunden erst gesponnen hatte. Nachdem Lino sich aufgerappelt hatte, fragt Nelli.
"Und bist du dir immer noch so sicher, dass du keine Pause einlegen willst?"
"Na gut", willigte er nun endlich ein, aber nur wenn du auch hier bleibst!" Da Nelli wusste, dass sie Lino nicht diskutieren konnte, willigte sie schließlich ein.
"Gut, eine Pause kann uns beide wohl nicht schaden."

Solange der Papagei sich etwas ausruhte, beschloss Nelli etwas über den Tausedlichterichterwald herauszufinden. Vielleicht fand sie in ihrer Tasche ja eine Landkarte, immerhin fand ihre Schwester auch einen Hinweis. Plötzlich bekam Nelli ein mulmiges Gefühl im Bauch und kurze Zeit später verwandelte sich dieses mulmiges Gefühl in Angst. Was würde sie im Tausedlichterichterwald erwarten? Würde sie ihre Schwester je wiedersehen? Oder was wäre, wenn sie den Tausedlichterichterwald nicht einmal finden würden? Da fiel ihr ein, dass in dem Brief eine weibliche und eine männliche Anrede vorhanden war. Gab es also noch einen anderen Auserwählten? Oder sogar mehrere Auserwählte? Nun verwandelte sich die Angst in Neugier. Waren das vielleicht auch Spinnen? Würden sie neue Freundschaften schließen? Nelli beschloss nicht weiter zu grübeln, sondern die Gegend etwas zu erkundigen. Nachdem sie an vielen Bäumen vorbei gelaufen war, kam sie an eine weitere Lichtung. Diese Lichtung war jedoch anders wie die, an der gerade Lino schlief. Hier wuchs in der Mitte ein majestätischer, rund 500 Jahre alter Baum. Er war von vielen Nadelbäumen umringt, die gleichzeitig fast die komplette Lichtung einkreisten. Nelli fühlte sich hier sofort geborgen. Der große Baum in der Mitte war der einzige Laubbaum auf der Lichtung. Doch Nelli kannte diese Art von Baum nicht. Die Blätter hatten eine außergewöhnliche Form und schimmerten im goldenen Licht der warmen Mittagssonne. Für einen Moment lang blieb Nelli regungslos stehen, schloss ihre Augen und ließ die Idylle auf sich einwirken. Nelli war sich sicher, dieser Ort hatte etwas Magisches!

Diamonds - SaphirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt