~8~

127 10 1
                                    

Nach einer stillen, aber angenehm stillen, Autofahrt suchte ich nun einen Parkplatz. Ich hasste es dafür in der Wohnung zu wohnen, aber sie war nun mal schön günstig und gut gelegen. "Nah" an meiner Arbeit. Manchmal beneidete ich Jule für seine Wohnung mit Tiefgarage. Er brauchte sich nicht Mal bemühen einen Parkplatz zu suchen, da er in der Tiefgarage seine eigenen privaten Parkplätze hatte. Letztens musste ich meinen Reno ins Parkhaus von Kaufland in der Nähe meiner Wohnung abstellen, weil ich keinen Platz gefunden hatte...
"DA!" schrie ich durchs Auto und Kai, der schon wieder an sein Handy geklammert war, zuckte zusammen.
"LI! Spinnst du?! Erschreck mich doch nicht so. Willst du mich umbringen?" schrie Kai zurück durchs Auto während ich schnell wendete um den, auf der anderen Straßenseite liegenden, Parkplatz zu besetzen.
Kais Verhalten brachte mich aus der Fassung und ich musste laut loslachen. Es war das erste richtige Lachen seit Jules Verschwinden.
"DaS iSt NiChT lUsTiG!" sagte Kai schmollend und verschränkte die Arme demonstrierend, aber im Augenwinkel sah ich ihn grinsen.
"Oh doch, das ist es."

"Wie viele Treppen sind es noch? Ich kann diese Teile nicht mehr sehen" beschwerte sich Kai schon im ersten Stockwerk. Ich ging vor ihm hoch und trug seine Sporttasche, die er zusätzlich zu seinem kleinen Koffer hatte.
"Noch zwei Mal das Gleiche. Stell dich nicht so an, du bist doch Profifußballer!" rief ich Kai zu und musste erneut lachen als er aufstöhnte.
"Li, ich trage noch einen superschweren Koffer, schon vergessen?"
Jetzt war ich diejenige die stöhnte, aber lachte.
"Lappen!" rief ich zurück.
"Ok, jetzt bist du dran!" konterte Kai und stolperte mit seinem Koffer die Treppen hoch und ich nutzte meinen Vorsprung von einem Stockwerk und rannte hoch zu meiner Wohnung.
Ich schloss so schnell, wie ich konnte die Tür auf und rannte lachend hinein.
Ich ließ diese offen stehen, denn Kai war mir dicht auf den Fersen. Als dieser die Wohnung betreten hatte, ließ er die Tür ins Schloss fallen, stellte seinen Koffer ab, schlüpfte aus den Schuhen und rannte durch die Wohnung direkt auf mich zu.
"Oh fuck..." sagte ich und versuchte meinem Besten Freund auszuweichen, aber es war schon zu spät. Er packte mich wie ein kleines Kind, warf mich über seine Schulter und trug mich in Richtung der Couch. Er wusste genau wo ich kitzelig war.
"Kai, wag es dir nicht! Lass mich runter."
"Ok" sagte er und ließ mich auf die Couch fallen. Aus Reflex verließ mein Mund ein Quieken und ich griff nach Kais Hoodie und zog ihn somit mit auf die Couch. Lachend fiel er auf mich, kugelte sich aber gleich neben mich, sodass wir beide nun meine schöne Decke betrachten konnten.
"Lass mich nie wieder fallen."
"Nenn du mich nie wieder einen Lappen." konterte Kai, drehte seinen Kopf und wir schauten uns für eine Sekunde ernst an ehe wir wieder in Gelächter verfielen.
"Ich habe dich vermisst Li." sagte Kai nach einer kurzen Stille, die wir mit Deckenbetrachtung verschwendeten.
"Ich habe dich auch vermisst Kai."

Jules Sicht:
Nach drei guten Stunden Autofahrt mit leider auch Stau, fuhr ich nun von der Autobahn hinunter. Ich hatte versucht mit lauter Musik die ganzen Gefühle und Stimmen in meinem Kopf zu verscheuchen, aber ich musste immer an mein herzeingerahmtes Selbst, das auf Cleo's Schreibtisch stand, zurück denken.
"Fand sie mich toll? War ich ihr Idol? Hatte sie sich vielleicht sogar in mich verliebt? War ICH verliebt? In Cleo? Was? Nein, auf gar keinen Fall. Ich war noch nie verliebt... Das ist unmöglich" schon ich meine Gedanken beiseite und fuhr mir durch meine Haare.
"Aber diese Augen... Und dieses Lachen... Und wenn sie vor mir steht...da ist dieses angenehme Kribbeln im Bauch... Und die Art und Weise wie sie meinen Namen ausspricht..."
Ich musste aufseufzen. "Was, halt Stop! Woher kommen diese Gedanken? Du spinnst wohl jetzt komplett Julian."
Ich riss mich selbst aus meinen Gedanken, erneut.
Ich hatte gar nicht bemerkt, wie langsam ich gerade die Landstraße lang fuhr. Ich schaute entsetzt in den Rückspiegel um zu prüfen ob jemand hinter mir war. Doch zu meinem Glück war ich der einzige weit und breit auf der Straße. Ich sah mir in die Augen und musste seufzen. Erst jetzt bemerkte ich die leichte Röte in meinem Gesicht. Seit wann wurde ich denn rot?
"Was ist nur los mit mir?" fragte ich mich verzweifelt. Irgendwie wünschte ich mir jetzt Kai ins Auto. Auch wenn er zwei Jahre jünger war, könnte man auch meinen er ist mindestens genauso alt wie ich. Jedenfalls verhält er sich so, naja eigentlich nur in der Öffentlichkeit versucht er professionell zu wirken, was ihm auch ganz gut gelingt. Würde ich nicht Kai schon seit meiner Kindheit kennen, würde ich ihn auf mind. mein Alter schätzen. Aber sobald ihn keine Kamera filmt oder Paparazzi zu sehen sind, ist er der Kleinkind Kai. Meiner Meinung nach hätte er als Schauspieler auch keine schlechte Karriere gemacht. Auf Kai kann man im Ernstfall verlassen und vernünftig mit ihm reden. In solchen Momenten wirkt er sehr erwachsen. Ich vermisse ihn so schrecklich doll. "Vielleicht sollte ich doch Mal mit ihm darüber reden? Würde er mich verstehen? Ich weiß nicht, es ist besser wenn ich ihn jetzt nicht noch mit meinen Gefühlen vollheule." Ich versuchte die Gedanken wieder zu ignorieren und konzentrierte mich auf die, immer noch sehr laute, Musik. Zehn Minuten später fuhr ich auf die Einfahrt von meinem Elternhaus.
Erst jetzt fiel mir ein, dass ich mich überhaupt nicht angekündigt hatte. Dann würde ich sie eben überraschen. Ich kramte in meinem Rucksack herum, auf der Suche nach meinem Handy. Ich hatte während der Autofahrt beschlossen, dass wenn ich angekommen bin, En und Marco wenigstens eine Nachricht zu schreiben, dass ich in Bremen bin.
"Wo habe ich dieses Teil denn jetzt schon wieder vergraben?" fragte ich mich laut selbst. Da fiel mir plötzlich ein, ich hatte es ja nicht Mal aus der Sporttasche rausgenommen.
"Fuck... En wird mich umbringen wenn ich mich nicht bei ihr melde. Sie wird sich Sorgen machen, weil ich einfach so abgehauen bin." ich schlug mir gegen die Stirn.
Plötzlich vernahm ich ein dumpfes Klopfen gegen das Beifahrer-Fenster. Ich zuckte zusammen und guckte erschrocken an das Fenster.
Jascha. Mein kleiner Bruder schaute mich mit großen aber begeisterten Augen an. Als ich ihn erkannte, grinste ich ihm entgegen. Ich schnappte mir meine Cap, die auf dem Beifahrersitz lag und stieg aus. Ich ließ die Tür zu fallen, setzte meine Cap auf meinen Kopf und grinste Jascha nun über die Motorhaube hinweg an. Er war zwei Schritte gegangen aber befand sich nun wahrscheinlich in einer Schockstarre.
"Bro, erschreck mich nie wieder so." lachte ich ihm entgegen. Er bewegte sich immer noch nicht.
"Jo, geht's dir gut? Du schaust mich an, als wäre ich Harry Potter höchst persönlich." ich bewegte mich nicht weiter sondern blieb stehen und beobachtete meinen Bruder. Das Grinsen konnte ich mir nicht unterdrücken.
"Jule? Du bist es wirklich..." rief er total aufgeregt. Jetzt setzte er sich in Bewegung und "rannte" die letzten Meter auf mich zu.
"Ja ich bin Julian Brandt. Dein ältester Bruder, hast du mich schon vergessen?" lachte ich, was Jascha mit einem breiten Grinsen beantwortete. Bei mir angekommen, was ja nicht sonderlich lange dauerte, schloss er mich in eine innige Umarmung.
"Natürlich nicht du Idiot, ich hab dich bloß nicht erwartet. Ich dachte du kommst erst in einem Monat wieder!" nuschelte er hinter meinen Ohren. Er hielt mich immer noch fest an sich gedrückt. Ich grinste in mich hinein.
Schließlich löste Jascha sich von mir und wir sahen uns grinsend an. "Tja, Planänderung. Hier bin ich!" schmunzelte ich ihn an.
"Ich hab dich so vermisst Jule."
"Ich habe dich auch vermisst Jascha."
"Also Jungs, ich unterbreche ja wirklich ungern eure süßen Geständnisse aber ich will auch ne Umarmung von meinem großen Bruder." rief Jannis, mein zweiter Bruder, herüber aus dem Türrahmen der Haustür.
"Wie lange stehst du schon dort?" fragte Jascha.
"Schon viel zu lange..." lachte Jannis ihn an und kam zu uns rüber.
"Nicht streiten. Ich bin doch für alle da!" grinste ich die beiden an.
"Und DEN hast du vermisst Jascha?" lachte Jannis.
"Ja ich weiß auch nicht, Jule ist so anhänglich..." konterte Jascha und die beiden fingen an zu lachen.
"Ey, ich stehe hier. Ich kann euch hören..." schmollte ich.
"Oh, nicht weinen Jule. Gib deinem Bruder stattdessen eine Umarmung" sagte Jannis und zog mich ebenfalls in eine innige Umarmung.
"Oh wie süß, Gruppenkuscheln!" rief Jascha und schließ sich an.
"Ich hab euch beide echt zum Fressen gern!" lachte ich in die Umarmung.
"Oh bitte nicht, ich will noch Jascha nerven." lachte Jannis.
"Hey, das habe ich gehört!" lachte nun auch Jascha.
Und so standen wir da, umarmten uns und lachten.

BVBrandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt