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Eine viertel Stunde noch bevor das Training beginnt. Ich war gerade damit beschäftigt alle Kameras nochmal zu prüfen, ob sie auch ganz sicher funktionieren. Da ich so sehr in meine Arbeit vertieft war, merkte ich nicht wie Marco Reus den Platz betrat. 

„Hey Enola! Guten Morgen!" rief er über den halben Fußballplatz und kam näher. Ich zuckte kurz zusammen als ich seine Stimme vernahm, er sah es und musste schmunzeln was ich nur mit einem Lächeln und Augenrollen beantwortete. 

„Ah gut, du hast dich nicht verändert! Immer noch so schreckhaft wie vorher!" stellte er fröhlich fest. 

„Hey Marco, lang nicht gesehen! Wie geht's deinem Bein?" antwortete ich, erfreut ihn endlich wiederzusehen. Er hatte sich vor zwei Wochen bei einem Spiel unglücklich eine Prellung am Schienbein zugezogen und der Mannschaftsarzt wollte sicher stellen, dass Marco jetzt wieder ohne Probleme einsteigen kann. 

„Perfekt! Ich darf wieder mit trainieren und beim nächsten Spiel bin ich auch wieder im Kader!" berichtete er mir aufgeregt. Er lebte echt für diesen Sport! 

„Das freut mich für dich!" antwortete ich ebenfalls mit einer Spur von Aufregung in meiner Stimme. 

„Sag mal, hast du Jule gesehen? Ich müsste mal mit ihm reden." 

„Ehrlich gesagt nein, er war nicht in der Kabine. Ich hatte gehofft, du weißt wo er schon wieder steckt." antwortete mir Marco mit gerunzelter Stirn. 

„Komisch, er kommt doch fast nie zu spät!" musste ich, verwundert über das Verhalten meines Besten Freundes, feststellen. 

„Ich werde ihn mal anrufen, vielleicht geht er ja ans Handy." sagte Marco und war kurz darauf auch schon wieder vom Platz verschwunden. Kopfschüttelnd schmunzelte ich ihm hinterher bis er nicht mehr zu sehen war. 

Mittlerweile war die Zuschauertribüne leicht gefüllt aber „Einlass" war erst fünf Minuten vor Trainingsbeginn. Da ich mit meiner Arbeit zufrieden war, gönnte ich mir eine kleine Auszeit und setzte mich auf die Trainerbank und holte mein Handy heraus. 

Keine neue Nachricht. Was treibt Jule denn nun schon wieder? 

Die Minuten verstrichen, meiner Meinung nach, viel zu schnell und die Fans wurden auf die Tribüne gelassen. Kurze Zeit später kam auch schon die Mannschaft auf den Platz. Marco war als Erster vorne weg und wie es bei jedem Training oder Spiel Angewohnheit war, kam er und auch die anderen an der Trainerbank vorbei, gaben mir eine Gettofaust sowie ein kurzes Grinsen in die Kamera die gleich daneben stand. 

„Hab ihn nicht erreicht." beantwortete Marco mir meinen fragenden Blick, was ich mit einem Nicken wahrnahm. Okay, jetzt machte ich mir ein wenig Sorgen, da er auch nicht beim Training aufgetaucht ist. Und das Training einfach ausfallen lassen, ohne irgendetwas zu sagen, passte überhaupt nicht zu dem Jule, den ich kannte. 

Ein wenig trotzig lief ich zu meiner Kamera am Rande des Spielfeldes, nachdem ich Lucien Favre freundlich begrüßt hatte sowie die anderen Trainer. 

Da mein Dad, wie schon erwähnt, das Management leitet, kennt mich hier jeder, da er mich schon früh mitnahm zu Spielen und mich sozusagen alle seit ich zehn Jahre alt bin kennen (jedenfalls die alten Hasen). Mein Dad hatte, als ich fünf Jahre alt war, den Job hier bekommen, aber wir wohnten noch in Bremen. Also hatte mein Dad über die Woche eine Wohnung in Dortmund und am Wochenende kam er nach Bremen. 

Als ich neun Jahre alt war, verstarb meine Mom an einem Hirntumor. Da diese Diagnose erst sehr spät festgestellt wurde und der Tumor schon weit vorangeschritten war, konnten die Ärzte sie nicht retten. Die letzten Wochen mit meiner Mom hatten mein Dad und ich nur zu dritt verbracht und komplett von der Öffentlichkeit abgeschottet. Dad hatte sich, nachdem die Diagnose festgestellt wurde, sofort freigenommen und in ihren letzten zwei Wochen haben wir Mom ihren Traum erfüllt und waren an der Nordsee. 

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