Prolog

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„Halt die Klappe!", schrie sie. Man konnte ein leises Wimmern vernehmen, weitere Schreie und auf einmal donnerte es. Es klang, als würde Glas oder Porzellan zu Boden fallen. Ich zuckte zusammen. Dann zog ich die Knie an und legte meinen Kopf darauf. Wieder stritten sie sich. Ich konnte es nicht glauben, dass sie über ihren Streit, den Rosenkrieg, ihre eigene Tochter vergaßen, den Grund, warum sie überhaupt noch zusammen waren. Aber wenn das so weiter ging, wäre es wohl ohnehin besser, wenn sie nicht mehr zusammen wären, oder? Ich wusste es nicht. Ich saß still und schweigend auf dem Boden in meinem Zimmer und hörte die Stimmen, die schrien und sich gegenseitig beschimpften, die wütende Laute von sich gaben und schlimme Dinge sagten, die ich noch nie zuvor gehört hatte. Wie denn auch, ich war ja erst fünf Jahre alt. Auf einmal hörte ich noch einen lauten Schrei, vermutlich aus Wut, dann stampfende Schritte und schon wurde die Tür zu meinem Zimmer aufgerissen. Ich saß einfach nur da und sah zu meiner Mutter auf, die ziemlich... fertig aussah. Sie hatte geweint, war immer noch den Tränen nahe und ihr Blick schien so verzweifelt. Sie nahm meine Hand und zog mich auf die Füße, dann zerrte sie mich hinter sich her, zu meinem Schrank. Sie schnappte die große Barbie-Reisetasche und packte meine Klamotten, einige meiner Plüschtiere und ein paar Spielsachen ein, dann zog sie mich zur Haustür. Als wir durch den Flur gingen, sah ich meinen Vater auf dem Boden im Wohnzimmer sitzen, den Kopf in die Hände gestützt und Tränen in den Augen. Als er uns hörte sah er auf und lächelte mich an, so als wolle er mir sagen, dass alles gut werde. Ich sah zu meiner Mutter auf und blieb ruckartig stehen.
„Mommy, ich will aber nicht weg von hier. Ich will lieber bei Daddy bleiben, sodass wir alle zusammen sind.", quiekte ich mit meiner Kinderstimme und sah meine Mutter mit meinen großen, blaugrünen Augen an. Sie sah mich nur mit verzweifeltem Blick an und schüttelte den Kopf, dann gingen wir zusammen zur Tür hinaus. Von diesem Tag an sah ich meinen Vater nie wieder.


12 Jahre später

Ich saß gerade in meinem Zimmer, und war in mein Lieblingsbuch vertieft. Es war recht früh am Morgen, doch ich war schon auf. Ich musste schon auf sein, denn heute war der Tag, an dem wir nach New York fliegen würden. Genauer gesagt nach Manhattan. Heute war Heilig Abend und meine Mutter hatte mich dazu überredet mit ihr zu ein paar Freunden auf die Weihnachtsfeier zu fahren.
„Cathrine? Kommst du? Wir müssen los!", rief sie auch schon. Sie trat in mein Zimmer ein und sah mich an. Ich nickte.
„Komme gleich. Mach du schon mal die Sachen ins Auto, ja?"
Sie nickte und ich stellte mich vor den Spiegel in meinem Zimmer. Meine rotblonden Haare band ich zu einem Zopf zusammen und dann betrachtete ich lange dieses Mädchen im Spiegel, das mich mit ausdruckslosen Augen ansah. Diese blaugrünen Augen, die immer jeden in ihren Bann gezogen haben, die nun von Angst und Hass geprägt wurden. Ich schüttelte den Kopf, nahm meine Handtasche und ging hinunter zum Auto. Und dann fuhren wir los, zum nächsten Flughafen. Wir wollten ja nicht erst innerhalb der nächsten drei Tage in New York ankommen, sondern möglichst in den nächsten Stunden. Von Detroit aus war es eben ein recht weiter Weg...


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