Der Tag danach

0 0 0
                                    

Nach fünf Stunden durften Jake und ich dann gehen. Beziehungsweise ein Polizist brachte uns zu Jake nach hause, und riet und noch, alle Türen und Fenster zu verriegeln. Und ich sollte, wenn ich wieder einen Anruf bekam, sofort die Polizei verständigen. Müde und völlig fertig ließ ich mich ins Bett fallen, ohne mich umzuziehen, und ich schlief sofort ein. Doch auch in dieser Nacht verfolgten mich Alpträume, einer nach dem anderen. Ich wachte mindestens fünf Mal innerhalb von sieben Stunden auf, und jedes Mal hatte ich dasselbe in meinem Traum gesehen. Jakes Mutter. Ihre milchigen Augen, die vor Schreck geweitet in die Leere starrten. Ihr weit aufgerissener Mund mit dem Zettel darin... Sie hatte bestimmt geschrien, als er sie getötet hat. Wieder begann ich zu weinen. Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. So viele Fragen und niemand konnte mir Antworten geben. Wirklich niemand. Mein Handy vibrierte. Eine SMS. Ich sah auf den Display und musste nun lächeln. Sie war von Luke, er war mein bester Freund. Er fragte, wann ich wieder zuhause sein würde, damit er mich besuchen konnte. Und im gleichen Moment begann ich wieder zu weinen. Ich begann einen Text zu tippen.

Hey Luke! Mir geht es gut, aber meine Mutter ist krank geworden über Weihnachten und wir können heute noch nicht los. Magendarmgrippe oder so. Sie ist nur am erbrechen und kann nichts essen und nichts trinken... Ich vermiss dich total :( Ich ruf dich an, wenn ich wieder zuhause bin, okay? Hab dich lieb! Cathy

Ich konnte ihm nicht die Wahrheit sagen, es ging nicht. Er würde herkommen und sich selbst nur in Gefahr bringen, und das wollte ich auf gar keinen Fall! Denn Luke war derjenige, der immer, wirklich immer für mich da gewesen war, und es immer noch war, wenn ich ihn brauchte. Er war schon mehrmals mitten in der Nacht zu mir gekommen um mich zu trösten oder einfach da zu sein, wenn ich mich alleine fühlte. Aber nicht einmal er hatte das mit Kevin gewusst... naja, damals hieß er noch James. Er hatte ihn zwar nie gemocht, und er hatte auch gewusst, dass ich mit ihm zusammen war, aber dass ich von ihm vergewaltigt wurde, hatte ich ihm nie gesagt. Er hatte sich nur ein wenig gewundert, warum er mich plötzlich nicht mehr umarmen durfte. Aber, wenn ich heil aus der Sache hier rauskam, das nahm ich mir in diesem Moment fest vor, würde ich ihm alles, und zwar absolut alles erzählen. Und was mit Jake war... ich wusste es nicht. Wir hatten noch kein Wort gewechselt, seit wir zuhause waren. Er war in das Zimmer seiner Mutter gegangen um zu schlafen, ich war in seinem geblieben. Vielleicht brauchte er nun einfach Ruhe. Vielleicht würde er den Kontakt auch zu mir abbrechen, wenn das alles vorbei war. Falls es irgendwann vorbei sein würde. Ich zog mich um und setzte mich wieder auf das Bett. Mir liefen unaufhörlich die Tränen übers Gesicht, als ich mir Fotos von Luke und mir auf meinem Handy ansah. Alte Fotos, auf denen wir und umarmten, und gegenseitig Küsschen auf die Wange geben oder er mich auf dem Rücken trägt... Wir hatten schon jeden Mist zusammen erlebt. Er war einfach mein bester Freund und er würde es auch immer bleiben, ob ich nun alleine, ohne meine Mutter zurück nach Detroit kam, oder gar nicht, oder mit Jake oder was auch immer. Ich hatte keine Ahnung, wie es nun weiter gehen sollte, ich hoffte einfach nur darauf, dass die Polizei schnell etwas herausfinden würde. Mein Handy vibrierte wieder und ich las die Nachricht durch. Wieder Luke.

Oh Gott! Die Arme! Geht es dir wenigstens gut? Sind alle nett zu dir? Du schreibst so komisch... Ist irgendwas passiert? Kann ich dir irgendwie helfen?

Typisch Luke. Ich lächelte mit Tränen in den Augen und schrieb wieder zurück.

Ja, alles in Ordnung bei mir... Mach dir keine Sorgen, ich bin bald wieder zuhause. Okay? Und mach nichts dummes, während ich weg bin! :P

Plötzlich, kurz nachdem ich die SMS verschickt hatte, vibrierte mein Handy wieder. Unbekannte Nummer. Er hatte wieder geschrieben.

Deine Mutter ist noch am Leben. Komm um Mitternacht zum Friedhof, dann lasse ich die gehen. Im Gegenzug bekomme ich dafür dein Leben. Und lass deinen Schoßhund zuhause, und auch die Polizei. Sonst wird es deiner Mommy gar nicht gut ergehen. Du weißt, was du zu tun hast, Cathrine. Ich warte auf dich.

GeisterdorfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt