Die Weihnachtsfeier

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Zu fünft machten wir uns also schon mal den Erwachsenen voraus auf den Weg zum Ballsaal. Dort ging ich mit Jake zur Musikanlage, ich wich ihm nicht von der Seite. Irgendwie hatte ich ein wenig Angst vor den anderen. Nicht weil sie irgendwie angsteinflößend waren, nein, die Mädchen schienen kleine Engelchen von Mommy zu sein und der Junge war sowas wie ein Nerd. Aber ich hatte irgendwie Angst, dass einer von denen mir die Hand geben wollte, und dann alles wieder wie vorher wäre. Dass der Zauber verfliegen könnte. Also blieb ich bei Jake. Wir hatten mittlerweile vom Unterhaken zum Händchenhalten gewechselt, das war einfacher zu machen, während wir umherliefen. Ich war so aufgeregt an diesem Abend, dass ich niemanden beachtete. Wirklich niemanden. Ich sah niemand anderen als Jake, den ich eigentlich ja auch erst seit ein paar Stunden kannte. Und doch wusste er schon Sachen von mir, die kein anderer wusste. Und er war der einzige, der mich anfassen durfte. Krass, oder? Als die Erwachsenen, naja eigentlich waren es nur unsere Eltern, wir waren ja auch schon erwachsen. Ich war bald achtzehn, Jake war vermutlich schon achtzehn und die anderen drei bestimmt auch. Jedenfalls, als sich der Raum langsam füllte, und immer mehr Leute kamen, immer mehr und immer mehr, wurde mir irgendwie schwindelig. Ich weiß nicht warum, aber ich hatte irgendwie eine panische Reaktion auf diesen vollen Raum. Ich lehnte mich an Jake an, der mich ein wenig erschrocken im Arm hielt, während ich ein wenig krumm in der Luft hing. Mir war so schwindelig. Und schlecht. Auf meine Stirn trat kalter Schweiß, ich schwankte. Jake hielt mich fest und drehte mich zu sich. Ich sah ihm in die Augen, konzentrierte mich ganz fest auf ihn. Langsam aber sicher wurde alles um mich herum wieder klarer, der Schwindel verschwand und ich konnte wieder eigenständig stehen. Er lächelte mich ein wenig sorgenvoll an.
„Mann, hast du mich erschreckt.", murmelte er und strich mir sanft mit den Fingerspitzen über die Wange.
„Ja... Ich weiß auch nicht. Vielleicht mein Kreislauf oder so... Oder es sind einfach in dem Moment zu viele Menschen auf einmal gewesen. Aber jetzt ist alles wieder okay.", meinte ich und nahm seine Hand. Er nickte zufrieden. Dann lächelte er und zog mich in eine kleine Ecke, wo wir so gut wie alleine waren. Naja, alleine nicht, aber dort standen nicht so viele Menschen herum.
„Lass uns tanzen.", meinte er und lächelte mich mit diesem schiefen Lächeln an. Ich liebte es! Ich nickte und wir begannen uns im Takt zu der Musik zu bewegen. Ich konnte nicht aufhören zu lächeln, und Jake schien es genauso zu gehen. Als das Lied zu Ende war, blieben wir stehen, so nah beieinander wie im Tanz, und sahen uns einfach nur in die Augen. Lächelten. Und irgendwie, aus irgendeinem Grund, war dies der zauberhafteste Moment am ganzen Abend. Dieser Moment des Ansehens, nicht der folgende und auch nicht der Tanz. Genau dieser Moment, in dem alles stillzustehen schien. Der folgende Moment war zwar auch nicht schlecht, um genau zu sein war er einfach perfekt, aber nicht so perfekt und zauberhaft wie dieser. Jedenfalls, als das nächste Lied anspielte, blieben wir immer noch stehen und sahen uns einfach nur an. Dann spürte ich, wie seine Hand sich von meiner Taille löste und zu meiner Wange wanderte. Meine Hand tat das gleiche, und dann näherten sich unsere Lippen. Unsere Nasenspitzen berührten sich schon, ich konnte seinen Atem spüren, als er plötzlich anfing noch breiter zu grinsen. Ich sah ihn ein wenig fragend an.
„Es ist nichts. Ich... ich schätze einfach nur, das hier... nennt man Schicksal, was?", hauchte er leise, und noch bevor ich etwas dazu sagen konnte berührten sich unsere Lippen. Erst ganz sanft, dann wurde der Kuss inniger. Als wir uns wieder voneinander lösten strahlten wir beide über das ganze Gesicht. Scheiß drauf. Einfach auf alles. Ich kannte ihn erst seit ein paar Stunden, und ich hatte mich mehr oder weniger sofort in ihn verliebt. Das konnte doch nur Schicksal sein, oder nicht? Plötzlich hörte die Musik auf zu spielen und ein lautes Quietschen durchzog den Saal. Ich blickte mich um, meine Hand hatte sich an die von Jake geklammert. Was war das? Ich verdrehte schließlich die Augen, als ich meine Mutter mit einem Mikrophon in der Hand sah, die mit Anna zusammen auf einem Tisch stand. Die beiden schienen schon etwas getrunken zu haben, und... Oh nein. Meine Mutter und Anna sahen zu Jake und mir herüber.
„Ein Liebespaar!", riefen beide wie aus einem Mund und lachten lauthals los. Ob das als auslachen oder als glückliches Lachen galt, konnte ich in diesem Moment nicht sagen. Ich lief rot an, dann sah ich zu Jake auf, und ihm schien es nicht anders zu gehen. Auch er war rot wie eine Tomate. Wir sahen uns an und nickten beide gleichzeitig. Dann verließen wir schnellstmöglich den Saal. Der Ball schien irgendwie zu Ende zu sein, auch wenn ich nicht das Gefühl hatte, dass der Abend zu Ende war. Wir gingen hoch in Jakes Zimmer und dort ließ ich mich erst einmal auf sein Bett fallen. Ich war nicht müde, nur erschöpft. Dieser Tag war zu viel gewesen. Oder zu viel an einem Tag? Egal. Mein Kopf drohte zu platzen. Jake legte sich zu mir und strich mir liebevoll über die Wange.
„Alles okay bei dir?", fragte er mit leiser Stimme. Er hatte seine Nachttischlampe angeschaltet. Ich nickte ein wenig, nahm seine Hand und zog ihn zu mir herunter. Dann küsste ich ihn noch einmal, er erwiderte den Kuss leidenschaftlich.
„Und bei dir?", fragte ich. Er nickte. Ich stand auf, lächelte ihn an und kramte in meinem Koffer nach meinen Schlafklamotten. Ich hatte eine Boxershort und ein T-Shirt eingepackt zum schlafen, und Kuschelsocken. Er nickte und grinste.
„Schon gut, ich werde nicht hinsehen.", meinte er und setzte einen Unschuldslamm-Blick auf. Ich lachte und begann mich umzuziehen, während Jake an seinem Handy herumspielte. Als ich fertig war sprang ich auf ihn drauf und grinste ihn an, dann küsste ich ihn und rollte mich neben ihm zusammen. Er sah mich überrascht an. Dann zog er sich auch um, legte sich zu mir, ebenfalls in Boxershorts, nur ohne T-Shirt eben, und mir wurde nun zum ersten Mal bewusst, was für eine tolle Figur dieser Kerl hatte. Er hatte einfach eine Figur wie ein Strandboy, ein Surfer oder so. Wahnsinn. Ich kuschelte mich in meine Decke und gab schnurrende Töne von mir. Ich liebte Katzen, und ich war diesen Tieren an sich auch sehr ähnlich. Jake sah mich mit gehobener Augenbraue an und lächelte.
„Eine Katze?", fragte er. Ich nickte und kuschelte mich ein wenig an ihn. Dann schloss ich die Augen. Irgendwie war ich doch müde, aber auf eine andere Art. Müde im Sinne von... total fertig. Aber nicht so, dass einem die Augen einfach zufallen, eher dass man einfach nur froh ist, wenn man in Ruhe im warmen Bett liegen kann. Die Art von Müdigkeit war angenehm, vor allem wenn Jake neben mir lag und mir sanft über den Arm streichelte. Langsam sank ich in einen tiefen Schlaf, erfüllt von Träumen.

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