Das...kann...Wut...

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Chloe schaut einmal neben sich auf den Beifahrersitz. Sie lächelt, als sie ihre beste Freundin so sieht. Altena ist eingeschlafen. Das ständige Schaukeln des Autos hat sie schläfrig gemacht. Außerdem hat sie die ganze Nacht nicht geschlafen, da die junge Frau eine spektakuläre Flucht hingelegt hat. Wie gern hätte sie das Gesicht von Able gesehen, nachdem er bemerkt hat, dass sie abgehauen ist. Bestimmt hat er vor lauter Wut das ganze Viertel zusammen gebrüllt. Chloe fährt an der nächsten Abfahrt raus, um die nächstmögliche Tankstelle anzusteuern. Bis zu ihren Eltern sind es noch etwa hundertzwanzig Kilometer. Die Sonne steigt langsam nach oben, also sollten sie das Ziel in etwa anderthalb Stunden erreichen können. Die beiden wissen noch gar nichts von ihrem Glück. Chloe könnte ihre Eltern wirklich mal öfters besuchen. Immerhin war sie diejenige, wo so weit weg gezogen ist. Die Brünette huscht schnell in das Kassenhäuschen und kommt mit einer kleinen Leckerei zurück. „Hier, ich hab dir einen Schokoriegel mitgebracht." Altena lächelt einmal breit. „Danke, der kommt genau richtig." Sie entfernt die braune Verpackung, um sogleich in die leckere Süßigkeit zu beißen. Sie stöhnt einmal glücklich auf. „Oh mein Gott, schmeckt der gut..." Die zuckerhaltige Masse sorgt dafür, dass sie zumindest für einen kleinen Augenblick wieder glücklich sein kann. Zurück auf der Autobahn schaltet Chloe das Radio zur Unterhaltung an. Um den Kummer ihrer besten Freundin etwas zu lindern, schiebt sie eine CD ein und fängt an zu ihren liebsten Songs laut zu singen. Früher haben sie das immer gern zusammen gemacht. Daher dauert es nicht lange, bis sich Altena ihr anschließt.

Wenn man zusammen Spaß hat, scheint die Zeit wie im Flug zu vergehen. „Schau, wir sind gleich da." Chloe war schon immer ein Stadtmädchen gewesen, während ihre Eltern eine ländlichere Gegend bevorzugen. Von der Autobahn abgefahren dauert es nicht mehr lange, bis das kleine Häuschen am Horizont erscheint. Altena kann sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte mal hier gewesen ist. Doch es hat sich wirklich überhaupt nichts verändert. Sogar der alte Sandkasten steht noch, in dem sie und Chloe als Kinder zusammen gespielt haben. „Also dann, gehen wir." Sie fährt auf einen freien Stellplatz und holt das Gepäck aus dem Kofferraum. Altena setzt ein falsches Lächeln auf als sich die Tür öffnet und sie in das verwunderte Gesicht eines Mannes im besten Alter schaut. „Das glaube ich jetzt ja nicht...Marianne, schnell komm her." Ängstlich, dass etwas passiert ist, eilt eine bereits ergraute Frau an die Tür. „Chloe...Altena...das ist aber eine Überraschung euch zu sehen."

„Hallo, Mama...Hi, Dad..." Die beiden tauschen einen Blick miteinander. „Wir wollten gerade frühstücken. Kommt herein und esst auch etwas." Das lassen sich die beiden nicht zweimal sagen. Die Weißblonde ist am verhungern, weshalb sie am Tisch ordentlich zugreift. „Tut mir wirklich Leid, dass ich mich so schlecht benehme, Mrs. Winter, es ist nur..." Sie zögert. „...Es ist nur....?" Altena schüttelt den Kopf. „N...Nichts...es ist nicht so wichtig..."
Chloe drückt ihr einmal in die Seite rein. „Du kannst es ihr ruhig sagen, Süße..." Altena presst die Lippen fest zusammen. Ihr ist gerade der Hunger vergangen. Marianne hingegen wirkt plötzlich sehr verwundert. „Was sagen? Altena, hast du Probleme? Kann ich dir helfen?" Schweigen. Sie bringt es einfach nicht fertig darüber zu reden weshalb sie einfach nur einmal still nickt, nachdem Chloe angeboten hat es den beiden zu erzählen. „Sie wird von einem soziopathischen Massenmörder verfolgt." Marianne verschluckt sich an einem Brotkrümel, als ihre Tochter das erzählt. Im ersten Moment weiß sie gar nicht wie sie reagieren soll. „Altena, bist du dir sicher? Mit sowas macht man keine Scherze", mahnt die ältere Dame besorgt. „Das ist kein Scherz, Mama, ich hab ihn selber gesehen. Zuerst hab ich gedacht, dass er ihr Freund ist, aber dann hat sie mich gefragt wie es meiner Blumenwiese geht. Das ist unser gemeinsames Codewort, wo wir uns ausgedacht haben. Da hab ich sofort gewusst, dass der Typ gefährlich ist. Wir haben uns zufällig in der Stadt getroffen und so konnte sie mich warnen und zwar ohne, dass er was mitbekommen hat." Ihre beiden Elternteile tauschen einen Blick. „Wieso seid ihr nicht zur Polizei gegangen?"
„Ich war bei der Polizei, doch die haben mich nicht ernst genommen." Altena atmet einmal tief durch und findet endlich die nötige Kraft um zu erzählen was ihr passiert ist.

Marianne hält sich geschockt die Hand vor den Mund. Ihr sind die Tränen gekommen. Weder sie noch ihr Ehemann können das nicht ignorieren. „...Er hat mich dazu gezwungen das zu tun was er wollte. Erst letzte Nacht habe ich es geschafft ihm Schlaftabletten in den Whisky zu mischen. So konnte ich ihn außer Gefecht setzen und bin abgehauen..." Altena weiß, dass Able mehr als nur wütend ist. „Und ich...naja..." Sie nimmt den Schal ab, den Chloe ihr gegeben hat. „Was ist das denn?" Sie schämt sich noch immer für den knallroten Knutschfleck. Johannes presst die Zähne fest zusammen. „Hat er dich...?" Altena schüttelt den Kopf. „Nein..." Sie weiß was er sagen will. „Deswegen sind wir mitten in der Nacht losgefahren, dass Altena von diesem Psychopathen erst einmal in Sicherheit ist. Kann sie einige Zeit bei euch bleiben?"
„Aber natürlich, sie kann solange hier bleiben wie sie will." Die Weißblonde lächelt das ältere Ehepaar äußerst dankbar an. Später hilft sie Marianne dabei die täglichen Hausarbeiten zu erledigen. Ein Gästezimmer wurde fertig gemacht, das Chloe und Altena gemeinsam beziehen. Die Brünette wird den Rest ihres Urlaubs hier verbringen, da muss ihr Freund auch mal zurückstecken. Auch wenn sie aus seiner Reichweite ist, fühlt sich die Weißblonde nicht gerade wohl. Immer wieder bildet sie sich aus dem Augenwinkel irgendwelche Bewegungen oder Schatten ein. Es ist schwer für sie, sich zu entspannen. Auch die letzte Dusche ist schon eine Weile her, weshalb sie sich sehr über eine heiße Badewanne freut. Doch das schlimmste soll ihr noch bevorstehen. Vor der Nacht, hat die Weißblonde nämlich besonders große Angst. „Mach dir keine Sorgen. Ich bin da und er ist weit weg von dir." Altena lächelt kantig, hofft aber insgeheim, dass sie Recht hat. „Okay...", piepst sie leise und kuschelt sich unter die Decke. Es fällt ihr schwer um einzuschlafen. Nach zwei Stunden liegt sie immer noch wach.

Irgendwann gibt sie es auf und stellt sich ans Fenster hin. Der Mond leuchtet hell am Himmel und wirft sein fahles Licht auf das Land. Seine Reflektion in einer Wasserpfütze sieht sehr schön aus. Es ist sehr angenehm in einem Zimmer mit einer funktionierenden Heizung zu sein. Plötzlich erscheint ein unheimliches Augenpaar direkt vor dem Fenster. Altena weicht zurück und ihr wäre beinahe ein lauter Schrei entwichen. Gerade noch rechtzeitig hat sie erkannt, dass die leuchtenden Augen zu einer streunenden Katze gehören, die neugierig durch das Fenster schaut. Sie stöhnt einmal erleichtert auf. Altena ist wirklich paranoid geworden. Völlig erschöpft, kriecht sie ins Bett zurück. Die gleichmäßigen Atemzüge ihrer Freundin scheinen die Weißblonde zu beruhigen, weshalb sie es endlich schafft einzuschlafen. Insgeheim weiß sie jetzt schon, dass sie morgen Früh, dicke Augenringe haben wird.

Altena schläft sehr unruhig. Sie hat ein beklemmendes Gefühl in der Brust und schafft es einfach nicht sich umzudrehen. Plötzlich schlingen sich zwei Arme und zwei Beine um sie, die sie daran hindern, sich zu bewegen. „Hast du wirklich geglaubt, dass du mir entkommen kannst? Ich werde dich den Rest deines Lebens verfolgen. Du kannst mir nicht entkommen." Ein böses Lachen folgt und Altena fängt an zu schreien. „Nein, geh weg von mir." Sie wehrt sich gegen ihn. Kratzt und beißt ihn verzweifelt, doch er lässt einfach nicht los. Tränen schießen ihr in die Augen als sie bemerkt, dass sie erneut von ihm eingefangen wurde. „Du weißt genau, dass du mich nicht besiegen kannst..." Ein erneuter Schrei hallt durch das Zimmer und erst eine saftige Ohrfeige, holt sie wieder in die Realität zurück. „Altena, wach auf!"

Chloe hat sie soeben sehr unsanft geweckt. „Able ist wieder da!" Chloe rüttelt sie erneut. „Alles ist gut, er ist nicht da. Du hast nur geträumt." Es dauert noch einen kurzen Moment, bis Altena bemerkt, dass sie neben ihrer Freundin im Bett liegt. „Geht es wieder? Du hast im Schlaf laut geschrien. Ich bin so erschrocken, dass ich senkrecht im Bett gestanden war." Die Weißblonde sieht ihre beste Freundin entschuldigend an. Erst jetzt hat sie begriffen, dass sie kurzzeitig an einer Schlafparalyse gelitten und sich dadurch nicht vorhandene Dinge eingebildet hat. „Oh, Chloe..." Altena schmiegt sich an ihre Freundin heran. „Ich halte das nicht mehr aus. Ich habe nur noch Alpträume..." Die Brünette versucht sie zu trösten. „Ich werde dir helfen einen guten Psychologen zu finden. Du hast mit Sicherheit eine posttraumatische Belastungsstörung und musst dieses Trauma verarbeiten." Altena weiß, dass sie Recht hat. Doch den Rest der Nacht ist nichts mehr mit schlafen, also schauen sich die beiden jungen Frauen im Internet einen ziemlich lustigen Film an. Zumindest da kann Altena kurzzeitig lachen. Schließlich ist sie doch noch einmal eingeschlafen und hat wie erwartet dicke, schwarze Schatten unter den Augen hängen. „Du siehst wirklich nicht gut aus, Altena, du solltest dich noch etwas hinlegen und ausruhen", bemerkt Marianne besorgt. Ohne Widerworte geht sie ins Gästezimmer zurück und legt sich nochmal hin. Mit einer Wärmflasche im Arm fühlt sie sich gleich viel wohler. Chloe erzählt ihren Eltern, was letzte Nacht passiert ist, woraufhin Johannes einfach nur den Kopf schüttelt. „So kann das nicht weitergehen. Sie muss sich dringend einen Therapeuten suchen."

Das hat Chloe ihr auch schon gesagt und sie wird das auch so schnell wie möglich in die Tat umsetzen. Ein paar Tage sind vergangen. Langsam fühlt sich Altena wieder sicher und kann inzwischen schon etwas länger durchschlafen. In der letzten Nacht ist sie nur zweimal aufgewacht und nicht fünfmal. Es ist Nachmittag. Zusammen sitzen sie alle vor dem Fernseher, um sich eine ziemlich kitschige Fernsehserie anzuschauen. Doch ganz plötzlich und völlig unerwartet wird das Programm unterbrochen, um eine Eilmeldung an die Bevölkerung zu richten. Eine sichtlich mitgenommene Nachrichtensprecherin erzählt, dass ganz in der Nähe vor etwa einer Stunde ein Amoklauf stattgefunden hat. „Das ist ja schrecklich...", presst die ältere Dame heraus. „Ein uns noch unbekannter Täter ist auf der Flucht. Bei seinem Amoklauf soll er über zwanzig Menschen getötet haben. Laut den neuesten Informationen die wir haben, soll er die ganze Zeit 'Ich finde dich' gerufen haben." Altena gefriert gerade das Blut in den Adern. Sie wird kreidebleich im Gesicht. „Rose, pass auf", schreit der Kameramann noch, doch seine Warnung kommt zu spät. Die Frau sinkt leblos zu Boden. Nur einen Moment später fängt Altena zu schreien an, als Able ziemlich schnell auf die Kamera zuläuft. Er hindert den Kameramann an der Flucht und er selbst richtet die Linse auf sein wutverzerrtes Gesicht. „...Ich weiß genau, dass du zuschaust. Egal in welches Mauseloch du dich verkrochen hast, ich werde dich finden. Und dann wird es dir sehr Leid tun, dass du abgehauen bist, kleines Mäuschen." Danach wurde der Bildschirm schwarz. Altena hat eine Panikattacke. Sie hat sich in die Embryostellung begeben und hyperventiliert. Es ist so schlimm, dass Johannes die Polizei benachrichtigt und einen Arzt anruft. Ihr wird ein Beruhigungsmittel gespritzt.

Erst drei Tage später hat sich Altena soweit wieder gefangen, dass sie auf der Polizeiwache ihre Aussage machen kann. Spätestens nach Able's Auftritt nimmt man sie endlich ernst. Chloe hat sie auf die Wache begleitet und unterstützt sie mental. Die Weißblonde erzählt den Beamten was passiert ist. Man weiß nun, dass dieser Soziopath nicht nur gewissenlos handelt, sondern auch extrem gefährlich ist. Um einen korrekten Abgleich zu schaffen, hat man einen Phantomzeichner herbestellt, der von Able ein Phantombild anfertigen soll. „Bitte beschreiben Sie den Mann, der sie angegriffen hat." Altena schluckt bitter. Sie weiß nicht ob sie das wirklich kann. „Ich bin bei dir, du schaffst das..." Chloe spricht ihr Mut zu, also nickt sie einmal. „Er...ist recht dünn und ziemlich groß...", beginnt sie zu erzählen. „Sein Haar ist schulterlang und schwarz und er hat graue Augen." Der Phantomzeichner beginnt die Umrisse zu skizzieren und verschiedene Farben einzusetzen. „Gut, fahren Sie bitte fort." Altena schnauft kurz durch. „Seine...Haut...ist recht dunkel...eigentlich mehr olivfarben und sein ganzer Körper ist von seltsamen, roten Tattoos bedeckt, die meist gruselige Gesichter zeigen..." Genau nach ihrer Beschreibung, fertig der Phantomzeichner ein Bild von Able an. Altena wird das Endergebnis gezeigt und sie erschaudert. „...Das ist er..." Dieser Mann versteht etwas von seinem Beruf. „Danke für Ihre Mitarbeit. Sie können nun gehen."

„Das hast du toll gemacht, Altena. Jetzt werden sie ihn bestimmt schnappen und für immer wegsperren." Die Weißblonde lächelt einmal kantig. „Ja...das hoffe ich wirklich sehr..." Auf dem Nachhauseweg hält Chloe noch bei einer Eisdiele an, um ihre beste Freundin mit einem riesigen Schokoladeneis zu überraschen. Altena liebt diese Sorte und tatsächlich schafft es Chloe dadurch sie zumindest kurzzeitig aufzumuntern. Es ist ein sehr anstrengender Tag für die junge Frau gewesen. Gleich nach dem Abendessen will sie noch schnell duschen und sich danach sofort ins Bett legen. Die gefüllten Paprikaschoten von Marianne sind wirklich köstlich. Altena will sich gerade den Löffel erneut in den Mund schieben, als sie auf einmal innehält. „Stimmt etwas nicht? Wenn ich zu viel Salz erwischt habe tut mir das Leid." Doch die junge Frau antwortet ihr nicht. Ein plötzliches Gefühl von Angst hat sie soeben beschlichen. Altena hat das Gefühl, dass eine unsichtbare Hand nach ihr greift und ihr das Herz in der Brust zusammen drückt. „...Er ist hier...", wimmert sie dann leise. Chloe sieht sie besorgt an und nimmt ihre Hand. „Nein, er ist nicht hier. Du bist in Sicherheit. Wir alle werden dich..." Und dann ganz plötzlich und völlig unerwartet, wird die Haustür mit unnatürlich übermenschlicher Stärke und brachialer Gewalt einfach aufgetreten und dabei aus den Angeln gerissen. Marianne kann einen Schrei nicht unterdrücken, als sie in zwei lodernde Augen blickt. „Hab ich dich..."


Allein mit einem MonsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt