Die Vergangenheit schweigt

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Drei Jahre sind seit dem Tod von Able vergangen. Altena hat sehr viel Zeit in einer psychiatrischen Nervenheilanstalt verbracht, um das Trauma zu verarbeiten. Sogar heute noch ist sie in psychologischer Behandlung und hat angefangen Medikamente zu nehmen. Natürlich wird die Angststörung für immer bleiben, doch zumindest kann sie wieder ein normales Leben führen. Heute ist ein besonderer Tag für Altena, denn sie trifft sich mit Chloe, um den Geburtstag ihrer Freundin nachzufeiern. „Hallo, schön dich zu sehen." Die beiden umarmen sich einmal liebevoll. „Wie geht es dir, Altena?"
„Danke, mir geht soweit ganz gut. Lass uns reingehen." Vor einem Monat hat ein neues Café in der Nähe aufgemacht, das sie nun gemeinsam ausprobieren wollen. Chloe hat bewusst dieses besondere Café gewählt. Denn kaum haben sie sich gesetzt, dauert es nicht lange, bis sich eine verschmuste Katze auf ihrem Schoß niederlässt. Altena schaut das flauschige Tier verblüfft an. Erst als sie das breite Grinsen von Chloe sieht begreift sie was hier eigentlich los ist. „Das hättest du mir auch eher sagen können", brummt sie und streichelt die Katze zärtlich. „Sonst wäre doch die Überraschung hin gewesen." Altena hat eine spezielle Vorliebe entwickelt ihren Kaffee zu trinken. Doppelt gefiltert und extra stark aufgebrüht. Chloe blickt sie komisch an, sagt aber nichts. Die beiden Freundinnen haben sich viel zu erzählen.

Plötzlich schneidet die Weißblonde von sich aus das verhasste Thema von damals an. „Sag mal, hast du das damals mit Able mitbekommen? Angeblich gehen Gerüchte um, dass kurz nach seinem Tod seine Leiche verschwunden ist." Perplex, dass sie überhaupt darüber reden will, schaut Chloe ihre liebste Freundin überrascht an. „Im Ernst? Denkst du, da ist etwas wahres dran ist?" Altena zuckt mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Eigentlich kann es mir egal sein was mit seinem Körper passiert ist." Sie ist einfach nur froh aus diesem Alptraum lebend herausgekommen zu sein. Glücklich streichelt sie die verschmuste Katze weiter, die zufrieden vor sich her schnurrt. „Meine Psychologin hat mir geraten ein Haustier zu holen. Vielleicht wäre ein Hund die richtige Wahl für mich. Am kommenden Wochenende will ich mal ins Tierheim fahren und mir dort die Fellnasen mal anzuschauen." Chloe hält das für eine sehr gute Idee, weshalb sie ihr anbietet sie zu begleiten. Vor allem, weil Altena vor einem knappen Jahr von der Stadt auf das Land gezogen ist. Sie hat sich in ihrer alten Wohnung einfach nicht mehr wohl gefühlt. Die beiden Freundinnen verbringen eine schöne Zeit zusammen. „Und du bist sicher, dass du alleine zurecht kommst?"

„Ja, ich komme schon klar. Mach dir keine Sorgen. Ich gehe jetzt noch einkaufen und dann setze ich mich vor den Fernseher und mach es mir gemütlich."
„Okay, wenn du etwas brauchst, dann kannst du mich immer anrufen. Komm gut nach Hause." Sie verabschieden sich voneinander und dann gehen beide wieder ihre eigenen Wege. Altena hat eine wirklich schwere Zeit hinter sich. Doch sie ist am Leben und das ist das einzige was für sie zählt.

Die Vergangenheit schweigt. Sie hat ihr nichts mehr zu erzählen. Keine halbe Stunde später ruft Chloe sie an und fragt sie, ob wirklich alles in Ordnung ist. „Ja, mir geht es gut." Altena findet es wirklich süß wie besorgt ihre Freundin immer ist. Wenn man bedenkt was sie durchmachen musste, ist das auch nicht verwunderlich. „Ich bin gerade auf den Parkplatz vom Supermarkt gefahren. Wenn es dich beruhigt, dann rufe ich dich später zurück wenn ich wieder Zuhause bin." Chloe bittet darum. Sie ist wirklich paranoid geworden, da Altena während ihres Klinikaufenthalts zweimal versucht hat sich umzubringen. „Bis später und vergiss es bitte nicht." Die Weißblonde verspricht es ihr und macht sich daran ihre Einkäufe zu erledigen. Chloe als ihre beste Freundin bezeichnen zu dürfen ist ihr extrem wichtig. Immerhin sind bekloppte Freunde wertvoller als Diamanten. Die frische Erinnerung an das Katzen-Café lässt sie plötzlich umdenken. Sie überlegt, ob eine Katze vielleicht doch besser wäre als ein Hund. Da wird sie sich wohl am Wochenende entscheiden müssen. Nachdem sie ihren Einkauf beendet hat, macht sie noch einen kleinen Abstecher auf dem Friedhof, um dort ihre Eltern zu besuchen. Alle beide sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als sie gerade einmal sieben Jahre alt war. Genau aus diesem Grund ist sie auch bei ihren Großeltern aufgewachsen. Heute ist sie achtundzwanzig und hat ihre Mutter und ihren Vater niemals vergessen. Altena hat eine schwere Kindheit gehabt. Wahrscheinlich liegt es daran, warum sie heute noch unter einem Helfersyndrom leidet. Schließlich macht sie sich auf dem Weg nach Hause, um ihr Versprechen an Chloe einhalten zu können.

Altena schleppt ihre Tüten in den ersten Stock und sperrt die Tür auf. Sie kommt nach Hause und runzelt darauf die Stirn. „Seltsam...", sagt sie verwundert. Die Weißblonde könnte schwören, dass sie das große Fenster im Wohnzimmer vor ihrer Verabredung mit Chloe zugemacht hat. „Hmm...", macht sie es kurz. Wahrscheinlich hat sie es vor lauter Aufregung vergessen. Immerhin hat sie sich tierisch darauf gefreut, Chloe mal wieder zu sehen. Entspannt fängt sie an ihre Einkäufe zu verstauen und gleich danach ihr Versprechen einzuhalten. Chloe ist beruhigt, weshalb Altena ihr nichts von dem Fenster erzählt. Inzwischen ist sie sich sogar sicher, dass sie es schlichtweg einfach vergessen hat. „Was hältst du davon, wenn wir beide am Wochenende einen Mädelsabend machen? Dann bringe ich was zu trinken und Knabberzeug mit." Altena ist von der Idee wirklich begeistert. Zuerst gehen sie zusammen ins Tierheim und dann machen sie noch eine Pyjamaparty. Das Wochenende ist wirklich gerettet. Nach dem Telefonat macht Altena das Fenster zu. Sie schaut einmal nach draußen und wirbelt plötzlich blitzschnell herum, da sie sich eine menschliche Silhouette eingebildet hat. Erschrocken lässt sie ihren Blick durch das Wohnzimmer schweifen. „Nein, da war nichts..." Es ist niemand hier eingebrochen. Erstens waren an dem Fenster keine Einbruchspuren und zweitens wurde nichts gestohlen. Nach dem Genuss von einem Schokoriegel, geht sie ins Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen. Sie spült sich den Mund aus und wollte gerade ihre Zahnbürste in den Becher zurückstellen, als sie plötzlich einen Schock erleiden.

Mit weit aufgerissenen Augen starrt sie in den Spiegel und lässt kurz darauf ihre Zahnbürste ins Waschbecken fallen. Unfähig etwas zu sagen glaubt sie, dass ihr Verstand ihr einen Streich spielt. Nein – so muss es sein. Sie hat ihn mit ihren eigenen Augen sterben sehen. Doch ändert sich ihre Meinung sofort, als sich zwei warme, lebende Hände auf ihre Schultern legen. Altena wird leichenblass, als sich ein olivhäutiger Mann mit schwarzem Haar und grauen Augen zu ihr herunterbeugt und ihr leise etwas ins Ohr flüstert. „...Hallo...mein kleines Mäuschen..."

Ende...


Allein mit einem MonsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt