Kapitel 5

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Martins Sicht

Wie versteinert stehe ich da und schaue der jungen Frau mit dem Kleinkind auf dem Arm hinterher. Ihre Augen, ihre Nase, ihr Mund. Alles erinnert mich an Jasmin aus dem Pure. Und ihre Stimme klang genauso identisch. Eine Gänsehaut überzieht mich und die Erinnerungen an Freitagnacht kommen wieder in mein Gehirn.

Die vergangenen Tage habe ich oft an sie gedacht. Ihre Show in der Loge hat mich durcheinander gebracht. Sie hat es geschafft, mich nur durch Ihre Bewegungen zu reizen und von dem Blowjob muss ich erst gar nicht anfangen.

Aber würde sie einfach hier auftauchen? Und würde sie im Pure arbeiten, obwohl sie ein Kind hat und in einer Beziehung ist? Denn wer wenn nicht ihr Sohn und ihr Freund sollten die beiden gewesen sein? Ihr Patenkind, ihr bester Freund? An sich ist alles möglich. 

Dazu noch der falsche Name. Die Tänzerin am Freitag hieß Jasmin, die Frau von vorhin wurde Miri genannt. Aber ist es nicht normal, dass man in solchen Etablissements sich einen anderen Namen gibt?

Meine Gedanken spielen verrückt und ich merke gar nicht, wie sich die Fans langsam entfernen. Ich schieße das letzte Foto mit einem Fan, unterschreibe noch auf einem Trikot und mache mich dann mal wieder als letzter auf in die Kabine.

Mir ist es aber egal. Ich liebe den Kontakt zu den Fans. Dort bekomme ich den Zuspruch, den ich brauche, und das vor allem auch, wenn es mal nicht so gut für uns läuft.

In der Kabine setze ich mich erstmal an meinen Platz und ziehe mir die Schuhe aus.

"Du hast sie auch gesehen, oder?", fragt mich plötzlich Kevin, der bereits mit einem Handtuch um der Hüfte aus der Dusche kommt.

Fragend schaue ich ihn an.

"Die Frau mit dem kleinen Jungen. Sie sah aus wie die Tänzerin. Sag mir bloß, du hast sie nicht gesehen?"

"Doch, habe ich", antworte ich und kann es nicht glauben, dass es Kevin genauso geht wie mir. Ich habe mich also doch nicht vertan.

"Glaubst du, sie war es?"

"Schwer zu sagen", antwortet Kevin, während er sich anzieht. "Am Freitag war es dunkel, heute war es hell. Sie kann es gewesen sein, aber auch nicht. Vielleicht sehen sie sich auch einfach nur ähnlich. Was glaubst du?"

"Dass mir die Stimme bekannt vorkam", antworte ich nachdenklich und beginne mich auszuziehen.

"Welche Stimme kam dir bekannt vor", mischt sich nun Evan in unser Gespräch ein. Auch er kommt bereits aus der Dusche.

"Martin und ich haben eine Frau gesehen, die aussah wie die Tänzerin von Freitag und Martin hat auch mit ihr geredet", antwortet Kevin für uns beide.

"Uh la la, vielleicht war sie es und sie wollte dich wiedersehen, Martin", antwortete Evan mit starken französischen Akzent. Er kann sich ein Lachen nicht verkneifen und auch ich muss ein wenig grinsen.

"Ich habe sie gefragt, ob wir uns kennen. Sie meinte nicht", rede ich weiter.

"Martin, welche Frau gibt öffentlich zu, dass sie in einem Bordell arbeitet", lacht mich nun Kevin aus und ich kann ihn verstehen. Die Frage war vielleicht nicht sonderlich schlau, aber dadurch habe ich ihre Stimme noch einmal gehört.

Ich nicke nur und will schon in der Dusche verschwinden, als Kevin nochmal auf mich zu kommt. "Wenn du wissen willst, ob sie es war, musst du einfach nur noch mal ins Pure gehen und nach ihr Fragen. Dann hast du den perfekten Vergleich."

*Am Abend*

Kevin hat heute in der Umkleide Recht gehabt. Wenn ich wissen will, ob es die gleiche Person ist, muss ich einfach ein weiteres Mal ins Pure gehen.

Ich gehe die paar Treppenstufen zum Eingang hinunter und werde vom Türsteher durchgelassen. Ich ziehe meine Kappe auf dem Kopf ein wenig weiter in mein Gesicht. Wenn ich eine Sache nicht gebrauchen kann, dann eine Schlagzeile in den Medien über meinen Besuch in einem Bordell.

Im Inneren sehe ich das gleiche Bild vor mir wie am Freitag. Leichtbekleidete Frauen räkeln sich an Poledancestangen.

Ich setze mich an die Bar und sehe mich um. Ich kann Jasmin nirgends sehen, aber vielleicht ist sie ja auch noch gar nicht da.

"Kann ich etwas zu trinken bringen?", werde ich plötzlich von einer Dame hinter der Theke angesprochen. Wie alle anderen Frauen hier ist auch sie sehr knapp bekleidet und lächelt mich an.

Ich bestelle ein Bier, was mir kurze Zeit später gebracht wird.

"Nach wem hältst du Ausschau", spricht sie mich plötzlich wieder an und ihr Grinsen auf ihrem Gesicht zeigt mir, dass ich mich alles andere als unauffällig verhalte.

"So auffällig?", frage ich zurück und muss selbst ein wenig lachen. Sie nickt.

"Ist Jasmin heute Abend da?", rücke ich schließlich mit der Sprache raus und nehme einen Schluck von meinem Bier.

"Was willst du von ihr?"

"Ich muss mit ihr reden", antworte ich einfach nur, da es ja die Wahrheit ist. Auch sonst hätte ich aber nicht gewusst, was ich sagen soll.

Angespannt schaue ich die Frau gegenüber von mir an. Erkennt sie mich, frage ich mich. Weiß sie, dass Jasmin mir einen Blowjob gegeben hat oder wird in solchen Berufen nicht darüber gesprochen?

"Sie ist heute nicht da", antwortet sie einfach nur.

"Wann ist sie wieder da?", frage ich hoffnungsvoll ein weiteres Mal nach, doch die Antwort ist ernüchternd.

"Das kann ich dir nicht sagen. Versuch dein Glück morgen nochmal", zwinkert sie mir zu und geht zu einem anderen Gast.

Enttäuscht trinke ich mein Bier aus und verlasse kurz danach das Pure wieder. Es hätte so einfach sein können, denke ich mir. Aber irgendwie werde ich schon herausfinden, ob die Frau Jasmin war oder nicht.

Rotlicht Liebe - Martin HintereggerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt