Kapitel 15

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Am nächsten Morgen bin ich alles andere als ausgeschlafen. Ich fühle mich wie überfahren und als ich in meinem kleinen Bad in den Spiegel schaue, sehe ich auch so aus. Tiefe, blaue Augenringe zieren mein Gesicht und meine Haare sind ein einziges Vogelnest. Schnell ziehe ich mich aus und stelle mich unter die Dusche, wo bereits das warme Wasser nach unten prasselt. Vor allem nach Arbeitsnächten tut die Dusche am nächsten morgen sehr gut und heute brauche ich sie wohl besonders dringend, um wieder fit zu werden. 

Nachdem ich meine Haare und meinen Körper gewaschen habe, steige ich aus der Dusche und trockne mich ab. Meine Haare lasse ich wie immer Luft trocknen, währenddessen ich meiner kleinen Hautpflegeroutine nachgehe. Von vielen Tiegeln und Töpfen halte ich gar nichts, weswegen sich meine Hautpflege auf ein Minimum an Feuchtigkeitspflege beschränkt. Im Bademantel gehe ich danach in die Küche und mache mir etwas zum Frühstücken. Doch als ich dann mit meinen Toasts am Küchentisch sitze, merke ich, dass ich nichts hinunterbekomme. 

Zu groß ist anscheinend meine Nervosität. Sofort kommen mir wieder meine Gedanken der gestrigen Nacht in den Kopf und ich frage mich mal wieder, ob es die richtige Entscheidung ist und was Martin überhaupt von jemanden wie mir möchte. Immerhin arbeite ich in einem Bordell und habe mit meinen 20 Jahren bereits einen Sohn. Für mich sieht eine Traumfrau anders aus. 

Ich zwinge mich dazu, wenigstens ein Toast zu essen und meinen Tee leer zu trinken. Irgendwas muss ich ja essen, denke ich mir, sonst klappe ich noch zusammen, weil mein Kreislauf schlapp macht. In meinem Schlafzimmer ziehe ich mich anschließend um und entscheide mich für eine einfache Jeans, ein etwas schöneres Top, wo ich aufgrund der draußen herrschenden Temperaturen aber einen Hoodie drüber ziehe und eine Lederjacke. Ich schaue mich im Spiegel an und bin zufrieden mit meinem Outfit. Meine Wimpern tusche ich noch ein wenig mit Mascara, schnappe mir danach eine kleine Crossbody-Bag, in der sich mein Ticket und ein wenig Geld befindet, und bin, nachdem ich mir meine Schuhe angezogen habe, schon fertig zum losgehen. 

In der Bahn treffe ich schon auf einige Eintracht-Fans. Da ich keinerlei Fanartikel besitze, falle ich alleine vom Outfit ziemlich auf. Doch das macht mir persönlich wenig aus. Ich freue mich irgendwie doch auf den Tag, auch wenn die Nervosität von Station zu Station ansteigt. 

Am Stadion angekommen gehe ich die letzten Meter Richtung Einlasskontrolle. Ich schaue auf mein Ticket und mache mich auf den Weg Richtung VIP-Eingang. Auch dort werde ich ein weiteres Mal kontrolliert und stehe anschließend erstmal planlos in dem großen Foyer des Stadions herum. 

"Kann ich Ihnen helfen?", werde ich plötzlich von einer weiblichen Stimme angesprochen und ich drehe mich zu ihr um. Vor mir steht eine junge Frau, die nur wenige Jahre älter als ich sein muss. Sie trägt eine schicke schwarze Hose, eine genauso schicke weiße Bluse und hat ihre blonden Haare zu einem ordentlichen Dutt geknotet. An ihrer Bluse hängt ein Namensschild. Sie heißt Tabea. 

"Äh ja, ich glaube schon", antworte ich ihr und lächle sie dankend an. In meiner Tasche krame ich nach meinem Ticket. 

"Können Sie mir sagen, wo ich hingehen muss? Ich war noch nie hier." 

Tabea nimmt mir mein Ticket aus der Hand. "Natürlich, ich bringe Sie hin." 

Wir gehen eine große Treppe nach oben, die in einem weiteren großen, offen geschnittenen Raum endet. Einige Menschen tummeln sich schon hier, trinken Bier, Apfelwein oder Cola, essen und unterhalten sich. 

"Hier können Sie sich einfach bedienen. Es ist alles umsonst und kostet sie gar nichts", lächelt mich Tabea an. "Ihren Platz finden Sie hier durch die Tür, die Treppe hinunter in der angegebenen Reihe." 

"Danke", antworte ich und schon ist sie auch wieder verschwunden. Ich schaue mich um und fühle mich ein wenig fehl am Platz. Während die meisten Menschen hier aussehen, als hätten sie wichtige Positionen inne, fühle ich mich wie das hässliche Entlein, das nicht in die Gruppe passt. 

Ich hole mir an der Bar eine Cola und mache mich mit dieser auf den Weg zu meinem Platz. Auf dem Sitz neben mir sitzt bereits ein Mann, der ebenfalls bei der Eintracht unter Vertrag steht. 

"Hallo", begrüße ich ihn freundlich und setze mich dann neben ihn. 

"Hallo", begrüßt er auch mich und ich sehe, wie er einer blonden Frau neben ihm die Hand auf den Oberschenkel legt. 

Ich atme tief durch und kann es immer noch nicht glauben, dass ich hier bin, als mich mein Sitznachbar plötzlich anspricht. 

"Ich bin übrigens Timothy, ein Mitspieler von Martin. Er war ganz aufgeregt, ob du kommen wirst oder nicht." Erschrocken drehe ich mich zu ihm um. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er mich anspricht und dann auch noch von Martin zu reden beginnt. 

Ich lächle ihn zunächst nur an, weil ich nicht weiß, was ich sagen, soll. Ich entscheide mich dann aber mich vorzustellen und strecke ihm meine Hand hin: "Hi, ich bin Miri." 

"Ich weiß", lacht er. "Das ist meine Frau Nina und unsere Tochter Hailey." Die blonde Frau lächelt mich freundlich an. Ihre Tochter sitzt auf ihrem Schoß und scheint zu schlafen, denn sie hat die Augen geschlossen.

"Warst du schon Mal im Stadion", fragt mich Timothy und ich schüttle den Kopf, als mein Blick über die Ränge schweift, die mittlerweile fast voll sind. 

"Nein, ich bin kein großer Fußball-Fan. Aber die Atmosphäre ist jetzt schon richtig toll."

"Das stimmt. Und warte erst ab, bis das Spiel in ein paar Minuten anfängt."

Und Timothy mag Recht behalten. Schon wenige Minuten vor dem Spiel scheinen die Ränge zu brennen. Als die Mannschaften einlaufen, liegt mein Blick auf Martin und es scheint, als würde er die Tribüne nach mir absuchen, doch unsere Blicke treffen sich nicht. Mein Herz fängt plötzlich wie wild an zu pochen, und als der Schiedsrichter das Spiel anpfeift, scheint es nicht besser zu werden.  


Rotlicht Liebe - Martin HintereggerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt