Miris Sicht
Die Tage sind, nachdem Martin bei mir geschlafen hatte, nur so vorbeigezogen. Ich hatte endlich meine freien Tage, bin zum Ende der Woche wieder ins Pure gegangen und habe heute, mehr als eine Woche später, wieder frei.
Es ist Mittwoch und ich stehe vor Leos Kindergartengruppe, um ihn abzuholen.
"Mama", ruft er mir schon von weitem zu und rennt zu mir. Viel zu lange habe ich ihn nicht mehr gesehen und ich merke jetzt, wo ich ihn in meinen Armen halte, dass ich ihn sehr vermisst habe.
"Na mein Kleiner, wie geht es dir?", frage ich ihn und drücke ihn noch einmal fest an mich.
"Gut", antwortet er nur und ich lasse ihn wieder runter.
An der Garderobe zieht er sich seine Straßenschuhe an und ich helfe ihn in seine Winterjacke. Danach verlassen wir den Kindergarten.
Sofort fängt er, ohne dass ich gefragt habe, an von seinem Tag zu erzählen. Leo erzählt, dass sie gebastelt und Lieder gesungen haben, dass sein Freund Milo ein Puzzle ganz alleine geschafft hat und dass wieder neue Kinder in die Gruppe gekommen sind.
Meinen Sohn so glücklich zu sehen, macht auch mich glücklich.
Mit der Bahn fahren wir in das Viertel, wo ich wohnen. Nach wenigen Haltestellen steigen wir aus und laufen auf direktem Weg zu einem Spielplatz.
Der Spielplatz ist im Viertel wie eine kleine Oase. Er wurde vor ein paar Jahren neu gestaltet und es ist der einzige Platz im Viertel, der die meiste Zeit vollständig sauber ist.
Leo mag es hier sehr. Er liebt vor allem das Klettergerüst, was wie ein Piratenschiff aussieht. Dort klettert er gerade hoch, läuft einmal über eine Art Hängebrücke und rutscht anschließend am anderen Ende des Klettergerüsts wieder herunter. Ich setze mich auf eine Bank und schaue ihm weiter zu.
"Schöne Frau, darf ich mich zu Ihnen setzen", höre ich plötzlich eine Stimme hinter mir und erschrecke mich.
Ich drehe mich um und sehe Cem, der zwei Kaffeebecher in seinen Händen hält. Er lächelt entschuldigend, weil er gemerkt hat, dass ich mich erschreckt habe.
"Klar", antworte ich und Cem setzt sich neben mich. Er reicht mir einen Kaffeebecher und wir trinken beide einen Schluck.
"Ich habe dich mit Leo gesehen und dachte mir, wenn du mir schon nicht schreibst, ob du Zeit für einen Kaffee hast, kommt der Kaffee eben zu dir." Cem lächelt, aber ich erkenne, dass er enttäuscht von mir ist.
"Es tut mit leid", antworte ich und lehne mich gegen die Rückenlehne der Bank. "Ich brauchte an meinen freien Tagen erstmal Zeit für mich." Im Pure sehe ich so viele Menschen und komme mit so vielen vor allem fremden Menschen in Kontakt, dass ich an meinen freien Tagen erstmal meine soziale Batterie wieder aufladen muss. Ich kann nicht jeden Tag unter Menschen sein. Das merke ich im Pure immer wieder. Umso wichtiger ist es für mich, dass ich an meinen freien Tagen Zeit für mich habe und mich entspannen kann.
Cem nickt, während ich auf mein Handy schaue und sehe, dass es bereits 15:30 Uhr ist. Noah holt Leo bereits um 17 Uhr ab, da Leo mittwochs immer zu einer Kindersportstunde geht. Mehr als eineinhalb Stunden werde ich also nicht mehr mit meinem Sohn für diesen Tag haben.
"Leo ist noch bis 17 Uhr bei mir. Hast du Lust, danach zu mir zu kommen? Ich könnte etwas zur Entschuldigung kochen, weil ich mich nicht gemeldet habe." Vorsichtig lächle ich Cem an. Ich hoffe, dass er meine Einladung annehmen wird, denn es tut mir wirklich leid, dass ich mich nicht bei ihm gemeldet habe.
"Gerne, soll ich noch etwas mitbringen?", fragt er lächelnd und ich sehe, dass er sich wirklich über meine Einladung freut.
"Wie wär's mit etwas zu trinken? Mehr als Wasser habe ich nicht zu Hause", frage ich ihn und nippe danach an meinem Kaffee.
"Kann ich mitbringen. Dann bis nachher", verabschiedet sich Cem mit einem großen Grinsen auf dem Gesicht. Wahrscheinlich geht er nun erstmal zu seinen Freunden Alex, Hamza und Farid, um ihn die Neuigkeiten zu erzählen.
Mein Blick wandert wieder zu Leo, der im Sand sitzt und buddelt. Lächelnd stehe ich auf und laufe zu ihm.
"Kann ich dir helfen", frage ich meinen Sohn und er fängt sofort an zu erzählen, was ich alles machen soll.
Zeitsprung: *17:30*
Noah hat Leo mittlerweile abgeholt. In der halben Stunde danach habe ich meine Wohnung so gut es möglich gewesen ist aufgeräumt und mich selbst noch frisch gemacht. Ich war in windeseile Duschen und habe mich in frische und vor allem hübschere Klamotten geschmissen.
Zwar ist Cem ein guter Freund von mir, aber ob es jetzt ein Date ist oder nicht, da bin ich mir nicht so sicher.
Gerade als ich mich fertig geschminkt habe, klingelt es an meiner Tür. Etwas nervös öffne ich sie und wie erwartet steht Cem davor. Auch er hat sich ein neues Outfit angezogen und sieht sogar noch schicker aus als ich. Die Sporthose, die er sonst immer trägt, hat er gegen eine sehr gut sitzende schwarze Jeans getauscht und das T-Shirt und die Trainingsjacke von Adidas hat er gegen ein schwarzes Hemd gewechselt. Sein Outfit unterstreicht seine sportliche Figur, anders kann ich es nicht beschreiben.
In seiner Hand hält er einen Jutebeutel, wo mehrere Weinflaschen herausschauen.
"Du siehst gut aus", begrüßt er mich und gibt mir ein Küsschen links und rechts, bevor er in meine Wohnung tritt.
"Danke, du auch", gebe ich das Kompliment zurück. Ich nehme Cem den Jutebeutel ab und gehe vor in die Küche.
"Willst du mich abfüllen", frage ich lachend und stelle vier verschiedene Flaschen Wein auf meine Küchenzeile ab.
"Ich wusste nicht, was du gerne trinkst", antwortet Cem. Er lehnt im Türrahmen und grinst mich an. "Kann ich dir denn etwas helfen?", fragt er, während ich zwei Flaschen Weißwein in den Kühlschrank lege und den Rotwein auf mein Fensterbrett stelle, damit er nicht im Weg steht.
"Du kannst Gemüse schneiden", antworte ich und lege eine Zucchini, eine Paprika und eine Karotte auf meinen kleinen Küchentisch.
"Ich hoffe, es ist in Ordnung, dass es Lasagne gibt? Ich habe keine Zeit mehr gehabt, einkaufen zu gehen."
"Lasagne geht immer", antwortet Cem, während er sich hinsetzt und ein Schneidebrett und ein Messer mir abnimmt.
Ich setze mich gegenüber von ihm, und beginne ebenfalls, das Gemüse zu schneiden.
Ich merke, dass mir Cems Gesellschaft wirklich gut tut. Er lenkt mich ab von meinem Alltag und von meiner Arbeit. Ich bin ihm dankbar, dass er das Thema nicht anspricht und einfach mit mir über ganz normale Dinge redet. Cem fragt viel nach Leo. Wie es ihm geht, was er so in seiner Freizeit macht und wie häufig ich ihn sehe.
Cem bringt mich aber vor allem auch zum Lachen. Das war schon immer so, aber vor allem heute Abend merke ich, dass wir den absolut gleichen Humor haben. Immer wieder muss ich sehr lachen, weil er mich mit seinen Sprüchen abholt.
Mittlerweile ist es 23 Uhr und wir liegen mit jeweils einem Glas Weißwein in der Hand in meinem Bett. Mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt liegen wir nebeneinander. Cem sucht auf einem der vielen Streamingportalen nach einem Film, den wir schauen könnten.
Doch ich merke, dass ich nicht mehr lange wach sein werde. Der Wein und der lange Tag hinterlassen ihre Spuren und lassen meine Augen immer wieder zufallen.
"Ich bin müde", gähne ich und stelle mein Weinglas zur Seite, damit ich es nicht noch in mein Bett schütte.
"Soll ich gehen", fragt Cem sofort nach und schaut mich besorgt an, doch ich schüttle meinen Kopf.
Ich möchte nicht das Cem geht. Die momentane Situation fühlt sich gut an und ich möchte nicht, dass sie zu Ende geht.
"Nein, bleib ruhig da und lass uns noch einen Film schauen. Es kann nur sein, dass ich irgendwann einschlafe", antworte ich ihm und muss ein wenig lachen. Ich rutsche von der Wand ein wenig runter, um bequemer liegen zu können.
Cem macht es mir nach, startet den ausgewählten Film und legt vorsichtig einen Arm um mich. "Alles in Ordnung?", fragt er mich und ich nicke, während ich näher an ihn ran rutsche. Der Film beginnt, doch richtig viel bekomme ich nicht mehr mit. Meine Augen fallen immer wieder zu, bis ich schließlich einschlafe.
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Rotlicht Liebe - Martin Hinteregger
FanfictionDie 20-jährige Miriam ist mehrmals in ihrem Leben falsch abgebogen. Mit 15 schmeißt sie die Schule, mit 17 wird sie schwanger und mit 20 sieht sie keinen anderen Ausweg mehr, als sich zu prostituieren. Sie hat ihre Zukunft schon aufgegeben, bis ein...