Eines stand fest:
Sherlock Holmes hasste Urlaub. Oder um diese Aussage zu präzisieren:
Er hasste es, zum Urlaub gezwungen zu werden.
"Ich sorge mich eben um dich", war die Entschuldigung seines Bruders Mycroft gewesen, der diese unangenehme Strafe verhängt hatte.
"Du bist heillos überarbeitet, Sherlock. Ich will nicht schon dem baldigen Ende meines kleinen Bruders entgegenblicken, weil dieser nicht weiß, wann es Zeit ist, einmal zu rasten."
Er hatte dies mit einem Augenrollen hingenommen; wusste der junge Detektiv doch, dass es sinnlos war, mit Mycroft in eine Diskussion zu kommen. Selbst eine massive Steinmauer war mehr gewillt nachzugeben, als sein älterer Bruder es gewesen wäre. Und so, geplagt von Langeweile, schritt er durch die Straßen Londons, während er förmlich spüren konnte, wie vereinzelte Rädchen seines Verstandes bereits zu rosten begannen. Er hatte eine Karte für ein Konzert, welches an jenem Abend gespielt werden sollte, und obgleich er sonst ein großer Enthusiast für klassische Musik war, spürte er keine Freude in sich aufkommen wenn er daran dachte.
So sehr war er in seine Gedanken, seinen inneren Missmut vertieft, dass er beinahe die Kutsche übersah, die auf ihn zuhielt. Mit einem geschickten Sprung zur Seite konnte er sich retten, doch Zylinder und Gehstock landeten zielgenau in einer riesigen, schlammigen Pfütze. Dies hob seine Stimmung nicht besonders sondern ließ ihn ärgerlich schnauben. Entnervt hob er beides vom Boden auf und versuchte irgendwie, Hut und Stock zu trocknen...da wurde urplötzlich neben ihm die Tür aufgerissen und Stimmengewirr und Gläserklirren drang zu ihm an die kühle Abendluft.
Ein Mann landete vor ihm auf dem Asphalt.
"Gesindel wie dich wollen wir hier nicht! Mach, dass du wegkommst!" Zustimmendes Gemurmel war aus der Kaserne zu hören und der Mann auf dem Boden wälzte sich stöhnend auf den Rücken und umklammerte mit einer Hand seine Schulter.
Die Tür wurde wieder zugezogen und Holmes trat interessiert näher an den Fremden heran. Dieser setzte sich auf und zischte etwas in die Richtung des Gasthauses, das der Detektiv nicht verstand, doch er konnte sich denken, dass dies keine netten Worte waren. Der Mann hatte kein Englisch gesprochen...was ihn verwunderte, denn der Rest seines Gebarens, seine Kleidung, war so durch und durch britisch wie er selbst es war. Ein Blutrest lief seinen Mundwinkel hinab und er wischte diesen mit dem Handrücken weg und knurrte dabei.
Weiße Hände, braun gebranntes Gesicht, eine Schulter, die schon vor dieser Auseinandersetzung geschmerzt haben muss... Vor ihm saß tatsächlich ein Brite, ein Brite, der lange Zeit im Ausland war...aber nicht, um dort Urlaub zu machen.
"Verschwinde, bevor der Kerl nochmal rauskommt, mit dem ist nicht zu scherzen. Zu zweit könnten wir es vielleicht mit ihm aufnehmen...aber warum ein Risiko eingehen? Deine Kriegsverletzung aus Afghanistan reicht doch an Wehwehchen..."
Der Mann stand wortlos auf, ob er ihn nicht gehört hatte oder einfach ignorierte wusste Holmes nicht...doch dann, als hätte ihn etwas an seiner Aussage geschockt, drehte er sich zu ihm um und starrte ihn an. Diese Gelegenheit nutzte der Detektiv um seinen Gegenüber genauer zu betrachten.
Blaue Augen, die beinahe unter den unordentlichen Haaren verborgen waren, und doch in dieser finsteren Nacht zu strahlen schienen, ein unbefleckter Lichtschein in dunkler Zeit. Ein gepflegter Schnurrbart und Lachfalten in den Ecken seiner Augen, die bedeutender waren, als die dunklen Ringe unter eben diesen. Ein Lächeln zupfte an den schmalen Lippen.
Es war ein attraktives Gesicht, und mit einem angedeuteten Lächeln umso mehr. Sein Gegenüber öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch da wurde die Tür neben ihnen erneut aufgerissen.
DU LIEST GERADE
Holmes/Watson OneShots
RomanceSome Holmes/ Watson Fluff für jeden der es gerade braucht...