14: Feuer und Eis

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Der nächste Tag war ein Samstag und wie es sich für einen Samstag gehört,  schlief ich mich einmal richtig aus. Okay, genau genommen hätte ich wohl den ganzen Tag verschlafen, wenn Bea mich nicht um ein Uhr mittags geweckt hätte. Ich wusste, ich hatte Elizabeth versprochen um drei Uhr zu ihr zu kommen. Allerdings war ich mir nicht mehr sicher, ob unsere Verabredung nach dem Geisterbeschwörungsdesaster gestern überhaupt noch galt. Endlich steckte ich mir ein Pfefferminzbonbons in den Mund (tolles Frühstück, ich weiß) und verließ das Haus. Einmal bei Elizabeth vorbei zu schauen kostete schließlich kein Geld.

"Tut mir Leid, aber wir kaufen nichts, sind Mitglied im Tierschutzverein und halten weder etwas von den Zeugen Jehovas noch von sonst irgendeiner dubiosen Sekte!"
Ich versuchte ein Lächeln auch wenn mich die Miene und die Worte Elizabeths Mutter eher zum Weinen, schreihen hätten bringen sollen. "Nein, nein, ich bin nicht hier um Ihnen ewas zu verkaufen. Oder sie für einen Verein anzuwerben. Ich hab eine Verantwortung mit Elizabeth" "und ", fügte ich ihn Gedanken hinzu "bitte schauen sie mich nicht so an, als würde ich gleich Amok laufen. Das macht mir Angst"
"Ach"
Sie verschenkte die Arme.
"Du? Mit so etwas gibt sie sich ab?" Anscheinend hatte sie auch eine arrogante Seite. Ich mochte sie immer weniger.

Sie ließ mich ins Haus, schien es aber nicht für nötig zu halten, mir zu sagen, wo ihre Tochter war. Ich blickte mich ein wenig verloren im Flur um. Er war in blassen Passeltönen gestrichen und mit keinem einzigem Bild geschmückt. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, dass diese Familie Kinder hätte, wenn ich es nicht besser gewusst hätte. Glücklicherweise kam Elizabeth kurz darauf die lange Wendeltreppe herunter.
"Mia"
Ich konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten.
“Ja, das ist mein Name. Vermutlich...“ "Gut, hast du dich an unsere Verabredung erinnert"
Sie deutete mir ihr zu folgen.
"Sag mal, weiß deine Mutter eigentlich, dass du einen... Wahrsagerservice betreibst?"
"Ja"
Sie schaute mich nicht einmal an, als sie antwortete.
"Und stört sie das nicht?"
"Nö. Warun sollte sie auch nur irgendwas stören, was ich tue?"
Damit war das Thema gegessen. Ich versuchte mir vorzustellen, was Bea in solch einer Situation sagen würde. Begeistert wäre sie wahrscheinlich nicht.

Elizabeth hatte, wie nicht anders erwachtet ein großes und teuer eingerichtetes Zimmer. Sofort ließ sie sofort rücklings auf das weiße Bett fallen, während ich zunächst etwas unsicher im Türrahmen stehen blieb. "Und was machen wir jetzt?"
"Reden"
Das hätte ich mir auch denken können.
"und worüber genau?"
Elizabeth krempelte ihren Ärmel hoch und entblößte das Schattentatoo. "Darüber. Zeigst du mir deins?"
Ich runzelte die Stirn.
"Ich hab so etwas nicht"
Sie setzte sich auf, strich sich die Haare glatt und blickte mich an.
"Was? Aber du bist doch der Feuerschatten, oder?"
Ich zögerte kurz.
"Ja... Also glaub ich zumindest..." "Dann ist es unmöglich dass du keines hast"
"Wieso?"
Ging sie tatsächlich davon aus, dass ich mich für so etwas tatoowieren  lassen sollte? Hätte ich mir für immer Schatten auf den Bauch schreiben lassen sollen oder wie? Elizabeth blickte mich mit schiefgelegtem Kopf an, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
"Weißt du was einen normalen Menschen zu einem Schatten macht?" "Werden die nicht als Schatten geboren, so wie die Elemente?"
Sie hatte ein zartes Mädchenlachen.
"Nein. Es ist komplizierter. Viel komplizierter"
Ihre Stimme klang ganz seltsam und ich war mir plötzlich nicht mehr so sicher, ob ich mehr wissen wollte. Okay, das war ich mir die ganze Zeit schon nicht gewesen.
"Ein Schatten zu werden, erfordert eine lange Reihe von Ritualen und lauter kompliziertem Zeug. Ziemlich interessant und unglaublich faszinierend"
"Schwerer als Gläserücken?"
"Viel schwerer"
Hatte ich schon erwähnt, dass ich Elizabeth ziemlich gruselig fand? "Aber... so etwas hab ich nie gemacht, daran würde ich mich doch erinnern" "Vielleicht haben deine Eltern das mit dir gemacht als du noch ein Baby warst"
Noch ein Punkt auf der Liste Warum ich meine leiblichen Eltern unbedingt suchen sollte.
"Und seit dem du Jakes Schwester bist..."
"... Adoptivschwester"
"... hat sich das mit dem Feuerschatten erst richtig ausgeprägt. Warum weiß ich auch noch nicht" "Kann es eigentlich mehrere Schatten von einem Element geben?"
Elizabeth schüttelte den Kopf.
"Nein. Das ist ja gerade das gefährliche an dem Ritus. Das was ihm dieses gewissen Nervenkitzeln gibt"
Aha. Ich schluckte. Elizabeths verstollenes Lächeln machte mich nervös.
"Ich versteh nicht warum du kein Tatoo hast, aber ich finde, du solltest eins bekommen"
"Eigentlich, bin ich mit meinem tatoofreiem Leben ganz zufrieden" Ich wich sicherheitshalber etwas zurück in Richtung Tür.
"Es wird ganz schnell gehen und du wirst fast nichts merken"
Das waren ja die typischen Horrormörderworte. Gleich nach "Nein, es ist niemand im Haus" und "Geh Schlafen"
"Ich... ich hab vergessen", versuchte ich das nahende Unheil abzuwenden "...dass ich sofort wieder gehen muss weil...weil..."
Ich wich noch weiter zur Tür und versuchte möglichst viel Abstand zwischen mich und diesen Lächeln zu bekommen.
"...weil ich noch einen Termin habe. Beim... äh... Zahnarzt"
Ich drückte die Türklinke nach unten, doch die Tür ließ sich nicht mehr öffnen. Sie war, aus mir unbekannten Gründen eingefroren. Na toll, der einzige Fluchtweg auf eine unheimliche Weise versperrt, genau das, was sich jeder Selbstmörder wünscht. Ich versuchte mir den Schweiß von der Stirn zu wischen und meinen rassenden Puls unter Kontrolle zu bekommen.
"Warst du das mit dem Eis...?"
Elizabeth nickte.
"Na los, ruf das blaue Feuer, Mia" Toller Plan. Er hatte nur einen Haken. "Wie? Ich weiß nicht wie ich das machen soll..."
"konzentrier dich auf das Gefühl, was du hattest, als es die letzten Male aufgetaucht ist"
Langeweile? Ich sollte das Feuer mit Langeweile rufen? War das dann Die Macht der Langeweile, oder was? Ich versuchte mich zu konzentrieren, aber wie erwachtet passierte nichts. "Versuche es noch einmal"
Wieder kein Erfolg. Elizabeth kniff die Lippen zusammen. Sie schien ziemlich enttäuscht zu sein, anscheinend hatte sie mehr von mir erwartet. So wie immer alle mehr von mir erwachtete hatten. Wütend schloss ich die Augen. Es konnte doch nicht so schwer sein sich auf Langeweile zu konzentrieren! Meine Innereienen krampften sich zusammen. Ich hörte einen wütenden Aufschrei und registrierte erst später, dass der von mir selbst stammte. Um mich herum wurde es heiß, als stände ich plötzlich in einem Becken voller glühender Kohlen.
"Mia, es brennt!"
Ich riss die Augen auf. Um mich herum flackerten Flammen. Doch keine leblose blauen, sondern warme, lebendige. Sie schienen den Boden nicht zu berühren.
"Hast du die Flammen gerufen?" "Äh... Ja... Nein... keine Ahnung!"
Ich brannte. Ich BRANNTE!
"Aber, sie sehen so...normal aus. Gar nicht wie Schattenflammen"
Ich zuckte mit den Schultern. "vielleicht liegt das an dem Lichteinfall oder so..."
Sie sah nicht wirklich überzeugt aus, kam aber trotzdem mit einer Bastelschere auf mich zu.
"Stopp! Du willst mir doch jetzt nicht ernsthaft mit einer Kinderschere ein Tatoo stechen...?"
Sie seufzte.
"Reg dich nicht auf, ich gehe mit der Schere nur die Kontoren nach" Sie setzte an und ein heißer Schmerz jagte meinem Arm hoch.
"Autsch! Das brennt"
"Das tut es doch schon seit du die Flammen gerufen hast"
"Nein, das meine ich nicht! Nimm die Schere da weg! Bitte!"
"Ich picke dich doch nicht einmal damit"
Elizabeth hörte nicht auf mich, sondern malte mit unsichtbaren Linie das Tattoo von Nady auf meine Unterarm. Ich wartete auf ein Wunder, doch es passierte wieder nicht.
"Warum...?"
Blaue Eiskristalle bildete sich auf meinem Unterarm. Es war seltsam und beängstigend in Flammen zu stehen und gleichzeitig einen fast eiskalten Arm zu haben.
"Hier läuft irgendetwas falsch", stellte Elizabeth fest.
"Du wirst es nicht glauben, aber das ist mir auch schon aufgefallen" "Vielleicht ist die Schere nicht spitz genug..."
"...vielleicht ist es auch einfach eine ganz, ganz dumme Idee"

Langsam schien sogar Elizabeth zu bemerken, dass ich von der Idee mit dem Tattoo nicht sonderlich angetan war. Wow, das hatte sie ja wirklich schnell bemerkt...
"Weiß du..."
Sie klang schnippisch und ein wenig beleidigt.
"...wenn du deine Schattenseite, etwas wofür andere Leute morden würden, wirklich verleugnen und unterdrücken willst, dann geh doch!" "Wenn du die Türe nicht tiefgefroren hättest, hätte ich das schon längst getan!"
Elizabeth schaute mich wütend an. "schön!"
"Danke"
"Bist du denn kein bisschen stolz darauf, der Feuerschatten zu sein?" "Nein"
Sie schnaubte verächtlich.
“Kein Wunder, wo du immer wieder mit Alice und ihrer Clique zusammen bist. Du scheinst einfach nicht zu verstehen, dass du nie wie sie sein wirst“
Ihre Worte taten mehr weh, als ich es mir selbst eingestehen wollte. Ich konnte ihre Miene nicht lesen, stellte mir aber vor, was sie dachte. Was für eine Verschwendung.
"Dann geh halt. Mein Eis soll dich nicht aufhalten. Aber mach vorher das verdammte Feuer aus. Hier drinnen ist es jetzt schon viel zu warm“

Ich war so glücklich dieser Situation so leicht entgekommen zu sein, dass ich zu spät bemerkte, dass ich in eine vollkommen falsche Richtung lief. Der Weg zurück nach Hause schien in meinem Kopf noch nicht richtig verankert zu sein.
"Hey Mia, Vorsicht!" 
Fast wäre ich in Phil hineingelaufen. "Was machst du denn hier?"
Er zog belustigt eine Augenbraue hoch.
"Ich wohne hier...?"
Oh Mann, ich war tatsächlich in die Richtung von Phil und Alices Haus gelaufen. Zufall? Schicksal? Oder einfach mein mangelnder Orientierungssinn? Phil hatte wieder dieses Grinsen drauf und ich wurde an das Foto von gestern erinnert. Er musterte mich von oben bis unten, verkniff sich aber einen Kommentar zu meinen leicht verkohlten Hosenbeinen. Was machte er auch hier draußen? Ich bemühte mich möglichst normal zu wirken und nicht wie jemand, der gerade vor einer wirklich bösen Bastelschere geflüchtet war.
"Und Mia, wie war dein Tag so?"
Ich überlegte kurz.
"Brenzlig..."

Ich weiß das ist jetzt nicht so der Bringer... beim nächsten Mal wirst besser ^^

Im Kreis der Elemente {Unüberarbeitete Fassung} Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt