▪︎Kapitel 7▪︎

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Gewidmet Wolfs-Pfote

Kate hielt den Atem an und wartete auf den stechenden Schmerz der Säbelspitze, der in den nächsten Sekunden ihre Haut durchbohren würde. Sie wartete und wartete. Als nach mehreren Sekunden nichts geschah, öffnete sie vorsichtig die Augen.       

Das erste, was sie sah war Jeromy, der seinen Säbel, an dem bereits Blut klebte,  in den Bauch des Soldaten stach. Blut spritzte auf Jeromys weißes Hemd, als er den Säbel kurz darauf wieder aus dem Bauch des Soldaten heraus zog. Der tote Körper sackte auf den Boden.   
  
Kate wusste nicht wie sie reagieren sollte. Sie atmete erleichtert aus und war ihm einfach nur dankbar, dass er ihr Leben gerettet hatte. Sie sah ihn an und entdeckte einen roten Strich in seinem Gesicht, der sich von seiner Stirn seitlich hinunter bis zu seinem Mund zog. Kate hoffte, dass die Wunde nicht allzu tief war und er keine Narbe von ihr tragen würde. 

Jeromy kam auf sie zu und warf ihr einen leicht besorgten Blick zu. "Bist du ok?"
Kate nickte nur und raunte ihm ein leises:
"Danke", zu.
An Jeromys Lächeln erkannte sie, dass er sie durchaus gehört hatte. 

Nach einer halben Stunde hatten die Piraten schließlich das Passagierschiff eingenommen und trugen schnell die Schätze, Lebensmittel und den Rum auf die Black Blood rüber.
Erst jetzt bemerkte Kate wie viele Tote der Kampf mit sich gebracht hatte. Sie zählte zehn Piraten,  zwanzig Soldaten und sonst viele Verwundete.
Die Passagiere wurden auf dem Schiff gelassen außer Vier.
Kate verstand nicht wieso gerade die vier an Board der Black Blood bleiben durften, aber das war ihr in diesem Moment auch gleichgültig. 

Sie suchte jemanden ganz anderen. Peter.
Wann hatte sie ihn zuletzt gesehen?
Auf dem Passagierschiff?
Aber wo war er? 

Kate suchte verzweifelt das gesamte Passagierschiff nach ihm ab. Doch vergebens.
Sie wusste, dass sie ihn bald finden musste, denn sonst würde er mit dem Passagierschiff und dessen Besatzung in die tiefen des Ozeans gezogen werden. 

Nach einer Weile wurde sie panisch. Das Schiff begann bereits langsam unter zu gehen.
An mehreren Stellen drang bereits Meerwasser in die Kabinen.
Trotzdem weigerte Kate sich das Schiff zu verlassen.
Sie konnte und durfte das nicht. Peter war ihr bester Freund.
Sie konnte ihn nicht im Stich lassen. Sie musste ihn finden. Tränen stiegen ihr in die Augen als sie so laut sie konnte zu schreien begann:
"Petaaaaaa! Petaaaa!"

 Zum zehnten Mal raste sie Treppen rauf und runter, stieß Türen auf, um am Ende wieder an Deck zu landen.
Kate fuhr sich mit beiden Händen durch ihre schwarzen Locken.
Sie schmeckte einen salzigen Geschmack im Mund.
Die Tränen hatten ihren Mund erreicht.
Sie flossen wie ein Wasserfall ihre Wangen hinunter.

Was konnte sie tun?

Sie konnte ihn nicht zurück lassen.
Aber, wenn sie das Schiff jetzt nicht verließ würde sie sterben. Die Situation war aussichtslos. 

Niemand von den Piraten würde sie vermissen, wenn sie mit dem Schiff unter gehen sollte.
Außer einer. Jeromy.
Und er würde nicht zulassen, dass sie auf dem Schiff blieb.
Plötzlich, zog er sie am Arm mit sich.

"Komm Kate. Das Schiff ist geplündert und wird jeden Augenblick sinken.
Wir müssen jetzt hier runter oder willst du ersaufen?!"

Kate versuchte sich loszureißen. Sie wehrte sich und schlug ihm wütend auf die Hand, die ihren Arm umklammerte.
Aber Jeromys Hand löste sich nicht von ihrem Arm.
Es war fast so, als würde er ihre Schläge gar nicht spüren. 

"Ich werde nicht zulassen, dass du dich umbringst!", sagte er und schaute sie dabei ernst und besorgt aus seinen blauen Augen aus an.

Kate wusste, dass er Recht hatte. Sie wollte nicht sterben, aber sie konnte das Gefühl nicht ertragen, dass sie Peter für immer verlieren würde.
Sie drehte sich ein letztes Mal um und hoffte, dass Peter aus irgendeinem Versteck hervor kommen und zu ihr laufen würde. Sie wartete und wartete noch eine weitere Sekunde.
Doch nichts geschah.
Peter war weit und breit nicht zu sehen. 

Dann wurde sie von Jeromy gepackt und trotz ihrer Bemühungen auf die Black Blood getragen.
Als sie neben Jeromy auf der Black Blood stand lehnte sie an der Rehling und musste mit ansehen wie das Passagierschiff langsam immer tiefer sank und schließlich ganz unterging.
Und mit ihm Peter.

Sie schämte sich und fühlte sich wie eine Verräterin.

Wieso hatte sie sich von Jeromy auf die Black Blood bringen lassen?
Warum hatte sie nicht ihren Säbel gezogen und ihn zu einem Kampf herausgefordert?

Sie hatte Peter im Stich gelassen. Peter war wegen ihr gestorben. Sie war Schuld daran, dass Peter sich der Mannschaft der Black Blood angeschlossen hatte.
Das alles hatte er nur wegen ihr, Kate, gemacht.
Er war immer an ihrer Seite gewesen.
Nie hatte er sie allein gelassen. Peter war der Einzige, der sich für sie gegen ihren Vater Captain Blutsäbel gestellt hatte. 

Kates Selbstmitleid und Schuldgefühle nagten an ihr. Sie war wütend und suchte einen Sündenbock. 

"Wieso hast du mich nicht einfach in Ruhe gelassen?
Du hast alles kaputt gemacht.
Ich hätte ihn finden können.
Du hättest mir nur ein paar Minuten länger geben müssen. Wieso hast du es nicht? Warum?" 

Aus ihrer Verzweiflung heraus hämmerte Kate mit den Fäusten auf Jeromys Brust herum.
Er wehrte sich nicht und schaute sie einfach nur an.
Kate schlug ihm schließlich ins Gesicht, um anschließend selbst auf den Boden zu sinken.

Sie konnte nicht mehr.
Sie kauerte sich zusammen, zog die Beine an die Brust und legte ihren Kopf auf ihre Beine.

"Ich hab ihn verloren.
Meinen besten Freund", schluchzte sie und versteckte ihr Gesicht in ihren Händen.

Sie wollte nicht weinen.
Sie wollte nicht, dass die Piraten sahen wie schwach sie war. Aber sie konnte einfach nicht anders. Sie konnte es nicht verhindern. 

Sie fühlte Jeromys Hände auf ihren Beinen.
"Hey. Alles ist gut. Beruhig dich."

Kate schüttelte entsetzt den Kopf. "Nichts ist gut!
Er ist Tod.
Jetzt geh und lass mich!", schrie sie ihn an. Kate konnte sehen, dass sie ihn zutiefst mit ihren Worten verletzt hatte, doch das war ihr egal.

Sie wollte ihn in diesem Moment einfach nicht sehen.
Sie wollte mit ihrem Schmerz allein bleiben.

PIRATENTOCHTER  Ungewisse SchatzjagdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt