VI

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Es vergingen einige Monate. Meine Eltern hatten Nick inzwischen besser kennengelernt und mochten ihn, mehr oder weniger.
Wir waren ab und zu in der Schule, manchmal nicht. Diesmal war das letzte mal einige Wochen her.

Ich hatte ja keine Ahnung..

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Es war Freitag und wir waren bei Kev und Gloria. Ich wusste, dass Glo nicht nüchtern bleiben würde.

Ich saß auf Nicks Schoß, als wir alle so high waren, dass wir nicht wirklich reden konnten, und ich liebte es, auch wenn ich meine Augen nicht offen halten konnte. Ich hatte schon ziemlich viel im Blut, und wollte trotzdem mehr. Mittlerweile zog ich nicht mehr, sondern benutzte spritzen, wie die anderen.

Ich wollte gerade ansetzen, da nahm Nick sie mir weg.

,,Ich glaube, du hattest genug, Babe", sagte er langsam.

,,Aber ich will mehr", sagte ich.

,,Es könnte dich umbringen", argumentierte er.

,,Das wird es nicht", sagte ich und spritzte mir das Heroin in die Vene.

Ich fühlte mich sofort glücklich. Als würde ich schweben. Für einen Moment verschwamm alles und ich sah dieses riesige verdammte Licht.

In der anderen fand ich mich in einem Krankenhausbett wieder.

,,Babe", sagte Nick erfreut. Er saß neben mir.

,,Was zum Teufel ist passiert?", fragte ich.

,,Du hattest eine überdosis.", sagte er. ,,Es tut mir so leid, ich-"

,,Nicht deine Schuld. Ich hab nicht auf dich gehört. Wo sind Glo und Kev?"

Nick nahm meine Hand.
,,Sie vernichten die Beweise", sagte er sarkastisch. ,,Ich habe den Ärzten schon gesagt, dass wir auf einer Party waren und jemand etwas in unsere Drinks getan hat."

In der nächsten Sekunde kamen meine Eltern herein.

,,Oh gott", weinte meine Mutter. ,,Es geht euch gut! Gott sei Dank!"

,,Sie haben gesagt, wann immer du dich danach fühlst, kannst du gehen.", erklärte mein Vater. ,,Du scheinst stabil zu sein."

Ich nickte und versprach Nick, dass wir uns am nächsten Tag sehen würden.

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Heute war Samstag. Mein Dad holte die Post rein und setzte sich zu uns an den Tisch.

,,Post von der Schule?", fragte mein Dad sichtlich verwirrt und schaute mich an.

Ich zuckte mit den Schultern und er begann vorzulesen.

,,Sehr geehrte Erziehungsberechtigte, leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir Ihre Tochter, Cassandra Hargreeves aufgrund zu hoher Fehlzeiten von der Schule verweisen. Sie und ein anderer Schüler haben im derzeitigen Semester insgesamt 264 Tage gefehlt. Wir sind nicht in der Lage, sie weiter zu unterrichten. Wir bedauern dies doppelt, weil Ihre Tochter sich in den  vergangenen Schuljahren  als fleißige, bescheidene, aber sehr begabte Schülerin ausgewiesen und durch ihr mustergültiges Betragen sich sowohl die volle Anerkennung der Lehrerschaft als auch die Zuneigung der Mitschüler erworben hat. Wir wünschen ihr auf ihrem Weg alles gute."

Meine Eltern starrten mich an.

,,Cassandra... ist das wahr? Hast du die Schule die ganze Zeit geschwänzt?"; fragte mein Vater.

Anstatt etwas zu sagen, rannte ich aus dem Haus. Ich musste mit Nick reden. Ich rannte, bis ich an seine Tür boxen konnte und er verwirrt öffnete.

"Hey, was ist los?".
"Wir sind von der Schule geflogen", platzte es aus mir heraus.

Nick seufzte tief und rieb sich die Augen. Er schien müde zu sein.

,,Oh, wow", sagte er und runzelte die Stirn. ,,Und darüber regst du dich auf, weil..?"

Ich seufzte und wir gingen in sein Zimmer.

,,Hast du den Brief noch nicht bekommen?", fragte ich ihn.

,,Ich glaube nicht. Hey, beruhige dich, alles wird gut, wir kriegen das schon hin. Lass uns einfach etwas Spaß haben. Es bringt dir nichts, jetzt auszurasten."

,,Aber wo ist deine Familie?", wollte ich wissen.

,,Mach dir keine Sorgen um sie. Travis und Mum sind bei der Arbeit, Alicia in der Schule und Chris ist bei seiner Mum."

Ich nickte.
,,Okay."

Da waren wir also. wieder auf Drogen, in Nicks Bett, als es anfing an der Tür zu klopfen, immer und immer wieder.

Nick lief zu Tür, und ich konnte meinen Vater Brüllen hören. Zwar nur Bruchteile wie ,,Ausgehülltes Buch" und ,,Tüte" aber ich wusste, ich war am Arsch.

Ich rannte zur Tür und mein Vater starrte mir direkt in die Seele.

,,Ich habe dein Zimmer durchsucht um rauszufinden was mit dir los ist und das Buch gefunden, welches du ausgehüllt hast, Fräulein. Ich hab die Tüte mit dem Heroin gefunden."

Oh nein..

,,Weißt du, was dir blüht? Du wirst in den Entzug gehen. Und danach werden wir nach Port Orchard ziehen. Du wirst dort zur Schule gehen, das College besuchen und du", er zeigte auf Nick. ,,Du hälst dich von ihr fern. Ich wette, wegen dir hat das alles überhaupt angefangen."

Nick sah mich an. Tränen in seinen Augen.

,,Ja, Sir. Ich habe ihr das alles gezeigt. Sie haben Recht."

Ich keuchte.
,,Nein, nein Nick, das musst du nicht tun", sagte ich mit zitternden Stimme.

,,Ich muss, Cassy. Werd' für mich nüchtern, lebe dein Leben dort drüben in Port Orchard. Wir werden uns wiedersehen, eines Tages, wenn die Zeit reif ist. Ich liebe dich, Cassy. Ich liebe dich so sehr. Das werd ich immer."

Er küsste mich auf die Stirn und sah zu, wie mein Vater mich in sein Auto zerrte. ich weinte die ganze Fahrt über.

Das wars einfach..

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,,Du hast die Möglichkeit den Entzug in einer Klinik zu machen, oder unter ständiger Beobachtung hier.", erklärte mein Vater.

,,Ich mache es hier", sagte ich widerwillig.

,,Gut", sagte meine Mutter. ,,Dein Vater sucht einen Job als Sheriff in Port Orchard. Er wird in den ersten 1-2 Tagen nicht hier sein."

Ich nickte.

Die ersten 5 Stunden ohne irgendwas waren in Ordnung, weil ich reste im Blut hatte, aber danach fing die Hölle an. Ich fing an zu schwitzen. Mir wurde warm und kalt gleichzeitig. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich nicht bewegen konnte, und musste meine Mutter mehrmals rufen, weil ich mich übergeben hatte, ohne es zu merken.

Die darauffolgenden Stunden weinte ich, und hatte Entzugserscheinungen. Halluzinationen.

Mein Magen schmerzte wie verrückt. Meine Hände zitterten unkontrolliert. Ich hörte ständig Stimmen und Schreie.

Ich weiß nicht, wann es aufhörte. Ich erinnere mich nur daran, dass meine Mutter jede Stunde nach mir sah. Dad wurde der neue Sheriff in Port Orchard, wir fanden ein Haus und dann saß ich im Auto und sah zu, wie Los Angeles und mein altes Leben in der Sonne verschwand.

Auf meinem Handy schaute ich mir während der Fahrt die Erinnerungen der letzten Monate an. Ich behielt sie. Ich musste einfach.

C A S S YWo Geschichten leben. Entdecke jetzt