VII

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Mein Vater hatte mir sofort eine neue Handynummer besorgt, damit niemand mich kontaktieren konnte und ich musste in seinem Beisein alle Kontakte löschen.

Das neue Haus war groß, aber mein neues Zimmer war hässlich. Es hatte solche schrägen Wände und solche hässlichen alten Holzdielen anstelle von Jalousien. Egal wie gut ich es eingerichtet hatte, es blieb mir irgendwie fremd. Sehr sogar.

Nun lebte ich hier. 18 Stunden von Los Angeles entfernt.

Mir ging es nicht gut damit.

Hier gab es für mich nichts zu sehen und nichts zu tun. Es war zu still. Es war zu einsam. Ich konnte es nicht ertragen, so allein zu sein.
Die meiste Zeit verbrachte ich in der Bibliothek. Ich las Bücher dort. Und ich las Zuhause die Bücher, die ich im Laden gekauft hatte, und dann in der Bibliothek noch einmal.

Ich fing in einer Schule in der Nähe meiner Straße neu an und es lief gut. Ich war dort ziemlich Beliebt. Einige Leute Riefen mich mit einem Spitznamen.  "Los Angeles", weil sie es nicht gewohnt waren, dass leute von so weit her zogen.

Manchmal fragten mich die Leute nach meinem Liebesleben, und ich schwor mir, wenn ich Nick jemals erwähnte, erwähnte ich ihn als meinen ehemaligen besten Freund. Nicht mehr und nicht weniger.

Außerdem hatte ich im Laufe der Monate wieder eine stabile Beziehung zu meinen Eltern entwickelt. Aber einige Sachen fehlten mir aus meinem alten Leben. Meine Freunde, Parties, mein altes Zimmer, das Grab meiner Schwester..

Deshalb wurde ich mit jedem Tag, den ich hier verbringen musste, deprimierter. Und ich vermisste es, mit Nick zu reden. Aber meine Eltern haben mir immer gesagt, dass es besser wäre, wie es gerade war. Ich glaubte das nicht.

Die Zeit verging immer schneller, und ich wurde immer unglücklicher.

Ich hatte zwar viele Freunde, aber keiner von denen war so, wie ich.

Keiner von ihnen würde es verstehen. Keiner von ihnen hatte das durchgemacht, was ich durchgemacht hatte.

Ich versuchte, in den Büchern Trost zu finden. Ich las viele von ihnen und schlief dann ein. Ich schlief wie ein Toter und träumte, dass ich wieder zu Hause war und sich nichts geändert hatte.

Wenn ich aufwachte, weinte ich meistens.

Manchmal, wenn ich das alles nicht mehr ertragen konnte, nahm ich eine Rasierklinge und schnitt mich.

Das habe ich normalerweise in diesen Nächten getan.

Ich hätte nie gedacht, dass es einfacher sein würde, sich selbst zu verletzen.

Die Sache ist die, dass ich irgendwann süchtig war.

Es war eine Sucht. Nicht so eine Sucht, wie ich nach Heroin hatte, nein. Das mit den klingen war eine stärkere Sucht.

Das Gefühl, das man hat, wenn sich alles um einen herum verändert, damit konnte ich nicht leben.

Das Leben wurde hart. Die Schule wurde langweilig. Und trotz allem habe ich es geschafft. Ich habe meinen Abschluss gemacht.

Kurz vor dem College brachten mich meine Eltern in die Psychiatrie. Drei verdammte Wochen vor dem College habe ich versucht, mich umzubringen.

Mum fand mich. Dad rief den Krankenwagen.

Zwei Wochen war ich da drin. Zwei Wochen in denen ich täglich gefragt wurde, wie ich mich fühlte. Zwei Wochen in denen man mir sagte. Es würde besser werden.

Bullshit. Ich entließ mich selbst. Sagte mir, hey, du machst das College und ziehst zurück nach Los Angeles. Aber das Universum hatte andere Pläne für mich.

Ich hatte mich irgendwann daran gewöhnt, ein langweiliges Leben zu führen und irgendwann habe ich versucht, wie meine neuen Freunde zu sein, und sie haben manchmal richtig coole College-Partys veranstaltet.

Die haben wirklich Spaß gemacht. Aber manchmal sah ich meine Freunde an, trank Bier oder so, und am Ende weinte ich nur noch.

Ich habe versucht, so zu leben wie sie. Das habe ich wirklich, WIRKLICH versucht.

Nach ein paar Jahren war ich überfordert.

Ich wollte keine Architektin oder Malerin werden.

Das Einzige, was mich interessierte, war, dem eintönigen Leben zu entkommen, der Langeweile zu entkommen. Meine Eltern versuchten, mir dabei zu helfen, aber sie konnten es nicht verstehen.

Sie verstanden nicht dass lernen, Essays schreiben und zu versuchen sich anzupassen mir nicht gefiel.

EInes Tages verlor ich beinahe vor Überforderung den Verstand. ich versuchte, cool zu bleiben, aber ich wollte mit niemandem reden. Draußen regnete es, und mit einer dünnen Jacke bekleidet saß ich am Straßenrand, und starrte auf meine Arme.

"Hey, kann ich dir helfen?"

Ein blonder Junger Mann stand vor mir.

"Ich bin Jasper... Warum sitzt du hier ganz allein im Regen?"

Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte er sich neben mich und spannte seinen Schirm auf.

"Danke", flüsterte ich.

"Kein Problem."

Wir saßen eine Weile schweigend zusammen.

"Also, äh, verrätst du mir deinen Namen?", fragte er mich.

Ich lächelte leicht.

,,Sorry", sagte ich. ,,Ich bin Cassy. Cassy Hargreeves."

,,Schöner Name", sagte er. ,,Und, Cassy Hargreeves, warum sitzt du ganz allein im Regen?"

Ich seufzte.

,,Ich glaube, ich werde wahnsinnig."

Jasper hob leicht verwundert die Augenbrauen, dann schüttelte er den Kopf.

,,Ich glaube, jeder Mensch ist ein wenig wahnsinnig, auf seiner Art undWeise. "

Ich lachte bitter auf.

,,Ich bin krank."

Er sah mich eindringlich an.

,,Bist du das?"

,,Irgendwie schon."

Er zuckte mit den Schultern und lächelte leicht.

,,Nun, das ist in Ordnung. Du wirst wieder gesund werden. Wenn du willst, helfe ich dir dabei."

,,Ich bin mir nicht sicher, ob du helfen kannst...", sagte ich und sah auf meine Hände hinunter.

,,Vertrau mir", lächelte er. ,,Ich kann helfen. Ich glaube, du könntest jemanden gebrauchen, der bei dir ist."

Und da sind wir dann gelandet. Er half mir wirklich von Zeit zu Zeit immer mehr.

Und ich mochte ihn sehr. Wir wurden richtig enge Freunde. ich fing an, regelmäßig zur Therapie zu gehen, weil er mich begleitete.

Meine Eltern liebten ihn, und ich begann, Gefühle für ihn zu entwickeln. wir sprachen viel über die Liebe, das Leben, unsere Hoffnungen und träume. aber ich war noch nicht bereit für etwas anderes.

Aber ich brauchte ihn. ich brauchte jemanden, mit dem ich alles teilen konnte. Jemanden, der mich verstehen konnte. Jemanden, der mich nicht verurteilen würde.

Jemand, der mir helfen konnte, das durchzustehen. Jemand, dem ich mein Leben anvertrauen konnte. Ich brauchte nie jemanden, der das Feuer in mir löschte, ich brauchte nur jemanden, der damit umgehen konnte. Und das war er.

Irgendwann kamen wir dann in eine Beziehung. Ich hatte meine Zweifel und meine Ängste. Ich war noch nicht ganz bereit dafür, aber er ging es langsam mit mir an und zeigte mir, dass diese hässliche Stadt sehr schön sein kann, wenn ich versuche, Los Angeles loszulassen.

Und das schaffte ich.

C A S S YWo Geschichten leben. Entdecke jetzt