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"Und?" Meine Stimme durchbrach die Stille im Raum. Der Mann vor mir blickte von der Karte auf und schenkte mir ein freundliches Lächeln.
"Ich weiß nicht. Das Lachsfilet hört sich ganz gut an...", entschied er nach gefühlten zehn Minuten, in denen er das in Leder eingebundene Stück Papier angestarrt hatte.
"Klar, mit Nudeln, Kroketten, Gratain... ?", erwiederte ich sein Lächeln und zückte meinen Notizblock während seine Freunde sich über sein verdutztes Gesicht lustig machte.
"Naja, zu der Sauce würde ich persönlich Gratain empfehlen. Aber ist ihre Sache.", schlug ich vor. Dankbar nickte er mir zu.
"Machen wir so, würd ich sagen."
Während seine Kollegen ihn weiter aufzogen, dass er beim Essen anscheinend nie schnelle Entscheidungen treffen konnte, notierte ich die Bestellung.
"Sonst alles in Ordnung bei ihnen?"
Lachend nickten alle, also steckte ich den Block weg, ging im Kopf alle Bestellungen durch und gab sie an die Küche weiter nachdem ich den Raum durchquert hatte. Dann machte ich die Getränke fertig und brachte sie zurück an den Tisch. Die Gruppe von Männern und Frauen waren an diesem Abend die einzigen Gäste, sie hatten das Lokal reserviert obwohl sie es nicht ganz füllten. Deswegen war es auch nur im hinteren Teil etwas lauter, vorne war es so still, dass ich Teils, wenn zwischendurch nichts zu tun war, heimlich hinter der Theke lesen konnte. Zwischendurch war das Essen fertig und als ich es brachte machte ich den ein oder anderen Witz mit, aber an diesem Abend war wie erwähnt alles weitestgehend ruhig und es passierte nichts wirklich Spannendes.
"So, brauchen die Herren vorne noch etwas oder können wir die Küche zumachen?", fragte mich plötzlich Danny, unser Chefkoch, von der Seite als ich mit dem Rücken zu den Gästen stand und Speisekarten sortierte.
"Ne, ich denke ihr könnt Feierabend machen. Groß findet hier außer der ein oder anderen Runde Korn nichts mehr statt.", grinste ich und Danny lachte auf.
"Na gut, der Chef ist ja auch noch da.", deutete er mit dem Kinn zu Quinn, welcher mit bei den Gästen saß und sich amüsierte.
"Ansonsten... Nachtisch ist noch in der Kühltheke, Eis findest du da auch, Minze und geschnittene Zitronenscheiben sind im Kühlschrank... ich glaube damit hast du alles da, oder?"
"Das dürfte mehr als genug sein, danke Mann." Wir verabschiedeten uns noch und nachdem Danny und die restliche Küchencrew sich auch vom Chef und den Gästen verabschiedet hatten, schlossen sie die Küche endgültig. Ich lehnte mich gegen die Theke und beobachtete die Gäste. Irgendwie kamen sie mir bekannt vor, aber ich wusste nicht genau warum. Quinn schienen sie jedenfalls zu kennen, denn der saß mit rotem Kopf und zwischen ihnen und hatte mindestens so viel Spaß und Alkohol intus wie die anderen, die teils schon leicht am Nuscheln waren. Ich bemerkte, dass einer der Männer immer wieder zu mir herrüber blickte, aber als ich meinen Blick noch einmal über den Tisch schweifen ließ schienen alle noch genug zu Trinken zu haben, also ließ ich mich erneut auf einen der Lederhocker hinter dem Tresen nieder und laß unauffällig mein Buch weiter, als plötzlich mein Chef vor mir stand.
"Na du Leseratte?"
Ich sah wiedermal auf und lächelte.
"Irgendwas muss man ja für seine Allgemeinbildung tun, wenn man schon in so 'nem Laden hier verrotet", streckte ich ihm frech die Zunge entgegen.
"Na pass auf was du sagst, Josh.", lachte er. Zu meinem Glück war er locker und verstand meinen Humor.
"Wenn du willst, dann kannst du Feierabend machen mein Junge. Du langweilst dich ja eh nur hinter dem Tresen hier." Während er das sagte ging er um besagtes Teil und stellte sich neben mich. Dann nahm er mein Buch, welches ich schon längst zur Seite gelegt hatte in die Hände und betrachtete es.
"Na los, hol schon deine Sachen.", lächelte er und reichte mir das Buch wieder.
"Quatsch, ich mach das hier noch. Du kannst aber gehen, wenn du willst. Auf dich wartet immerhin jemand zu Hause wenn ich da nicht falsch liege. Ob ich jetzt noch ein wenig hier lese oder zu Hause im Bett, macht doch keinen Unterschied."
Doch Quinn seufzte nur und ich blickte vom Gläser putzen, wozu ich inzwischen übergegangen war, zu dem älteren Mann mit grauem Haar und den leuchtenden Augen, die von unzähligen Lachfältchen umrahmt wurden. Ich wusste wie immer, dass ich nicht nachfragen brauchte und kaum dass ich kurz gewartet und Quinn eine Weile in den Schaum des Spählwassers geschaut hatte fing er schon an zu erzählen.
"Wenn das nur so wäre, Josh. Wenn das nur so wäre. Rachel ist inzwischen kaum noch ansprechbar, ihr Alzheimer schreitet immer weiter fort... ich weiß nicht mehr weiter. Ich meine, ich hab ja schon eine Haushaltshilfe, aber irgendwie... Gott. Entschuldige, dass ich dich damit vollquatsche." Kraftlos stützte er sich auf der Theke ab.
"Kein Problem... aber du soltest vielleicht wirklich eher nach Hause als ich. Nimm dir morgen halt frei und kümmer dich etwas um deine Frau. Oder schlaf wenigstens mal länger als bis fünf uhr in der Früh... ich schließ dann morgen hier auf und alles."
"Sicher? Ich will das nicht auf dich abwälzen, im Ernst. Noch ist das Teil hier mein Laden.", lächelte er wieder leicht und ich lachte.
"Warte nur ab mein Freund... nein Quatsch. Ich pack das schon, keine Sorge."
Überlegend sah Quinn mich noch einmal an, dann nickte er leicht und richtete sich wieder auf.
"Na gut, aber wehe du setzt hier was in Brand oder so. Wenn irgendwas ist, ruf an, okay?"
"Mach ich, Chef, und jetzt hau ab. Auf nach Hause.", grinste ich wieder und er nickte mir noch einmal dankend zu. Kurz bevor er ging hielt ich ihn aber noch einmal zurück.
"Wer sind eigentlich die Leute? Du scheinst die zu kennen."
"Ach das? Naja, die haben gerade einen Film ins Kino gebracht, 'nen sechsten Teil von irgendwas. Heute war die letzte Premiere hier... und sie wollten die nächsten Tage im Hotel unten an der Straße bleiben, deswegen hab ich ihnen hier das Restaurant freigehalten. Also.. ein paar von ihnen, die anderen wohnen Teils auch in der Stadt. Und der Regisseur ist ein alter Freund von mir. Von daher."
Ich nickte verstehend und wandte mich weiter den Gläsern vor mir zu.
"Also Sonderbehandlung."
"Wie immer, Josh."
"Klar, kennst mich doch."
"Genau das ist das Problem, Kleiner.", lachte er und boxte mir freundhschaftlich gegen die Schulter bevor er sich dann komplett zum Gehen wandte.
"Bis dann", rief ich ihm dann noch hinterher und trocknete weiter die Gläser ab. Während ich diese leise vor mich hinsummend zurück in die Glasschränke stellte hörte ich plötzlich ein Pfeifen, und als ich aufblickte wurde ich erneut zu dem Tisch gerufen, um den unsere Gäste versammelt saßen. Damit alle Platz hatten mussten wir heute fünf Achtertische zusammenschieben, was recht viele waren. Allerdings wunderte es mich auch nicht unbedingt, dass sie hierher kamen - auch wenn der Regisseur ein alter Freund Quinns war;  immerhin war das Restaurant eines der edelsten der Stadt. Sofort ließ ich alles stehen und liegen und ging wieder zum Ende das Raumes. Lächelnd sah ich in die Runde.
"Was kann ich ihnen bringen?"
"Ehhm... 19 Biere, vier große Wasserflaschen... ehhm... eine Apfelschorle und... was war das andere noch? Ich glaub zwei Sekt, ja genau. Bitte.", bestellte ein muskulösiger Glatzkopf mit tiefer Stimme.
"Oh, und dann bräuchten wir noch deine Nummer."
Verdutzt sah ich auf.
"Ehm... 'tschuldigung?"
"Na deine Nummer, für den Typen da hinten rechts. Der ist zu schüchtern um selbst zu fragen."
Verwirrt sah ich zu besagtem Mann, genau dem, der sich eben nicht zum Essen hatte entscheiden können. Schwarze kurze Haare, grün-braune Augen, Bart... und gerade vollkommen rot anlaufend - das allerdings eher weniger vom Alkohol, so wie bei manchem anderen in diesem Raum.
"Ehh... also die Getränke können sie von mir aus haben...", stotterte ich, was zu allgemeinem Gelächter führte. Ich grinste verlegen und stapfte davon. Was zum Henker war das gerade... ?! Schnell machte ich die Getränke fertig und brachte sie zurück an den Tisch, und um jegliche Konversationen in Richtung eben zu vermeiden verschwand ich auch schnell wieder hinter dem Tresen. Ach ja, wie entzückend betrunkene Leute doch waren. Mit immernoch leichter röte in den Wangen widmete ich mal wieder meinem Buch, aber immer wenn ich aufblickte bemerkte ich, wie der Schwarzhaarige mich musterte. Schnell senkte ich meinen Blick wieder und sah dann aus dem Augenwinkel, wie er sich erhob. Ich schloss die Augen und hoffte inständig, dass er sich nur zum Klo begab. Allerdings wurde ich schnell eines besseren belehrt als kurz darauf ein Räuspern vor mir erklang.

Suddenly - Luke Evans FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt