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Irgendwann stand ich schließlich auf.
Ich hatte bezüglich Aaron einen Entschluss gefasst und trotz meines weiterhin unangenehm pochenden Kopfes schritt ich zur Tat.
Ich starrte noch einen Moment den Schlüssel in meiner Hand an welcher nun schon Jahre unangetastet an einem Haken an der Wand gehangen hatte, bevor ich mich mit einem Ruck löste und die Schlafzimmertür neben meiner aufschloss.
Eine Staubwolke und abgestandene Luft schlugen mir entgegen. Ich war erstaunt wie leicht sich die Tür öffnen lies.
Das letzte Mal das jemand dieses Zimmer betreten hatte, war am ersten Jahrestag der Beerdigung gewesen.

Alles war noch so wie damals. Nur die dicke Staubschicht verriet das dass Zimmer schon lange ungenutzt war.
Ich sah mich langsam um und betrachtete die letzten Überbleibsel eines vergangenen Lebens.
Auf dem kleinen Schreibtisch in der Ecke entdeckte ich mein altes Notizbuch. Vorsichtig hob ich es auf und fuhr mit tauben Fingern den unebenen Buchrücken entlang.
Als ich wieder aufsah blieb mein Blick an dem alten Zyren Poster an der Wand hängen. Alle der ersten Elf waren darauf abgebildet.
Man hatte das Photo auf einem unserer ersten Konzerte aufgenommen.
Ich riss mich auch von dieser Erinnerung los und öffnete stattdessen eine der Schranktüren. Ich zog die leeren Kartons heraus, überprüfte welche von ihnen noch zu gebrauchen waren und begann alles auszuräumen.

Ich war gerade dabei einen Koffer unter dem Bett hervor zu ziehen, um darin den Inhalt des Kleiderschranks zu verstauen, als ich Schritte hinter mir hörte.
Als ich mich aufrichtete sah ich Aaron in der Tür stehen.
„Du wirst ab morgen hier schlafen können.", erklärte ich und stellte den Koffer auf dem Bett ab.
Aaron musterte das Zimmer. „Kann ich helfen?", fragte er dann.
Ich winkte ab. „Ich muss die Sachen noch sortieren." Dann hielt ich kurz inne. "Wobei... Du könntest die vollen Kartons schon einmal ins Wohnzimmer stellen."
Ich begann den Kleiderschrank auszuräumen während Aaron die wenigen fertig gepackten Kartons in das Wohnzimmer stellte.

Gerade als ich einen langen schwarzen Mantel vom Bügel nahm hörte ich ein Reißen und mit lautem Gepolter ergoss sich der Inhalt des Kartons, welchen Aaron gerade angehoben hatte, auf dem Fußboden.
Ich hörte wie er einen leisen Fluch ausstieß, legte den Mantel beiseite und zog einen leeren Karton heran.
Wir begannen gemeinsam die verteilten Gegenstände wieder einzusammeln.
Aaron kniete sich hin um ein halb unter das Bett gerutschtes Bild aufzuheben. Ich beachtete ihn nicht weiter und räumte weiter ein.

Erst nach einer Weile fiel mir auf, dass er sich nicht mehr gerührt hatte.
Ich trat zu ihm herüber und erkannte das Bild in seiner Hand sofort.
Es war, wie das Poster an der Wand, eine Aufnahme Zyrens, aber im Vergleich zu diesem zeigte es die Gruppe ohne Masken oder Kostümierung. Das hieß 'Er' war ebenfalls auf diesem Bild.
Es war unvermeidlich, dass Aaron seinen Halbbruder erkannte.
Ich lehnte mich gegen die Wand und verschränkte die Arme, abwartend.
„Er ist der Grund warum du hier bist?", fragte ich schließlich nach einer weiteren Minute des Schweigens.
Aaron schreckte leicht auf und wandte den Kopf zu mir bevor er seinen Blick erneut auf das Bild richtete.
„Du warst auf der Beerdigung, richtig?", fragte er dann.
„Wie alle Anderen auch."
Aaron sah wieder zu mir auf.
„Er ist einer der Gründe warum ich jetzt hier bin.
Ein anderer warst du."
Ich hob fragend eine Augenbraue.
„Du bist der einzige aus der Gruppe der ihn noch kannte. Gabriel hatte einmal davon erzählt. Ihr ward Freunde, richtig?"
Ich schnaubte.
„Ich bin mir sicher das ist nicht Alles."
Aaron antwortete eine Weile lang nicht doch dann schien er eine Entscheidung zu treffen.

"Es war er, der schon vor Jahren das Erbe unseres Vaters hätte antreten sollen und nicht ich. Ich war dazu bestimmt als Namenloser zwischen den Häusern zu verschwinden während er eine der mächtigsten Personen der Sonnensysteme sein würde.
Stattdessen begann er zuerst Zyren aufzubauen, unabhängig von unserem Vater.
Niemand kann mir sagen warum genau er das getan hat, warum er Zyren so gut wie möglich von seinen restlichen Geschäften trennte, wo er doch in naher Zukunft alles übernehmen würde. Es gibt dafür keine logische Erklärung."
Ich blieb still doch Aaron schien auch nicht so als würde er einen Kommentar meinerseits erwarten.
„Wie dumm es auch klingen mag aber ich will es erst verstehen bevor ich meinen Namen und vielleicht sogar mein Leben an etwas binde was mich in die Tiefe reißen könnte. Meinem Halbbruder wurde nachgesagt ein Genie zu sein also muss er auch mit Zyren einen konkreten Plan verfolgt haben."
Mir war klar, dass auch dies noch lange nicht die ganze Geschichte war aber ich wusste, dass ich vorerst keine andere Antwort erhalten würde. Ich vermutete, dass ich heute Nichts weiter mehr erfahren würde.
Bereits kurz danach sollte sich dies als falsch herausstellen.

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