08 | MACHT DER GEDANKEN.

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Φύσει γὰρ ἄνθρωπος, ὃ βούλεται, τοῦτο καὶ οἴεται.
Denn von Natur aus glaubt der Mensch das, was er will.

     Denn von Natur aus glaubt der Mensch das, was er will

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DIE GÄNSE WECKEN mich. Ihre vertrauten Rufe erscheinen mir lauter als gewöhnlich, aber vielleicht ist dies auch nur dem immensen Schlafmangel verschuldet, den ich mittlerweile zu verzeichnen habe. Mal wieder bin ich erst nachts zurückgekommen. Mal wieder bereue ich es, ohne es wirklich zu bereuen. Denn mittlerweile habe ich Toivos Nummer. Und dafür lohnt es sich, dass mein Kopf brummt und ich die Augen kaum offen halten kann.

     Anstatt aufzustehen, bleibe ich auf dem Rücken liegen. Das Bett ist zu warm, zu weich, zu einladend, um es gleich zu verlassen. Mein Zimmer ist kaum erleuchtet, obwohl ich vergessen habe, die Gardinen vor das geklappte Fenster zu ziehen. Im Grunde habe ich nichts anderes von dem Wetter hier erwartet, kenne es schon fast zwei Jahrzehnte. Aber heute ist so ein Tag, den selbst ich nicht mag. Irgendwas zwischen Dunkel und Hell, Grau und Gelb.

    Weder Irgendwas noch Nichts.

     Ich zwinge mich zum Aufstehen. Setze ganz langsam die nackten Füßen auf den Holzboden, spüre die Kälte überdeutlich an den Sohlen. Als ich den Kopf hebe, begegne ich mir selbst in dem runden Spiegel an der Wand. Es hält mich auf, lässt mich innehalten, während mein Blick über mein Gesicht huscht. Tiefe Augenringe, bereits seit meiner Jugend. Krumme Nase, breiter Mund. Habe beides schon immer gehasst.

     Warum ist es manchmal so schwer, sich selbst wiederzuerkennen?

     »Wer bist du?«, frage ich mit schläfrig rauer Stimme, aber mein Gegenüber ist zu schnell. Ich kann die Antwort nicht von seinen Lippen lesen. Vielleicht versuche ich es auch nur nicht. Vielleicht will ich es gar nicht wissen.

     Ich muss den Blick schließlich abwenden, starre wieder aus dem Fenster.

     »Irgendwas und nichts«, wiederhole ich meinen Gedanken verächtlich und fühle mich auf eine bittersüße Art mit dem Wetter verbunden. Es hat etwas Vertrautes. Etwas, das ich nachvollziehen kann. Aber ich will nicht daran erinnert werden.

     Deshalb beschließe ich, dass ich den Tag nicht mögen werde. Es ist einfacher, wenn man es sich vornimmt. Dann kann man nicht enttäuscht werden.

     Ich quäle mich aus den Laken, schlurfe Richtung Badezimmer, obwohl es mir an jeglicher Motivation fehlt. Morgendliche Duschen sind nicht mein Ding, das merke ich immer wieder. Aber es ist nie absehbar, wann ich abends zurückkehren werde und ich hasse den Gedanken, einen Tag lang nicht unter dem warmen Wasser gestanden zu haben. Ich brauche es. Und deshalb musste ich anfangen, morgens zu duschen.

     Im Bad ist es kühl wie immer. Daran kann selbst das warme Wasser nichts ändern. Wieder betrachte ich mich im Spiegel. Ein blasses Gesicht starrt zurück, bis ich mich abwende und mir wieder wünsche, ich hätte das Glas vor langer Zeit einfach aus dem Raum geworfen. Die Welt wäre um einiges leichter, wenn ich mir nicht dauernd in die Augen blicken müsste.

DER FINNE UND DER GRIECHEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt