Erst als sie am Strand ankamen, formte sich in Aleas Kopf plötzlich viel klarer als zuvor der Gedanke, dass Lennox wieder bei ihr war.
Lennox war da.
Er war hier, bei ihr, und würde nicht wieder gehen.
Nach so vielen Tagen war er endlich wieder da.
Alea blickte in Lennox' schönes Gesicht, das sie gerade anlächelte. Wie hatte sie es bloß ohne ihn aushalten können? Wie hatte sie den Gedanken ertragen können, dass er für immer bei Orion sein würde?
Lennox schwieg, brauchte aber auch gar nichts zu sagen. Er war hier. Mehr brauchte dieser Moment nicht, um ein Bestmoment zu sein. Und nicht nur er war zurück – auch Thea, Nelani und Siska waren wieder da, dann auch noch ein Meerjunge, ein Stück Zukunft, ein gefundenes Puzzelstück, um die Meere wieder aufleben zu lassen! Die letzte Stunde war sie unter Strom gestanden und der Elvarion-Modus hatte keine starken Emotionen zugelassen. Und nun, als er verebbt war, prasselten sie auf Alea ein, sodass es ihr die Sprache verschlug. Der heutige Tag hatte alles verändert. Sämtliche Punkte von ihrer To-Do liste waren jetzt überflüssig und sie brauchten eigentlich „nur" noch das Gegenmittel – welches Nelani ja nun mit Aleas Blut herstellen konnte! Und Orion mussten sie auch noch bei einer Lafora richten. Sie wussten nicht, wo er war, aber sie hatten nun wieder Lennox, Siska und Nelani im Team, die alle drei gute Kämpfer waren.
„Wie wäre es mit dem da? Sieht doch schick aus, oder?" Sammy inspizierte gerade ein paar Schiffe, die am Ufer angelegt hatten. „Ist auch schön geräumig, da hat es bestimmt Platz für ein weiteres Dutzend Meerkinder..."
Ben schaute auf das riesige Schiff, das Sammy meinte. Es glich eher einer Jacht als einem klapprigen Kahn. „Und es wird natürlich niemandem auffallen, dass es weg ist", fügte er trocken hinzu.
„Ja! Und niemand wird sein Prachtstück je finden, weil es von Skorpionfischen getarnt ist! Sollen wir uns mal die Inneneinrichtung ansehen?"
Ben seufzte nur.
„Wir sollten erst mal überlegen, wie wir alle auf die Hercules drauf bekommen sollen..." In der Tat war das Beiboot nicht für neun Personen geeignet.
„Mio und Siska dürfen nicht mit Wasser in Berührung kommen", warf Nelani ein. „Alea, Thea, Lennox und ich können rüber schwimmen. Dann wäre genug Platz auf eurem Boot."
Während Alea für ihre Schwester und Lennox für die zwei Meerkinder übersetzte, sagte Sammy: „Halt, halt! Was ist jetzt mit einem neuen Schiff? Wir haben nur sechs Schlafmöglichkeiten und mit so vielen Leuten wird es sehr eng auf der Crucis! Das wollen wir doch alle nicht, oder?"
„Aber ein Schiff stehlen können wir doch auch nicht!", protestierte Ben.
„Und was schlägst du dann vor?"
„Vielleicht... können ja drei Leute auf dem Boden schlafen..."
„Oh, klasse!" Sammy klatschte gespielt erfreut in die Hände. „Ben bietet sich schon mal als Freiwilliger an! Wer will noch?"
Irgendwie hatte dann doch keiner Lust, woraufhin Lennox sagte: „Warum nehmen wir eigentlich nicht einfach ein anderes Schiff? Wir können es ja irgendwann wieder zurückbringen, dann hätten wir es nur ausgeliehen."
„O Mann, Scorpio", seufzte Ben. „Da freut man sich, dass du wieder da bist, und dann stellst du dich gleich gegen einen auf... Und ich dachte, ich hätte dich vermisst!"
„He!", rief Lennox empört und zog eine sammyähnliche, beleidigte Schnute, die Alea gar nicht von ihm kannte. „Und da denkt man, dass sich alle freuen, wenn man wieder zurück ist, und schon stellt sich heraus, dass einen niemand vermisst hat..."
„Okay, das ist nicht wahr", stellte Tess klar. „Du hättest mal Alea seh...-"
„Also stehlen wir jetzt ein Schiff oder nicht?", fragte Alea schnell, bevor Tess weiterreden konnte. Sie wollte das Thema jetzt nicht vor allen anderen aufwerfen. Außerdem hatte Sammy recht – sie brauchten ein zweites Schiff, auf das die Meerkinder konnten. Und wie Lennox sagte, sie würden es ja nur „ausleihen".
„Na gut", grummelte Ben. „Aber ohne mich! Ich rudere jetzt mit Mio und Siska zurück zur Crucis. Weil ihr ja alle so epicht darauf seid, das durchzuziehen – nur zu!" Er wiederholte seine Worte noch einmal so gut es ging auf Hajara.
„Also eigentlich würde ich auch gerne das Schiff stehlen", gab Siska zu.
„Ähm... nein danke!", war Mios Antwort. „Ich komme mit dir."
Ben raufte sich die Haare. „Na, immerhin einer, der zu einem hält!"
„Ich komm auch mit", entschied Alea. Sie hatte noch kein Wort mit Mio gesprochen und wollte das unbedingt nachholen. Zwar hätte sie sich auch gerne bei Thea und Nelani ausgeschüttet und Lennox von den letzten Ereignissen berichtet, sie wollte auf jeden Fall wissen, ob Siska ihren Vater kennenlernen konnte, aber das durfte warten. Sie hatten ein Meerkind gefunden, dem man noch so viel über die Meermenschen erzählten konnte, das vermutlich dutzende Fragen hatte und selbst bestimmt einiges loswerden wollte! Immerhin war Mio von seinen Pflegeeltern vorerst getrennt worden und hatte die letzten Tage, vielleicht auch Wochen!, auf der Straße verbringen müssen. Alea wollte unbedingt das alles mit Mio besprechen.
„Also gut." Ben steuerte die Hercules an und Mio folgte ihm. Alea wollte gerade auch loslaufen, als Lennox sie zurückhielt.
„Pass auf dich auf, ja?", bat er sie leise. „Orion plant irgendetwas schreckliches und könnte womöglich jeden Moment hier aufkreuzen... vielleicht wartet er gerade auch nur darauf, dass ich dich allein lasse, sodass er zuschlagen kann."
Alea starrte in Lennox' Gesicht. Wenn er das sagte, dann war es wirklich ernst. Dennnoch durfte sie sich jetzt nicht die Laune vermiesen lassen... gerade jetzt, wo sich doch alles zum Guten gewendet hatte!
„Die paar Schritte zur Crucis werde ich schon heil überstehen", antwortete sie Lennox. „Orion hätte längst zuschlagen können, als du noch nicht da warst. Außerdem kommt ihr ja bald wieder..."
Lennox schloss kurz die Augen, und als er sie wieder öffnete, lächelte er gezwungen. „Also gut. Es wird nicht lang dauern."
Er gab ihr noch einen flüchtigen Kuss, dann eilte er den anderen nach. Alea sah ihm hinterher, wie er sich noch einmal umdrehte, dann folgte sie Ben und Mio zur Hercules.
Und wie sich herausstellte, waren Lennox' Sorgen dieses Mal unbegründet gewesen. Wenige Minuten später stand Alea wieder auf den alten Planken der Crucis und bereitete sich gedanklich auf das Gespräch mit dem neuen Meerkind vor, das zu ihnen gestoßen war. Wie viele würden es noch werden? Waren Mio und Siska erst der Anfang? Würden sich in nächster Zeit mehrere Kinder melden, die sich mit ihnen treffen wollten?
Und wenn es so wäre, was passierte dann? Konnte Nelani wirklich ein Gegenmittel herstellen, das alle Kids immun machen würde?
Dann wäre ihr Traum in Erfüllung gegangen.
Die Meerkinder, die überlebt hatten, könnten endlich wieder in ihre Heimat zurück. Ein neues Volk würde den Grund der Ozeane wiederbeleben, angeführt von ihr, Alea Aquarius, Elvarion der ersten Generation.
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Mein Alea Aquarius 8
FanfictionAls Alea, Lennox und Darkonerin Siska in Venedig ankommen, haben sie nicht viel Zeit, sich von der letzten Woche zu erholen. Denn ein Konzert steht für die Alpha Cru an und in nur wenigen Tagen wollen sie Orion gefangen nehmen. Während Alea und die...