Wie sich Eiren und Astral in der Einöde Ral Orugias kennenlernten
Der Wind heulte um ihre starr nach hinten gerichteten Ohren. Ein Sturm zog auf und es ballten sich bedrohliche schwarze Wolkentürme am Horizont auf. Astral flog in maximaler Geschwindigkeit direkt auf sie zu. Ihre Herzen schlugen rasend schnell, versuchten alle Energie aus der vorbeiziehenden Luft zu filtern, um mit der Leistung auf eins zu kommen. Jeder Muskel arbeitete mit. Astral war ein gleißender Pfeil am dunklen Himmel. Die ganze Welt war nun ihr Feind. Sie würde nie mehr zurückkehren können in die Menschenwelt, nie mehr ihre Eltern sehen und sich nie mehr erlauben können, wieder in Menschengestalt auf Erden zu wandeln. Todesangst.
Es war ein normaler Tag auf der Lichtung im Stamm der Klingendrachen gewesen. Dies war ein prädestinierter Luft-Stamm im hohen Norden in den Felsenwänden am höchstgelegenen Teil des Orugien-Gebirges. Ihr Stammesführer war so streng, wie es die Lebensbedingungen in der kargen Steinwüste verlangten, aber gerecht. Wenig ihres Jagdgebietes ragte in fruchtbares Land. Sie mussten große Vögel aus der Luft fangen, die Nebelgeister. Wenige Steinböcke mit meterlangen Hörnern fanden sich zwischen den Felsenzacken. Jedes Beutestück musste streng verteilt werden. Die Bedürftigen mussten zuerst fressen, dann konnten die Wächter und Jäger ran, schließlich die Krieger und der Anführer sowie der Heiler. Astral war eine Wächterin im Stamm ihrer Mutter. Sie war zwar nicht stahlgrau wie die meisten anderen ihrer Sippe, doch hatte sie die typischen Rückenstacheln, lang und gebogen wie Klingen, ausfahrbar. Was sie nicht offen zeigen durfte, waren die Schwimmhäute zwischen ihren Klauen. Zum Glück musste sie ihre Klauen nicht allzu oft gebrauchen. Diesen Morgen war das anders. Bei einem ihrer üblichen Patrouillen-Flüge über die westlichen Hänge fand sie sich plötzlich einem großen Nebengeist-Männchen gegenüber. Sein goldener Schnabel knackte und das schwarzgraue Gefieder bauschte sich gegen die Kälte, aber auch zur Einschüchterung, auf. Der Vogel war mindestens so groß wie Astral. Er saß auf einer Felsspitze, vereinzelte Schneeflocken umwehten ihn und seine orangenen Augen musterten die Drächin feindsehlig. Er stieß einen Faucher aus. Da Astral nicht einfach abdrehen und fliehen konnte, da sie an ihm vorbei musste, flog sie einen etwas größeren Bogen um den Vogel. Aber anscheinend war das die falsche Entscheidung, denn der Nebelgeist erhob sich urplötzlich und stürzte auf Astral zu. Sie erschreckte sich, konnte aber gerade noch aus ihrer Starre erwachen und die langen Krallen abwehren, die sich um ihren Hals schließen wollten. Mit Klauen und Schweif und Zähnen wehrte sie sich, kam kurz frei, gewann wieder an Höhe und wurde dann von einer erneuten Attacke wieder in die Tiefe gerissen. Bald hatten sich die Kämpfenden so ineinander verkeilt, dass sie am Boden aufschlugen und Astral gerade noch verhindern konnte, dass sie einen Schlag auf den Bauch erhielt, der sie aufgeschlitzt hätte. Der Bauch war neben der Kehle die empfindlichste Körperregion. Es gelang ihr, den Nebelgeist mit einem Biss in den Hals, wobei sie ihr Kiefer fest zusammendrückte, zu töten. Zuerst freute sie sich, ihrem Stamm eine so reichliche Beute bringen zu können. Doch als sie mit dem Vogel in den Fängen ins Lager flog, wurde sie betroffen angestarrt. Hast du diesen Nebelgeist allein getötet?, fragte ihr Anführer. Ja, er hat mich angegriffen und beim Versuch mich zu wehren, traf ich ihn an der Kehle. Ungläubiges Zischen und Knurren war zu vernehmen. Vor allem von den Jägern. Ist dir bewusst, dass es mindestens drei Drachen benötigt, die gut ausgebildet sind, um einen Nebelgeist zu töten? Sie sind Dämonen des Zwielichts und die schwierigste aller Beuten. Kraftmäßig sind sie uns ebenbürtig! Einer der älteren Jäger war vorgetreten und hatte alle Stacheln von sich gestreckt. Eine Geste der Feindseligkeit. Woher hast du diese Kraft? Und außerdem weißt du nicht, wie man einen Nebelgeist handhabt. Sie muss einen Lehrmeister aus einem anderen Stamm gehabt haben! Man sollte nachsehen, was anders ist an ihr. Wo ist der Seher?, rief ein anderer in den hinteren Reihen. Graue Leiber reckten sich, um die einzige weiße Klingen-Drakonin zu begutachten. Der Heiler, ein dünner Drache von nicht einmal einer Schulterhöhe von einem Meter fünfzig trat vor. Gleichzeitig umringten Astral mehrere Krieger. Zitternd und stocksteif wartete die Angeklagte, was passieren würde. Noch nie war so etwas vorgekommen. Der Heiler verwandelte sich in einen Menschen, man sah nicht mal den Übergang der Umrisse. Er streckte die eine Hand aus, hielt sie vor ihre Nüstern, schloss die alten Augen und begann zu zittern. Er las ihr Wesen. Suchte in ihren Tiefen nach einem Geheimnis. Er suchte lange. Irgendwann schlug er die Augen wieder auf, trat ein paar Schritte taumelnd zurück und rief: Ein Mischwesen! Halb Wasser, halb Luft. Der Balg eines Mond-Drakonen!
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Astral der Sternengleiter - Shortstories ✨
FantasiaDarf ich vorstellen: Astral ist ein weißer Drache aus dem Klingenstamm. Ihre Welt ist Ral Orugia, ein Land angrenzend an die Menschenwelt, verborgen hinter Wolkenschleiern und hohen Bergen. Als junge Frau wird Astral eingeladen, sich in einen Drache...