Reise von Einöde in Menschenwelt

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Aufbruch von Einöde in Menschenwelt

Vers. 1:

Nacht herrschte über der Einöde. Ein runder Mond leuchtete durch den Höhleneingang. Sein weiches Licht war hell wie die Sonne für Drachenaugen, nur die mystische Atmosphere war für Mensch wie Drache gleich. In einem großen kreisförmigen Nest aus Naturmaterialien lagen dicht an dicht, wie jede Nacht, Astral und Eiren beisammen und atmeten im Gleichtakt. Mitten in die Stille sprach Eiren: Mein Engel, weißt du, unsere Zeit allein in der Einöde geht bald zur Neige. Wenn der Winter anbricht, haben wir ein Jahr gewartet. Keine Seele weiß über uns. Dann, in der letzten dunklen Stunde, wo am wenigsten Drachen Wache halten im ganzen Land, weil dann die Schlafenszeit beginnt, werden wir uns aufmachen zum Übergang in die Menschenwelt. Es ist Zeit, dass wir fliehen. Dass wir verschwinden und neu beginnen. Zeit, unseren Plan, eine neue Bewegung zu starten, zu beginnen. Im Sommer noch hatten sie bei Einem Sonnenuntergang auf der Klippe zum Meer gestarrt und sich ein gegenseitiges Versprechen gegeben. Partnerschaftstreue und ihre Befreiung aus der Verfolgung. Eiren, ich sehe es in deinen Bewegungen. In dir brennt der Wunsch, etwas zu verändern. Schon viel länger als ich bist du auf der Flucht, es muss ein Ende für uns haben. Wir werden aufbrechen. Bald. So verstrich die Nacht. Zwei oder drei Stunden später schreckte Eiren aus dem seichten Schlummer auf, den er immer bei Vollmond hatte. Dieser war schon weitergewandert und in der Höhle war es dunkler geworden. Im verbleibenden Licht betrachtete er die schlafenden Züge seiner Liebe. Das Maul von Astral war leicht geöffnet und ihre weißen Reißzähne blitzten scharfkantig. Ihre Augen waren gänzlich geschlossen. So schön, dachte der Rote. Mit seinem schlanken Kopf fuhr er ihre Halsbeuge nach, bis dorthin, wo sich die Mulde zwischen Ohren und Hörnern öffnete. Sanft leckte Eiren mit einer blutroten Drachenzunge Astrals Wange. Sein Schwanz hatte sich um ihre Seite gelegt und strich auf und ab. Plötzlich stieß sie das Haupt in die Höhe. Eiren? Ist was Verschlafenes Schnauben. Was war nur dieses tiefe Gefühl, das Eiren empfand, jedes Mal, wenn er Astral ansah für lange Zeit? Was er tief in ihren Augen sah, ein Schimmer von etwas Uraltem, was sie von allen anderen Menschen abhob, sie so einzigartig wunderschön sein ließ. Dieses Etwas ließ von Eirens Herzen nicht mehr ab und fesselte ihn an sie. Er wollte seiner Gefährtin nahe sein, ihr alles geben, was er konnte. Sich nach ihrem warmen Atem sehnend, ihrer seidenen Stimme, begann sich Eiren zu verwandeln. Wie aus einem Traum erwachend löste sich seine fantastische Gestalt wieder in Menschlichkeit auf, aus körperwarmem Wasser an die kalte Herbstluft auftauchend. Die Augen sahen anders, der Körper schwächer, die Luft in der Lunge weniger, doch das Glühen in seiner Brust war das gleiche und sein Blick war stets mit dem Astrals verknüpft. Blaue Drachenaugen schauten in blaue menschliche. Für Eiren war es nun völlig dunkel. Erst hörte man noch das Kratzen von Krallen am Felsboden, das Rascheln eines großen Etwas im Laub, dann nicht mehr. Der dröhnende Herzschlag war verschwunden, oder nur viel leiser geworden. Weiche Finger schlossen sich um Eirens Hand. Warme Küsse folgten seinem Hals hinauf bis zu den Ohren und zu seinem Mund. Ich liebe dich, flüsterte es nicht in Gedanken, es war ein lebendiges Geräusch in der großen Höhle. Wasserdrache, du bist wunderschön. Doch dein Menschensein ist es, das ich vermisse und ersehne. Ich will dich spüren, Eiren. Wortlos ließ sich der Mann in das nun riesige Nest ziehen. Nur sein schwerer Atem war mehr zu hören.

Ein paar Tage später regnete es in Strömen. Eiren und Astral standen im Höhleneingang, letztere erfreut grinsend. Wie es geplant gewesen war, verwandelte sich Astral in einen schneeweißen Klingendrachen. Eiren blieb ein Mensch. Sie hatten auf einen bewölkten Morgen gewartet. Ein Gewitter war noch besser, denn in einem zu fliegen, war nur wenigen wendigen Fliegern möglich. Die Winde eines Sturmes in höchster Höhe zu beherrschen, war eine gefährliche und seltene Kunst. Wind peitschte Regen daher, als der Drache sich mit den Vorderläufen niederkniete wie ein Kamel und der Mann auf dessen Rücken kletterte. Astral, bitte lass mich nicht fallen, flieg vorsichtig. Trotz der Seile. Eirens Stimme klang dünner als sonst. Das große weiße Haupt wurde geschüttelt, in einer Art, als sei es lächerlich, was Eiren befürchtete. So flogen sie unter den Sturmmassen dahin, die Schwingen durchschnitten den Regen. Ein kleiner weißer Fleck im grauen Maul des Sturmes. Die dicke Wolkenwand reichte bis hinunter zu den hohen Gipfeln der Eiszacken, Astrals Heimatgebirge. Auf einem dieser Spitzen stand im Windschatten ein grauer Drache, den Blick zum Himmel gerichtet. Ihm fiel ein weißes Flimmern auf, das immer wieder vom kalten Wasserdunst verschluckt wurde. Das Flimmern war kurz deutlicher zu sehen und mit scharfen roten Augen erkannte der Wächter eine weiße Drachendame, die auf dem Rücken einen Menschen trug. Höchst alarmiert kletterte der Wächter den Berg hinunter in sein Lager, tief eingebettet zwischen den kahlen Bergrücken. Bald darauf war die Jagd erneut eröffnet, wie vor ein paar Jahren schon.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 06, 2023 ⏰

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