Ein kurzes Portrait von Astrals Familie:
Hinter der Gebirgskette im Westen ging gerade die Sonne unter und warf ihre spektakulären Lichtspiele auf den Grashügel, auf dem wir fünf standen. Wir kamen beinahe jeden Abend auf diesem Hügelzug vorbei, um eine letzte gemeinsame Jagd vor dem Schlafen zu unternehmen. Eleagar war besonders heiß darauf, er wollte so oft es ging, waghalsige Flugfiguren in den Aufwinden der Schluchten zu unseren Füßen ausüben. Allein ließ ich ihn jedoch noch nicht. Er war in Menschenjahren doch erst dreizehn. In einer Reihe standen wir also da, das Gesicht dem gelben Licht zugewandt. Eleagar, wie wir alle in Menschengestalt, hielt Iristra an der Hand. Das achtjährige Mädchen mit dem langen braunen Haar und den wasserblauen Augen blickte so weise, wie ein tausend Jahre altes Weiblein. In meinen Armen, an mein weißen Leinenhemd gedrückt, lehnte Eirens und mein drittes Kind, unsere Tochter Mikana. Mit gerade mal drei Jahren und ihrem blonden Schopfe wirkte sie so liebenswert. Doch an ihr war etwas Dunkles. Denn ihre Augen hatten die Farbe von Sturmwolken, kurz bevor der Mond aufgeht. Sie war auch schüchterner, als ihre Geschwister in ihrem Alter gewesen waren. Doch war sie ein gutes Kind. Mit Dunklem hatte ich die ungezähmte, verheißungsvolle Glut der Nacht gemeint, das unverständliche Wispern feuchter Eichenwälder und dumpfes Donnerrollen weit entfernter Blitzschläge. All das sah ich in diesem jungen Blick. Auch Eiren betrachtete seine jüngste Tochter nachdenklich. Schließlich wanderten seine Fingerkuppen über das kleine Gesicht. Wenige Herzschläge nur noch, dann würde die Sonne endgültig verschwunden sein. Für das Erdenvolk. Dann würden Eleagar und ich uns nämlich in die Lüfte hoch über den Berggipfeln schwingen und unsere Schuppen in den Strahlen, die den Boden nicht mehr erreichten, flackern lassen. Nun war es so weit. Ich übergab Mikana an Eiren, nickte unserem Sohn zu. Dieser löste sich von Iristra und schritt mit mir an den Klippenrand vor uns.
Ich zähle bis fünf. Spann deine Glieder an und warte auf das Zeichen., befahl ich. Jawohl, Mutter. Eleagars Stimme zitterte vor Erregung. Er liebte es, was wir gleichtun würden. Fünf, vier drei, Ein Blick nach unten, niemand sonst in Sicht. Zwei, Eins, Null. Bei Null knallte der Stein unter unseren Füßen, als wir uns abstießen. Wie Pfeile, immer noch in Menschengestalt, schossen wir in die Tiefe. Dann zerplatzten wir förmlich, Schwingen, Schweif, Kopf, Beine, Arme. Innerhalb eines Atemzuges expandierte unsere Gestalt in etwas völlig anderes. Mir wuchsen weiße Schuppen unter der Haut hervor. Lange hautbespannte Glieder wuchsen zwischen den Schulterblättern in Windeseile hervor. Der nächste Windstoß fing sich schon in unseren Flügeln, Eleagar nun ein karmesinroter Schleier vor mir. Mit drei kraftvollen Schlägen bezwang er zweihundert Höhenmeter. Weit über mir und mit einem wilden Kreischer setzte er zu einem Sturzmanöver an. Ich ließ ihn üben. Mein Weg führte mich weit über die Bergspitzen, wo ich mich sachte im Wind wiegte, der hier oben immer verlässlich wehte und drehte mich ab und an, um das Sonnenlicht mit meinem weißen Körper aufzufangen und wie ein Spiegel zum Rest unserer Familie zu werfen. Schwebender Leuchtturm. In mein Blickfeld tauchten nun das Meer und die fremden Wälder hinter der Bergkette. Sie standen noch in vollem Abendschein, es war so schön, dass mir ebenso ein freudiges Kreischen entfuhr. Der Laut hallte im gesamten Tal wider. Ich war hier Königin. Meiner Familie gehörte dieses Stück Land. Hier jagten wir. Hier würde unser Stamm fortexistieren. Eleagar kam zu mir herauf und zusammen sendeten wir rote und silberne Lichtblitze gen Horizont. Das war das Leben. Dafür würde ich jeden Abend, die nächsten achthundert bis tausend Jahre leben. Bald setzen wir wieder auf, verwandelten uns mit drei Schritten in uns selbst zurück und Eiren, Mikana und Iristra, die uns auf der Erde mit ihren Schwingen-losen, aber laufstarken Drachenkörpern nachgejagt waren, fielen uns um den Hals. Wie jeden Abend.
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Astral der Sternengleiter - Shortstories ✨
FantasyDarf ich vorstellen: Astral ist ein weißer Drache aus dem Klingenstamm. Ihre Welt ist Ral Orugia, ein Land angrenzend an die Menschenwelt, verborgen hinter Wolkenschleiern und hohen Bergen. Als junge Frau wird Astral eingeladen, sich in einen Drache...