Ankunft in der Heimat, Start in ein neues Leben
Eiren, gehts dir gut da unten? Sollen wir noch etwas jagen? Ein silbriger Lichtpunkt tanzte über die Erde, der Schein, den Astrals weißer Leib vom Sonnenlicht spiegelte. Unten, dem Silberlicht hinterher, sprintete Eiren. Sein langer Schwanz schlug hin und her, wie bei einer Katze. Astral schaute ihm so gern zu, wenn er rannte. Wie sich sein Rücken dehnte und buckelte, immer wenn er sich vom Boden abstieß. Das Maul leicht geöffnet, um genug Luft zu bekommen. Die Augen weit geöffnet, die Nickhaut höchstwahrscheinlich vorgeschoben, um dem Gegenwind und den mitgetragenen Staubkörnern Einhalt zu bieten. Sein Schnaufen konnte sie bis hier oben mit ihrem scharfen Gehör wahrnehmen. Seine Antwort jedoch hörte sie in Gedanken. Sie wurden über das allumfassende Energienetz übertragen. Weißt du, dass ich rohes Fleisch satthabe? Am liebsten würde ich mir, wenn wir da sind, eine Brennnesselsuppe kochen. Es gibt sicher welche am Waldesrand. Ein guter Salbeitee wäre auch fein! Wenn Astrals Drachengesicht fähig gewesen wäre, zu lächeln, hätte sie es getan. Ja, wir machen uns was Gutes. Hoffentlich ist am Wochenende Markt. Ein paar Lebensmittel und die Zutaten für einen Blechkuchen werde ich kaufen. Oder gleich einen ganzen Vorrat an Gemüse. Alles, was ich bekomme. Wir werden doch jetzt lange keine Drachen mehr sein. Menschenzeugs müssen wir besorgen! Der Nebel, der das Drachenland von der der Menschen trennte, war zu diesem Tag besonders dünn, was ihnen ermöglicht hatte, überzuwechseln. Da diese Bedingungen nur einmal im Jahr waren, waren sie auch zwei Gruppen von Neuankömmlingen begegnet. Die Drakone mit Flügeln flogen über den Gebirgspass zwischen den Wolken, die laufenden nahmen eine Passstraße durch den Gebirgszug. Astral legte noch einen letzten kraftvollen Flügelschlag zurück, der sie über den Berg in ihr Heimattal brachte. Eiren war in einen Wald eingetaucht und nicht mehr zu sehen.
Zwischen den Bergspitzen kam ein kleines Dorf in Sicht. Hier war Astral vor achtzig Jahren gestartet, um mit einer Gruppe von jungen Drakonen in das ferne Land ihrer Ahnen aufzubrechen und sich ausbilden zu lassen. Die weitere Geschichte ist weithin bekannt. Sie fand zuerst ihren Stamm, Ethar begleitete ihre Wege als Lehrmeister und Freund, er starb, sie musste flüchten, fand in der Einöde Eiren, gemeinsam kämpften sie gegen ihre Unterdrücker, sammelten Gleichgesinnte um sich und gründeten einen neuen Stamm. Letzten Endes waren sie als Gefährte und Gefährtin anerkannt worden vor all ihren Stammeskollegen. Sie waren aufgebrochen, eine neue Familie in ihrer Heimat zu gründen. Waren ihre Kinder groß genug, ihre Verwandlung richtig zu kontrollieren, würden sie wieder zu ihrem Stamm zurückkehren, der bis dahin von Nagorek, einem guten Freund Ethars, geführt werden würde.
Gerade überquerte Eiren den steinigen Bergkamm des Berges, geradewegs seiner Gefährtin hinterher. Seine Geschichte war eine traurige. Seine Mutter war einem Feuerstamm zugehörig, der sein Revier angrenzend an das Wasser-Reich gelegen hatte. Sie war eine Jägerin und so streifte sie einmal allein am Grenzfluss entlang, wo sie einen Drachen traf, der in ihm dahin schwamm. Sie fauchte ihn kurz an, erklärte ihm in ihrer impulsiven Art, er solle nicht zu weit zu ihrem Gebiet schwimmen. Er sah sie nur lässig an, blinzelte und begann ein kleines Gespräch. Dieser Mann hatte nur durch dieses Gespräch ihre Sicht über die Zerstrittenheit der Völker so grundlegend verändert, dass sie begonnen hatte, ihren eigenen Stamm anzuzweifeln, der alle anderen Stämme im Feuer-Viertel ebenfalls verhasst behandelte und nur in sich gekehrt agierte. Nach ein paar Treffen im Stillen mit dem Drakon, der sie beruhigte und ihr einige wenige Stunden der Seelenruhe und Zuflucht bot, war sie mit mir schwanger. Als der Stamm dies bemerkte, ließen sie sie nicht einfach davonkommen. Sie wollten wissen, wer der Vater im Stamm war. Meine Mutter sagte bloß, dass sie ihn in Ral-Fí-Estate getroffen habe und ihr nun mal keiner aus dem Stamm zusage. Sie wolle gehen und in der Menschenwelt das Kind zur Welt bringen. Der Stammesführer ließ sie gehen und so hatte sie dreizehn Jahre Freigang bekommen. Der Wasserdrache folgte ihr nach. Alles ging glatt. Ich wuchs liebevoll auf, doch als ich rüber laufen sollte, ließ mich meine Mutter nicht. Ich riss aus und rannte in Drachengestalt mit den anderen junge Drakonen zu meinem Heimatstamm in Ral Orugia. Der Stammesführer fragte mich nach meinen Eltern. Ich sagte den Namen meiner Mutter und meines Vaters, nichts ahnend. Ich hatte Schwimmhäute und eine Flosse am Schweif, die rote Färbung aber von meiner Mutter. Und keine Flügel. Ich wurde festgehalten, um dem Hohen Rat vorgezeigt zu werden, da ich so wie Astral ein Mischwesen zweier Elemente war und somit viel zu mächtig. Sie wollten mich vor einer riesigen Menge an Zuschauern töten lassen und meine Mutter ebenso aufspüren und für ihren Verrat hinrichten. Sie versteckt sich hoffentlich in der Menschenwelt. Ich habe seit dreihundert Jahren nichts mehr von ihr und meinem Vater gehört. Kurz bevor es mit mir zu Ende gegangen wäre, half mir ein Gleichdenkender aus dem Rat, der einen Gesandten schickte, um mich zu befreien. Es gibt einige Untergrundbewegungen in Ral Orugia, vor allem in ihrer Hauptstadt Estaté sakral Hyliemphia. (Benannt nach einer Drachengottheit, die alle vier Elemente in sich trägt) Ich konnte fliehen und mich im Exil verstecken. Dort traf ich Astral, die ebenfalls fliehen musste. So viele Wesen müssen zuerst leiden, bevor sie ihren Platz auf der Welt finden. So viele, die gut und begabt sind und Stück für Stück zerstört werden, um schließlich doch einzugehen als Bestandteil der Geschichte. Wir taten uns zusammen, um dem Hass unseres Volkes ein Ende zu bereiten. Es war ein langer Kampf. Wir mussten im Untergrund arbeiten, unsere Botschaft von Stamm zu Stamm weitertragen durch Boten. Man musste darauf achten, wem man trauen konnte, um nicht verraten zu werden. Wir lebten in ständiger Angst, aufgespürt zu werden. Als schließlich genug Anhänger zu einem vereinbarten Treffpunkt erschienen, wo Astral dann eine ergreifende Rede hielt, drehte sich das Sein spürbar in eine andere Richtung. Man konnte deutlich spüren, wie die vereinten Andersdenker durch ihre Worte verbunden wurden, sich spüren konnten, viele Herzen wuchsen und ein neues Gefühl der Gemeinschaft entstand. Ein neuer Stamm war geboren. Astral war eine Gründerin geworden. Neue Stämme waren selten. Jahrhunderte und Jahrtausende waren alte Strukturen dieselben, nur selten verschob sich das Gleichgewicht in der Drakonenwelt. Doch wir wollten mit unserer Bewegung genau das erreichen. Viele Drachen hatten sich von ihren konservativen Stämmen in dieser Nacht abgewandt. Um den Stein herum, Astrals Sprechplatz, bildete sich ein Ring aus Zuversicht, Vertrauen und Glaube. Genau für das liebe ich sie. In ihr lebt der Frieden des Sternenlichts. Die Liebe, die sie von der Welt erhielt, weil sie einfach hinhörte und sich kümmerte, die gab sie nun an so viele Fremde weiter. Über uns spannte sich das Himmelszelt. Tausend Lichtpunkte sangen ihr eine stumme Hymne. Als Stammesmutter würde sie bis in alles Fortbestehen ihrer Sippe gekannt und geliebt werden, wie es der Brauch war. Zum Zeichen ihrer aller Triumpf erhob sich meine Gefährtin damals in den Nachthimmel, wie von unsichtbaren Armen in die Luft gehoben, flog, ohne ihre weit ausgebreiteten Flügel zu bewegen und erstrahlte plötzlich heller als der Mond in weißem Schein. Ich so wie ich konnten alle anderen das Licht in der Brust brennen fühlen. Jetzt, da wir vereint waren und ein starkes Band geknüpft hatten, würden wir eine Chance gegen die Regierung haben und ihre Streitkräfte, wenn wir die Hauptstadt stürmen würden. Wir gewannen nur, weil wir Astral an unserer Spitze hatten, die jeden, der ihr in die Augen sah, auf unsere Seite holte. Sie war unschlagbar mit ihrer Kraft, in die Seelen Gefühl und Überzeugung einzupflanzen.
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Astral der Sternengleiter - Shortstories ✨
FantasyDarf ich vorstellen: Astral ist ein weißer Drache aus dem Klingenstamm. Ihre Welt ist Ral Orugia, ein Land angrenzend an die Menschenwelt, verborgen hinter Wolkenschleiern und hohen Bergen. Als junge Frau wird Astral eingeladen, sich in einen Drache...