Kapitel 8

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Eindlich. Kratzer schnippte mit der Schwanzspitze. Die versammelten Kämpfer und Lehrlinge der ersten Gruppe stürmten los und preschten den Kiesweg hinab. Nachtigall hatte kaum Zeit, sich den Eingang des Lagers anzusehen, da stand sie schon auf der Lichtung. Wie geplant wurden sie sofort von den Hütern bemerkt, die den Stamm des Lichts mit einem Warnruf weckten. Erschrockenes Miauen ertönte überall und schlaftrunkene Katzen schlüpften aus den Bauen. Nachtigall fuhr drohend ihre Krallen aus, als die ersten Kämpfer sich auf sie stürzten.

"Verschwindet aus unserem Lager!" Sie erkannte den schwarzbraunen Kater wieder, mit dem sie auch letztes Mal gekämpft hatte.

Doch ehe sie angreifen konnte, sprang Biss nach vorne und warf den Kater zu Boden. "Erst werdet ihr für Schwarz' Tod büßen.", fauchte er.

Stolz brodelte in Nachtigalls Brust auf. Biss würde bis zum letzten Blutstropfen kämpfen, um Schwarz zu rächen. Und so werde ich es auch tun. Plötzlich blitzte rotes Fell in ihrem Augenwinkel auf und Nachtigall rollte gerade noch rechtzeitig zur Seite, ehe lange Krallen sich in ihren Pelz bohren konnten.

Als sie sich erhob, stand sie einer roten Kätzin gegenüber, die sie aus hasserfüllten Augen anstarrte. "Wie könnt ihr euch hier hertrauen!" Ihre Stimme war schrill vor Zorn. "Ihr habt Akazie getötet, ohne mit der Wimper zu zucken. Wahrscheinlich weißt du nicht mal, wer er war!" Kreischend stürzte sie sich auf Nachtigall und presste sie zu Boden. Von der Wucht ihres Gewichts wurde jegliche Luft aus den Lungen der beigen Kätzin gedrückt. Verzweifelt versuchte, die Angreiferin von sich zu stoßen, doch diese war viel stärker als sie. Oder verlieh ihr Schmerz ihr Kraft?

"Luft", krächzte sie.

Die rote Kätzin knurrte verächtlich. "Du wirst es bereuen, mich gekannt zu haben. Du wirst dich immer an meinen Namen erinnern. Du-" Doch auf einmal wurde sie von Nachtigall heruntergerissen. Keuchend rang die beige Kätzin nach Atem und beobachtete zeitgleich, wie Dämmerung die Angreiferin knurrend zu Boden drückte. Er zischte ihr noch etwas zu, dann holte er aus. Fünf rote Kratzer zierten die Wange der roten Kätzin.

Dämmerung ließ von ihr ab. So schnell sie konnte, sprang sie auf die Beine und rannte davon, warf ihm aber noch einen verächtlichen Blick zu.

Der braune Kater mit den hellen Tupfen sah besorgt zu Nachtigall herüber. "Geht es dir gut?"

Der Schock verharrte nach wie vor in Nachtigalls ganzen Körper, doch sie nickte ihm knapp zu. "Natürlich, aber jetzt werde ich nie ihren Namen erfahren.", scherzte sie, um die Situation aufzulockern.

Dämmerung atmete erleichtert aus, aber dann wurden seine dunkelbraunen Augen wieder ernst. "Wir müssen weiterkämpfen." Damit wirbelte er herum und stürzte zu Häher, der verzweifelt gegen zwei Katzen anzukommen versuchte. Plötzlich ertönte ein lautes Jaulen. "Da kommen noch mehr!"

Nachtigall riss den Kopf herum. Tatsächlich stürmte die zweite Gruppe nun ins Lager vom Stamm des Lichts. Regen lief an der Spitze, seine grünen Augen leuchteten triumphierend. Ohne zu zögern sprang er auf den Rücken einer hellroten Kätzin mit dunkelbraunen Pfoten, die überrascht zur Seite taumelte. Die anderen Katzen folgten Regen in den Kampf. Auch Geist schlug mit ausgefahrenen Krallen nach einem Kater, der fast doppelt so groß war wie sie. Nachtigall kniff entschlossen ihre Augen zusammen. Ich muss ihr helfen. Sie hat längst nicht so viel Erfahrung wie die anderen Lehrlinge.

Schnell versuchte sie, sich durch die kämpfende Menge durchzudrängen, doch auf einmal durchzuckte sie ein beißender Schmerz im Hinterbein.

Sie wirbelte herum und sah eine silberne Kätzin mit gefleschten Zähnen vor sich stehen. Ihr Fell war gesträubt, dennoch war sie kleiner als Nachtigall. Mit einem Fauchen wollte die silberne Kätzin sich auf sie stürzen, aber Nachtigall war schneller. Geschickt wehrte sie den Angriff ab und kratzte der fremden Kätzin über die Ohren. Zufrieden sah sie zu, wie diese erschrocken zurückwich.

Plötzlich spürte Nachtigall Krallen an ihrer Schulter, dort, wo sie auch letztes Mal von dem schwarzbraunen Kater verwundet worden war.

Kreischend fuhr sie herum und holte blind nach einer weiteren Katze aus, jedoch traf ihr Schlag ins Leere.

Für einen kurzen Moment dachte sie, sie hätte wieder die silberne Kätzin vor sich, doch dann fiel ihr die weiße Schwanzspitze ihrer neuen Gegnerin auf. Sie müssen Schwestern sein., überlegte Nachtigall, aber für weitere Gedankenabschweifungen war keine Zeit. Sie musste kämpfen!

Also sprang sie vor, wobei sie jedoch ihr Bein und ihre Schulter vergaß. Ein stechender Schmerz jagte durch sie hindurch. Sie knurrte laut, um ihre Schwäche zu überspielen und wich vor der silberweißen Kätzin zurück. Diese lächelte triumphierend. "Siehst du das, Mohn? Sie hat Angst. Was für ein erbärmlicher Haufen."

Die zweite Kätzin mit dem Namen Mohn schnellte an ihre Seite. "Du hast recht. Wir sollten ihr zeigen, dass sie hier nicht willkommen ist.", zischelte sie und stellte ihr Fell auf, um größer zu wirken.

Nachtigall legte drohend die Ohren an. Mit ihren Wunden würde sie nicht mal gegen zwei Lehrlinge ankommen, doch einen Versuch war es wert. Nur, bis die dritte Gruppe eingreift.

In diesem Moment stürzte Mohn sich mit ausgefahrenen Krallen auf die beige Kätzin. Sie war zwar klein, aber flink und wendig.

Blitzschnell zerfetzte sie Nachtigalls Ohren. Die Kämpferin fauchte wütend und schüttelte sich, um den Lehrling von ihrem Rücken zu werfen. Doch diese blieb fest in ihrem Fell verkrallt. "Jetzt du, Schnurr!", rief sie der silberweißen Kätzin zu, die daraufhin vorschoss, um Nachtigall erneut ins Bein zu beißen. Doch Nachtigall erkannte ihren Plan und wich Schnurr rasch aus, indem sie auf drei Beinen in die Luft sprang. Die Kätzin ruschte unter ihr hindurch, wirbelte aber sofort wieder herum. Als Nachtigall landete, brannte ihre Schulter vom Aufprall. Sie sog scharf die Luft ein und hoffte, der Schmerz würde bald abklingen.

Dann ertönte Himmels rettender Ruf.

Nachtigall sah erleichtert zum Bach, aus dem die dritte Gruppe aufgetaucht war. Himmels Augen funkelten auf, als er den Katzen das Zeichen zum Angriff gab.

Mohn ließ von der beigen Kätzin ab und sprang zu ihrer Schwester. "Wir müssen zum Beschützerbau!", zischte sie ihr zu. Mit einem wütenden Blick auf Nachtigall rannten die beiden Lehrlinge davon zu einem Brombeergebüsch, das von einer älteren schwarzen Kätzin verteidigt wurde, die bereits graue Fellsträhnen hatte.

Nachtigall sah sich auf der Lichtung um. Die neu eingetroffene Gruppe kämpfte ausgelassen gegen den Stamm des Lichts, der durch den Kampf schon deutlich erschöpfter war. Ab und zu huschten Katzen aus beiden Stämmen in Sicherheit, da sie zu stark verwundet waren oder eine Pause brauchten. Nachtigall straffte ihre Muskeln. Sie würde noch weiterkämpfen. Schwarz hätte es auch so getan!

Doch als sie Hagel zur Hilfe eilen wollte, ließ ein entsetzter Schrei die Nacht erzittern. Erschrocken drehte Nachtigall den Kopf. Ihre gelben Augen weiteten sich fassungslos, als ihr Blick auf Geist fiel. Alles wurde still.

Die weiße Kätzin mit den grauen Sprenkeln stand mit gesträubtem Fell vor einem braungelben Kater, der regungslos am Boden lag. Aus seiner Kehle floss ununterbrochen Blut. Was hat sie getan! Nachtigall wollte zu ihr laufen, doch eine stämmige Pfote hielt sie zurück. Es war Dachs. Ihr Bruder wirkte so ruhig wie immer, doch in seinem Gesicht stand die blanke Angst. Plötzlich brach ein verzweifelter Schrei die Stille. "Mörderin!" Eine hellbraune Kätzin schoss aus der Menge hervor und rannte mit ausgefahrenen Krallen auf Geist zu. Nein! Nachtigall wollte gerade eingreifen, als die Kätzin auf einmal zusammenbrach. Die Katzen schnappten nach Luft.

Ein langer Kratzer zog sich durch den Bauch der Kätzin. Blut strömte aus ihm heraus und tränkte ihr helles Fell rot.

Nachtigalls Herz begann zu rasen. War das Geist? Wie hat sie das gemacht? Ist sie auch tot? Panisch sah sie zu, wie immer mehr Katzen schmerzerfüllt aufschrien. Auch Mohn und die rote Kätzin, gegen die sie anfangs gekämpft hatte, zierten plötzlich blutende Wunden. Sogar Fetzen, Tiger und immer mehr Katzen vom Stamm der Nacht wurden wie durch Geisterhand verletzt.

"Jemand muss sie aufhalten!" Dämmerungs Ruf ging fast unter dem Jaulen der Katzen unter. "Kralle, mach du etwas!"

Doch die hellgraue Kätzin stand nur mit weit aufgerissenen Augen da und starrte Geist an, die zitternd in der Mitte der Lichtung stand.

Nachtigall wollte der weißen Kätzin mit den grauen Sprenkeln im Gesicht etwas zurufen, doch da spürte sie einen schmerzhaften Stich. Warmes Blut tropte aus ihrer Stirn und befleckte den trockenen Boden. Was machen wir jetzt? Wird Geist uns alle umbringen?

Nachtigalls Kampf (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt