Kapitel 7

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Als Nachtigall im Lager ankam, waren die Katzen vom Stamm der Nacht bereits versammelt und hörten Kratzer zu. Der dunkelgraue Kater mit den roten Streifen hatte sein Fell gesträubt und seine Augen blitzten kampflustig auf. "Seid ihr bereit, euch diesen Fuchsherzen zu stellen?" Die Menge jaulte zustimmend. Nachtigall knurrte frustriert. Das einzige Fuchsherz bist du, Kratzer. Schnell gesellte sie sich zu Sturm und Dunkel, die recht abgeschlagen am Rand des Lagers saßen. "Wisst ihr, wo Kralle ist?", fragte sie die beiden Kätzinnen.

Dunkel deutete mit einem Schwanzzucken nach vorn, wo die hellgraue Kätzin neben ihrem Bruder Bär stand und zu Kratzer aufsah.

"Sie scheinen alle fest überzeugt von seinem Plan zu sein.", kommentierte Sturm. "Ich persönlich habe keine Lust auf weitere Verletzte."

"Wenn es denn Verletzte bleiben." Dunkel betrachtete besorgt die Gruppe aus Lehrlingen, die sich aufgeregt um Tatze und Stachel gescharrt hatten. Nachtigall sah sofort die Trauer in Stachels Blick, doch seine Krallen waren ausgefahren, als würde er sich bereits auf den Kampf freuen. Vielleicht möchte er seinen Frust an anderen auslassen., überlegte die beige Kätzin.

Nachdem sie sich bei Sturm und Dunkel bedankt hatte, widmete sie ihre Aufmerksamkeit wieder Kratzer. Der Anführer stellte den Katzen gerade seinen Plan vor.

"Wir greifen bei Nacht an, dann haben wir schon mal einen entscheidenden Vorteil." Er ließ seinen Blick über die Menge gleiten. "Außerdem teilen wir uns in drei Gruppen auf, die aus verschiedenen Richtungen nacheinander angreifen werden. Die erste wird ins Lager stürmen und die Aufmerksamkeit vom Stamm des Lichts auf sich ziehen. Die zweite Gruppe wird anschließend hinterherkommen; so können wir sie überrumpeln. Und wenn diese Krähenfraßfresser erschöpft sind und sich zu sicher fühlen, kommt die dritte Gruppe von hinten durch den Bach. Damit nutzen wir den Überraschungsmoment."

Nachtigall ertappte sich dabei, wie sie anerkennend nickte. Kratzer war zwar brutal, aber er war auch schlau. So würden sie gute Chancen gegen den Stamm des Lichts haben. Die anderen Katzen um sie herum murmelten ebenfalls zustimmend.

Plötzlich bemerkte sie Geist, die mit gesenktem Kopf ins Lager schlich. Ohne von irgendwem bemerkt zu werden, mischte sie sich unter die anderen Lehrlinge.

"Ich werde die erste Gruppe anführen.", fuhr Kratzer währenddessen fort. "Die zweite wird Regen anführen und Himmel die drittte." Himmels Jubelruf ertönte und Nachtigall sah zu, wie der dunkelbraune Kater mit den hellen Flecken sich an seinen Bruder Regen schmiegte. Sein erster großer Auftrag. Die Kämpferin riss überrascht die Augen auf. Scheinbar freute der junge Kater sich so sehr, dass er sogar seinen Streit mit Regen vergaß. Der getüpfelte Kater schien sich ebenfalls zu wundern, denn er erstarrte und sträubte unsicher sein Schulterfell.

Kratzer schien das alles nicht zu stören, denn er teilte weiter die Gruppen ein. Nachtigall verdrehte genervt die Augen. Warum hatte Schwarz ihn bloß zum Stellvertreter ernannt? Hatte sie etwas in ihm gesehen, was Nachtigall nicht sehen konnte?

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Graue Wolken bedeckten den Nachtimmel und hinderten die Sterne daran, den Düsterwald mit ihrem silbernen Licht zu erhellen. Der Stamm der Nacht hatte nach Einbruch der das Lager verlassen, doch zu ihrem Pech spielte das Wetter nicht mit. Der Wind frischte immer mehr auf und brachte die Katzen zum Frieren. Nachtigall stellte ihr Fell gegen die Kälte auf. War das ein schlechtes Omen? Sie wusste es nicht.

An der Seite der beigen Kätzin liefen Dämmerung und Häher. Dämmerung hatte seine Augen halb geschlossen, um trotz des Windes etwas sehen zu können. "Immerhin werden sie uns nicht erwarten.", warf er ein, wobei Nachtigall seinen gezwungenen Optimismus nicht überhörte.

Er ist ein guter Stellvertreter, denn sonst würde er Kratzer nicht verteidigen.

Häher grunzte verärgert. "Ja, weil nur Mäusehirne bei dieser Kälte in den Kampf ziehen."

"Seit wann bist du so ein Feigling?", mischte sich jetzt auch Kralle ein, die Seite an Seite mit Sturm vor den dreien lief. "Wir haben die Chance, uns für Schwarz' Tod zu rächen. Allein das sollte uns doch reichen."

Insgeheim musste Nachtigall ihr zustimmen. Sie freute sich schon darauf, Lilie ihre Krallen spüren zu lassen. Die gehässigen Augen der schwarzweißen Kätzin blitzen wieder in ihrem Kopf auf und sie musste ein Knurren unterdrücken.

Plötzlich warf Kratzer den Katzen einen warnenden Blick über die Schulter zu. "Wir sind hier nicht zum Quatschen!", fauchte er. "Konzentriert euch, da vorne ist der Fluss." Nachtigall zuckte unter seinem drohenden Ton zusammen. Aber ich muss noch mit Kralle sprechen, bevor es zu spät ist. Sie hatte es bis zur Dämmerung hin versucht, sich allein mit der Kämpferin zu unterhalten, doch jedes Mal war etwas dazwischen gekommen. Also beschloss sie, jetzt heimlich mit ihr zu reden.

Unauffällig beschleunigte sie ihre Schritte und holte zu Kralle auf. "Kann ich dich kurz etwas fragen?"

Die hellgraue Kätzin sah sie unbekümmert an. "Von mir aus. Was möchtest du denn?" Nachtigalls Pelz zuckte nervös, als sie in Kralles dunkelbraune Augen sah. Sie versuchte, wenigstens etwas in ihnen lesen zu können, doch der Blick der Kätzin verriet nichts.

"Ich habe mit Geist gesprochen. Sie ist noch nicht bereit für diesen Kampf und sollte heute nicht mitkämpfen.", sagte sie zögerlich, um Kralle nicht wie beim letzten Mal zu verärgern.

Doch diese zog sauer ihre Nase kraus. "Das habe ja wohl ich zu entscheiden."

Nachtigall nickte rasch und erwiderte: "Natürlich, aber du hast doch gesehen, was für einen Schaden sie anrichten kann." Kralle schnippte abwehrend mit der Schwanzspitze.

"Eben deshalb soll sie mitkämpfen. Sie wird uns ein großer Vorteil sein. Außerdem hat sie sich seitdem deutlich verbessert - das sagt sogar Kratzer." Trotz ihrer zuversichtlichen Worte konnte Nachtigall sehen, dass sie sie selbst nicht glaubte.

"Kann ich dich davon überzeugen, Geist nicht mitkämpfen zu lassen?", seufzte sie schließlich.

Kralle schüttelte energisch den Kopf. "Ich bin dem Stamm der Nacht treu ergeben und heute werden das alle sehen." Ihre Augen funkelten kurz triumphierend auf, ehe sie sich zu Nachtigall drehte, ein leises "Es tut mir leid" flüsterte und zu Biss und Kratzer aufholte.

Nachtigall sah ihr schweigend nach. Etwas in Kralle wollte all dies nicht, das merkte sie. Nachdenklich schüttelte sie den Kopf. Ich werde aus ihr nicht schlau.

Plötzlich strömte ihr ein unbekannter Geruch in die Nase. "Wir überqueren gleich die Grenze.", ertönte Dämmerungs Maunzen.

Nachtigall spannte ihre Muskeln an. Dann war es bis zum Lager vom Stamm des Lichts nicht mehr weit. Die Gruppe lief noch eine Weile weiter, bis sie schließlich den Kiesweg erreichte, der zum Lagereingang hinunterführte. "Geht in Position." Nachtigalls Herz fing an, schneller zu schlagen, als sie sich neben den anderen Katzen hinhockte und ihre Beine zum Sprung bereit unter den Bauch zog. Aufgeregt beobachtete sie, wie Himmels Gruppe an ihnen in Richtung Bachabzweigung vorbeilief und Regens Gruppe sich hinter ihnen sammelte.

Gleich geht es los. Nachtigalls Blick wanderte zu Kratzer. Wir warten nur noch auf sein Zeichen.

Nachtigalls Kampf (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt