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Jimin

Nur kurz nachdem unser Tanzlehrer das Ende der Stunde verkündet hatte, verliessen alle Teilnehmer das Studio. Bis auf mich und Hobi Hyung. Ich schnappte mir meine Wasserflasche vom Fensterbrett, schraubte den Deckel ab und stürzte die kühle Flüssigkeit nur so herunter.

Die Stunde war anstrengend gewesen, so wie es alle anderen auch waren. Anstrengend und nervenaufreibend. Die Choreographie war kein Zuckerschlecken und der geborene Perfektionist, der ich leider nun mal war, wollte ich sie trotz allem genauso gut beherrschen, wie die einfachsten Tanzschritte, die ich sogar im Schlaf konnte.

Das war auf Dauer nur scheisse anstrengend.

Als ich die Flasche wieder verschloss, wanderte mein Blick zu meinem Hyung, der gemeinsam mit mir als letzter im Studio verblieben war. Das taten wir eigentlich immer. Wir waren die ersten, die hier eintrafen, zusammen mit unserer Lehrer und auch die letzten, die wieder gingen.

Ich wusste nicht einmal, wann das angefangen hatte, dass wir nach der Stunde noch etwas hier die Zeit zusammen verbrachten, es hatte sich einfach so eingebürgert und nun fand es immer statt. Manchmal gingen wir einzelne Schritte noch einmal zusammen durch, halfen uns aus oder wir lagen einfach nur faul herum, redeten etwas, hörten Musik oder hingen nur still unseren Gedanken nach.

Heute war einer der Abende, an denen wir faul waren. Ich war der erste, der sich auf den Parkett setzte, während ich weiterhin Hobi Hyung ansah, der sich mit dem Arm den Schweiss von der Stirn wischte, bevor er mir ein schiefes Grinsen schenkte. Seine Augen glitzerten beinahe herausfordernd und auf der Stelle fragte ich mich, was wohl in seinem Kopf vorging.

Worüber dachte er nach? Ich fragte mich das viel zu oft.

Mit einem tiefen Seufzen liess ich mich zurücksinken, bis ich gänzlich, mit einem ausgestreckten Arm auf dem Boden lag und die Augen schloss. So konnte ich für die nächsten paar Stunden auf jeden Fall liegen bleiben. Ich war ziemlich erschöpft und freute mich bereits jetzt auf mein Bett zuhause. Schritte erklangen im Tanzstudio, im nächsten Moment hörte ich ein Ächzen und Hoseok Hyungs Präsenz machte sich neben mir bemerkbar.

Bis auf unsere Atemzüge kehrte erst Ruhe zwischen uns ein. Einige Sekunden verbrachten wir in absoluter Stille, bis ich das leise Kichern des Älteren hören konnte, dass zu einem lauten Lachen anschwoll.

Verwirrt schlug ich meine Augen auf und drehte den Kopf in Hoseoks Richtung, nur um zu sehen, wie er sich zur Seite gedreht hatte und sich vor Lachen zu krümmen schien. Was zur Hölle war denn jetzt los?

"Alles okay?", hakte ich misstrauisch nach. Man wusste ja nie, was jetzt wieder in den hyperaktiven, Braunhaarigen gefahren war. Er nickte, noch immer prustend, schaffte es aber allmählich sich wieder zu beruhigen und sah dafür mit einem weiten Grinsen zu mir. Seine Augen funkelten voller Amüsement und ich verstand nicht, was er so komisch fand.

"Ich hab nur über was nachgedacht", grinste er erklärend, woraufhin ich einmal langsam nickte.

Aha.

Über etwas nachgedacht...

"Und worüber?", wollte ich noch misstrauischer wissen.

Er kicherte wieder leicht und seufzte dann heiter. "Hast du es nicht mitgekriegt?" Ich verstand überhaupt gar nichts, also zog ich nur eine Augenbraue hoch. "Wovon redest du, Hyung?"

Konnte er nicht verständlich werden? Ich kapierte nicht, was vor sich ging.

Hobi Hyung zwinkerte mir mit einem verschmitzten Grinsen auf den Lippen zu - was meinen Herzschlag seltsamerweise wieder anzutreiben begann - und seufzte dann tief. "Von deinem neuen Verehrer. Jiminie, du kommst gut an bei Mann und Frau~"

Was- Wie jetzt? Wovon zur Hölle redete er?!

Von meiner Erschöpfung war auf einmal nichts mehr übrig. Dafür umso mehr Fassungslosigkeit. Wollte Hobi Hyung mich veräppeln?

Verwirrt und perplex stützte ich mich auf meinen Unterarmen auf und schenkte ihm einen irritierten Blick. "Was soll das wieder heissen? Ich bin hetero, also ist da gar nichts mit 'Ich komme gut an, bei Typen'."

Er grinste nur breiter und setzte sich ebenfalls auf, um mich besser ansehen zu können. "Hetero oder nicht, das hat gar nichts damit zutun, wenn ein Kerl an dir Gefallen findet", machte er mich aufmerksam, ehe er mit einem tiefen Seufzen den Kopf schüttelte. Seine Augen musterten mich eingehend, ehe er wieder sein altbekanntes, strahlendes Grinsen aufsetzte. "Komm schon, du kannst mir nicht sagen, dass du das nicht bemerkt hast."

Ich zog die Augenbrauen zusammen und stiess die Luft aus. "Red keinen Scheiss, Hyung", murmelte ich, "Von welchem Kerl redest du?"

Nun wurde seine Miene tatsächlich ernst. Das Lächeln fiel und das amüsierte Glitzern in seinen Augen erlosch, dafür wurde die Intensität, mit der er mich ansah, eine Spur grösser und ich schluckte leer deswegen. Dieser Blick liess einen Schauer über meinen Rücken hinabwandern. "Von Kai", lautete seine kurze Antwort, "Der Typ hat tatsächlich nur Augen für dich."

Ich schnaubte und verdrehte meine Augen. "Hat er nicht", widersprach ich. Ich kannte Kai, er war nett und hilfsbereit, aber das war er zu jedem und wenn er was von mir wollte, wie Hobi es mir gerade offenbarte, dann hätte ich das ganz bestimmt bemerkt. "Das ist nicht witzig, Hyung. Er will nie im Leben was von mir."

"Doch, es ist witzig", meinte der Braunhaarige und lehnte sich zu mir hin, sah mich stur weiter an und fügte dann hinzu: "Es ist witzig, wie blind du zu sein scheinst. Wirklich Jiminie, er will was von dir."

Wieder schluckte ich leer und lehnte mich etwas von ihm weg, denn das war definitiv zu nah, als das ich mich konzentrieren konnte. Ich sollte meine Hormone wieder in den Griff kriegen, bevor das schlimmer wurde. Ich konnte doch nicht einen Typen so attraktiv finden. Schon gar nicht meinen Hyung.

Das... nein. Nein, das ging nicht.

"Ich bin nicht blind!", widersprach ich harsch, "Ich bin realistisch: Er will nichts von mir!"

Und selbst wenn, dann wäre es ohnehin hoffnungslos. Heterosexuell zu sein, schloss das gleiche Geschlecht sowas von aus. Ich war nicht an Männern interessiert. War ich nie gewesen und würde ich auch nie sein. Ich konnte mir nicht vorstellen, etwas mit einem Mann zu haben. Zumal das Geschwätz der Leute auch nichts für mich war, wenn ich mit einem Typen Hand in Hand durch die Strassen ging.

Der Gedanke daran war komisch. Es war schon komisch, dass ich Hobi Hyung attraktiv fand.

Dass ich überhaupt darüber nachdachte, ob ich ihn attraktiv fand.

Young Forever [Vkook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt