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Jungkook

Erst herrscht einen Augenblick lang vollkommene Stille und ich höre nur Taehyungs zitternden Atem, als er seine Arme um meinen Oberkörper schlingt und sein Gesicht ganz an meiner Schulter vergräbt. Seine Finger krallen sich in den Stoff meines T-Shirts und ich erwidere seine Umarmung fest, male Kreise auf seinem Rücken und hoffe, ihn etwas beruhigen zu können.

"Was machst du hier, Hyung?", höre ich den Älteren dann leise fragen. Still warten wir alle vier auf der Ladefläche ab, als Jin fröhlich erwidert: "Oh, ich bin nicht allein hier!" Einen Moment später fügt er auch schon ein "Yoongi hat's auch her geschafft. Und die restlichen Dongsaengs auch."

Wieder herrscht kurz Ruhe. "Was soll das heissen, die restlichen Dongsaengs?", hakt Namjoon hörbar angespannter nach und ich merke, wie auch Taehyung sich verkrampft bei dem Tonfall. Ich beisse mir auf die Lippe und drücke ihn nur noch näher an meinen Körper, um ihm etwas Halt zu geben, den er so sehr zu brauchen scheint. Jimin hingegen, scheint sich selbst in das Gespräch der beiden einbringen zu wollen, denn er beginnt sich zu regen, steht auf und klettert dann etwas umständlich von der Ladefläche. "Hey Hyung", meint er und ich sehe, wie er die Hand etwas hebt und ihm ein kleines, unsicheres Lächeln schenkt. Nebenbei erklingt Yoongis Stimme aus dem Inneren des Wagens: "Na, soll heissen 'die restlichen Dongsaengs'. Alle, Namjoon."

Er scheint wieder etwas perplex zu sein, bevor er das Wort abermals ergreift. "Wieso? Was wollt ihr hier?" Hoseok klettert ebenfalls, weitaus eleganter als Jimin zuvor, von der Ladefläche des Pick-Ups und grinst Namjoon Hyung dann breit an. "Wir wollten dich sehen, Joonie", meint er schulterzuckend und lehnt sich dann gegen die Ladefläche. Ich sehe kurz Taehyung an, der sich weiterhin an mich drückt. "Sollen wir auch runter vom Pick-up?", murmle ich leise, doch kaum habe ich zu Ende gesprochen, schüttelt er bereits hektisch den Kopf.

"Er will mich nicht sehen", wispert er mit erstickter Stimme zurück.

"Wieso zur Hölle?", hakt Namjoon nach, "Monatelang kam nichts von irgendjemandem von euch und jetzt steht ihr einfach hier?! So als wäre nichts gewesen?!"

Taehyungs Griff wird fester und ich höre ein leises, gedämpftes Aufschluchzen. "Wolltest du etwa nie wieder ein Wort mit uns wechseln?", gibt Yoongi zurück, "Wir haben uns zusammengerauft, also kannst du das auch, Namjoon." Er lacht scheinbar ungläubig auf und ich merke, wie mein Herz sich schmerzhaft zusammenzieht. "Ich bin nicht umsonst gegangen, okay?", erklärt er, "Ich wollte meine Ruhe."

"Krieg dich ein, Namjoon", meint Jin Hyung, "Wir sind hergekommen, um dich zu sehen, nicht um weiter mit dir zu streiten. Was passiert ist, ist passiert und ändern kannst du es nicht, also hör auf, in der Vergangenheit zu leben."

"Meine Entscheidung steht fest und genauso wenig kannst du die ändern."

Ich schlucke leer, versuche den Kloss, der sich mit jedem, der gesprochenen Worte in meinem Hals bildet, zu vertreiben, doch das Vorhaben scheitert. Es tut weh, das zu hören. Ich habe geahnt, dass es nicht einfach werden wird, aber dass er derart schlecht reagiert, dass habe ich auch nicht erwartet. Er scheint gar kein Interesse daran zu haben, wieder etwas mit uns zutun zu haben. "Na komm, Tae, lass uns mit ihm reden", murmle ich leise, doch diesmal reagiert er nicht.

Ich merke erst einen kurzen Moment später, wie Taehyung sich langsam von mir löst. Er sieht zu mir auf, starrt mich mich glasigen, angsterfüllten Augen an und der Ausdruck seiner Miene, schneidet mir ins Herz. Er scheut so sehr davor, jemanden zu sehen, der einmal einer der wichtigsten Personen in seinem Leben war. Das sollte nicht so sein.

Ändern kann ich es dennoch nicht.

"Namjoon", stösst Yoongi Hyung dann gestresst aus, "Jungkook hat die ganze Mühe auf sich genommen, um uns alle zu finden und du willst dich jetzt ernsthaft querstellen?"

"Ihr habt zu akzeptieren, wenn ich Nein sage", höre ich Namjoon Hyung sagen, doch er klingt nicht mehr kühl oder wütend, vielmehr traurig. Melancholisch. Ich betrachte Taehyung, der inzwischen unsicher vor mir kniet, seine Hände auf seinem Schoss liegen hat und den Boden der Ladefläche anstarrt. "Na komm", fordere ich ihn leise auf und nehme seine Hand in meine, bevor ich aufstehe und ihn mit mir auf die Beine ziehe. Ich sehe über das Fahrerhaus des Wagens hinweg, zu Namjoon, der die Bewegung wohl mitgekriegt haben muss, denn sein Blick liegt nun auf uns.

Kaum sieht Taehyung ihn einen Moment lang an, wird der Griff um meine Hand deutlich fester und ich sehe, wie er seine andere Hand zur Faust ballt. Namjoon hingegen verzieht keine Miene. Das ist doch schon einmal gut, er hätte ihn auch zum Teufel jagen können, sobald er ihn sieht. Stille herrscht, als wir vom Pick-Up runterkommen und uns neben Hoseok und Jimin Hyung stellen.

"Hyung, das ist bereits Monate her... Willst du deswegen immer noch so verbittert sein?", frage ich leise und neige den Kopf ein wenig. Ich versuche mir von meiner Nervosität nichts anmerken zu lassen, doch ich spüre, wie schnell mein Herz gegen meinen Brustkorb hämmert. Ich habe Angst, vor der Reaktion, die wir erhalten werden. Bis jetzt sieht das nämlich ganz und gar nicht gut aus.

Namjoon Hyung hat sich kaum verändert. Er hat, so wie als ich ihn zum letzten Mal gesehen habe, hellbraune Haare, jedoch eine Baseball-Cap aufgesetzt und er sieht nicht allzu erfreut über unser Auftauchen auf. Nicht, dass ich etwas anderes erwartet hätte.

"Selbst wenn es Monate her ist, ich werde trotzdem nicht die Polizeiakademie besuchen können, Jungkook", erwidert er mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen und ich sehe aus den Augenwinkeln, wie Taehyung neben mir seinen Kopf senkt, sodass er zu Boden sieht. Wieder kehrt Stille über uns ein, während Namjoon den jungen Mann neben mir ansieht.

Taehyung hat seinen Namen bei der Polizei genannt, das hat für einen Vermerk in seiner Akte gesorgt und dieser Vermerk wiederum, dafür, dass er niemals die Ausbildung machen kann, die er gerne machen würde.

"Namjoon, e-es.. es tut mir leid", wispert Tae dann auf einmal und sieht auf, direkt in seine Augen. Ich weiss nicht, wie viel Überwindung es ihn kosten muss, doch ich bin mir sicher, dass es ihm auch nicht gerade sehr leicht fällt. Aber anstatt die Entschuldigung meines Freundes anzunehmen, zuckt der Ältere nur seufzend mit den Schultern und schiebt seine Hände in die Jackentaschen. "Das macht die Scheisse auch nicht ungeschehen."

"Wenn du wirklich dachtest, du kommst damit durch, einen Raub zu begehen, dann warst du dümmer, als ich dachte", schnaubt Yoongi und ich sehe, wie Jin im Auto zustimmend nickt. "Hör mal, Namjoon", beginnt er, "Du hast selbst entschieden, das zu machen, anstatt, dass du den beiden geraten hast, die Polizei einzuschalten oder uns um Hilfe und Geld zu fragen. Es ist deine eigene Schuld, das mitgemacht zu haben, also hör auf Taehyung dafür zu beschuldigen, deinen Namen genannt zu haben."

Namjoon senkt den Kopf und murmelt anschliessend ruhig: "Ihr solltet wieder gehen."

Young Forever [Vkook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt