Kapitel 7

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Mein Herz schlägt mir bis in den Hals. Wird jetzt alles gut? Wird Levin mich hier her herausholen? Doch dann schwindet schon ein großer Teil meiner Euphorie wieder. Wieso sollten sie ihn nicht einsperren? Oder überhaupt auf die Insel lassen? Und dann auch noch mir präsentieren? All das würde sie nicht machen, wenn es keinen Vorteil für Lucy gäbe. Und dann schwindet auch noch mein letzter Funken Hoffnung, als sein kalter Blick mich trifft und ich kein bisschen Zuneigung darin entdecken kann. Ich schlucke hart und sehe dann wieder zu Lucy, die gerade aufsteht und um das Sofa schreitet. „Setzt dich, Kleines. Dann erkläre ich dir diesen kleinen Besuch." Auch wenn sich alles in mir sträubt, folge ich ihrer Anweisung. Levin bleibt einfach nur am Fenster stehen und bedenkt uns mit gleichgültigen Blicken. „Nun", beginnt Lucy mit ihrer lieblichen Stimme. „Levin ist einer meiner Spione. Er gibt Informationen an mich weiter. Schon seit ein paar Jahren. Jetzt will er für eine Zeit hier untertauchen, da er Angst hat nach deiner Entführung aufzufliegen." Ich schüttel fassungslos den Kopf und sehe zu Levin der mich immer noch ohne jegliche Regung ansieht. „Das kann nicht sein. Warum sollte er das tun?" hauche ich. Lucy seufzt. „Das ist doch nicht so schwer. Wenn Mrs. Divois sich durchsetzt, was momentan danach aussieht, wird nicht Levin der künftige Boss, sondern Louis und dann wird Levin auf einen ganz normalen, langweiligen Mafiosi abfallen. Ich habe ihm eine hohe Stellung versprochen, vielleicht ja sogar der Boss." Sie zwinkert Levin zu und er lächelt sie höflich an. Nein. Bitte nicht.

Levin

Ich sehe zu wie etwas in Arila kaputtgeht während sie Mrs. Rivera zu hört. Ihr dürrer Körper, der so kaputt aussieht, bebt und sie beißt sich immer wieder auf die rissigen Lippen. Ihre sonst so starke Wirkung ist jetzt schon fast verletzlich und ich muss gestehen, dass es mich mehr trifft, als ich erwartet habe sie so zu sehen. Was haben sie ihr hier nur angetan? Am liebsten würde ich zu ihr gehen, sie in den Arm nehmen und ihr den Plan erzählen, aber es ist besser, wenn niemand davon weiß, auch sie nicht. Ich bekomme mit wie Mrs. Rivera mir zu zwinkert und lächel sie an. Im nächsten Moment trifft mich Arilas Blick wie einen Schlag vor den Kopf. Es liegt so viel Schmerz und Enttäuschung darin, dass ich ein Keuchen unterdrücken muss. Doch ich lasse mir nichts anmerken. Es muss echt wirken. Es muss echt sein. Ich spanne meinen Kiefer etwas an und fahre mir durch die Haare. Dabei lasse ich meinen Blick ruhig auf sie gerichtet. Sie glaubt es. Sie glaubt es voll und ganz und obwohl die Vorstellung wie sie mich jetzt sieht schmerzt, weiß ich das es gut so ist. „Und warum willst du dann unbedingt Informationen aus mir heraus bekommen? Oder hast mich überhaupt zu ihnen geschickt?" Fragt sie nun an Mrs. Rivera gerichtet. „Ein simpler Test, meine Liebe, wir wollten damit sehen, ob du deiner Rolle gewachsen bist. Außerdem wurdest du nach wie vor dein Leben lang dafür ausgebildet, niemand ist so gut wie du. Dass du dich plötzlich gegen mich stellst, habe ich zugegebener weise aber nicht erwartet." Arila sieht verwirrt, fast Hilfe suchend zu mir. „Was denn für eine Rolle?" Sie weiß es nicht? Hat ihr denn niemand etwas erklärt? Wieder setzt Mrs. Rivera zur Erklärung an. „Ich dachte wirklich, dass du besser denken kannst, du bist schließlich meine Tochter." Säuselt sie engelsgleich „Ich bin doch nur dein beschissener Plan." zischt Arila und jagt mir damit einen Schauer über den Rücken. Mrs. Rivera winkt es einfach ab. Zu gerne würde ich dieser kleinen Schlampe einfach eine Kugel durch den Kopf jagen, aber dafür ist noch nicht die Zeit „Wie auch immer", flötet sie, „du bist meine Nachfolgerin, Schätzchen. Die erste Tochter deines Vaters und auch meine. Du bist rechtmäßig der nächste Boss der Russenmafia." Ein Ausdruck der Erkenntnis schleicht sich Stück für Stück auf ihr blutiges Gesicht. Und dann kann ich förmlich sehen, wie ihr alles entgleitet, als sie es begreift. Und alles, was damit zusammen hängt.

Arila

Ich sitze an die Wand gelehnt in meinem Zimmer, den Schmerz meines Rückens dabei ignorierend. Ich lege meinen glühenden Kopf in meine Hände. Mein Inneres Schreit. Ja, am liebsten würde ich all den Schmerz und die Wut über Levins Verrat einfach hinaus schreien, aber ich muss mich zusammen reißen und nachdenken. Wie konnte ich nur so dumm sein und da nicht drauf kommen? Jetzt verstehe ich auch, warum der Trainer mich immer Prinzessin nennt. Ich bin die Tochter seiner Anführerin, seiner Königen, wenn man es so will. Ich bin die rechtmäßige Nachfolgerin von Lucy und meinem Vater, von dem ich nicht einmal den Namen kenne. Mein Vater, er ist der eigentliche Boss. Durch ihn hat Lucy die Position, die sie jetzt hat. Er ist der eigentliche Dreh und Angelpunkt. Ich muss ihn kennenlernen, das ist das beste, was ich jetzt tun kann, um weiterzukommen. Aber wie soll ich überhaupt etwas über ihn erfahren? Andrej. Er ist meine einzige Möglichkeit, ich werde wohl meinem seltsamen Gefühl vertrauen müssen, dass er mir helfen will. Ich sehe zu dem leeren Teller hinüber. Es ist das erste Mal seit langem, dass ich etwas gegessen habe. Ich habe eingesehen, dass ich essen muss, denn dieser Stärke Beweis bringt mir nichts, wenn ich durch ihn nur schwächer werde. Es war das Abendessen, heute wird er also nicht mehr wieder kommen. Stöhnend ziehe ich mich hoch und laufe zur Tür. Sie ist offen. Lucy hat seit meinem ersten Training wohl keine Angst mehr gehabt, dass ich es irgendwie schaffen könnte alleine abzuhauen. Wo sollte ich auch hin? Ohne Hilfe komme ich eh nicht von der Insel runter. Ich würde nicht mal aus dem Gebäude kommen, denn es ist von allen Seiten bewacht. Ja, versucht habe ich es. In einer meiner schlaflosen Nächte bin ich durch das Gebäude gelaufen. Und dann habe ich einen Ausgang gefunden. Ich konnte durch das Gitter das im Mondschein glitzernde Meer sehen. Ich wollte die Tür aufreißen und hinausrennen, doch eine Wache hat sich mir in den Weg gestellt. Ich schlage mir diese Erinnerung wieder aus dem Kopf, ich muss mich jetzt darauf konzentrieren, wo Andrej sich rumtreiben könnte. Um ehrlich zu sein habe ich noch nie zuvor darüber nach gedacht. Ich husche auf den dunklen Flur heraus und schließe die Tür leise hinter mir. Für einen kurzen Moment stehe ich einfach nur da und lasse meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen. Die Lichter im Gebäude werden häufig schon kurz, nachdem mir das Abendessen gebracht wurde, ausgeschaltet. Als ich das letzte Mal hier alleine unterwegs war, habe ich herausgefunden, dass auf diesem Flur, außer meinem Zimmer und dem Büro meiner Mum nur eine Abstellkammer ist. Was sich hinter den anderen Türen befindet, weiß ich nicht, denn sie sind allesamt abgeschlossen. Seufzend schließe ich die Augen und versuche in meinem Kopf abzurufen, was ich noch über das Gebäude weiß. Ich kann mich erinnern in einem anderen Gebäudetrakt zwei Männer gesehen zu haben, die erst lautstark auf Russisch diskutiert haben und dann in ihren Räumen verschwunden sind. Möglicherweise ist dort ja auch Andrejs Zimmer. Schulter zuckend folge ich dieser Überlegung. Der Weg ist länger als ich ihn in Erinnerung habe und ich frage mich zunehmend, ob ich mich verlaufen habe. Ich habe das Gefühl, dass sich jeder Schritt seltsam schwer anfühlt und meine Glieder ungewohnt träge sind. Fluchend bleibe ich stehen, um mich zu orientieren, als ich plötzlich Schritte aus einem anderen Gang höre. Bevor ich reagieren kann, biegt eine große Gestalt um die Ecke. Helle Augen treffen mich. Ich schlucke heftig als ich erkenne, zu wem sie gehören. Es ist Demjan. Seine Nase ist mit einem dicken Polster abgeklebt und seine Augen dunkel lila unterlaufen. Er legt den Kopf schief. „Was macht das Prinzesschen denn um die Uhrzeit hier ganz alleine?" Ich weiche einen Schritt zurück, seine Ausstrahlung macht mir Angst. Dennoch straffe ich meine Schultern und hebe das Kinn, „Ich wüsste nicht, was dich das angeht." Demjan sieht mich kurz überrascht an, dann schleicht sich jedoch ein Grinsen auf sein Gesicht. Das war definitiv nicht die Wirkung, die ich haben wollte. Er kommt einen Schritt auf mich zu „Weißt du was, das passt mir ganz gut, ich habe nämlich noch eine Rechnung mit dir offen." Er tippt sich mit dem Finger auf die Nase. „Hier wird dich niemand hören." Auch wenn mein Verstand gerade die höchste Alarmstufe einleitet, bleibe ich ruhig. Ich sehe mir kurz über die Schulter. War die Wand da schon die ganze Zeit hinter mir? Ich blicke wieder zu Demjan der mir gefährlich nah gekommen ist. „Ich habe dich einmal geschlagen, ich werde es wieder tun." zische ich ihm entgegen, was ihn belustigt eine Braue heben lässt. „Kann schon sein, dass du mehr drauf hast als mir erzählt wurde, aber nach dem Beruhigungsmittel, das die dir hier ins Essen knallen, ist es ein Wunder, dass du hier überhaupt so fröhlich herumrennen kannst." Ich presse meine Lippen aufeinander. Nicht dass ich nicht geahnt hätte, dass da was in meinem Essen ist, aber gehofft habe ich trotzdem. Wieder weiche ich ein Stück vor ihm zurück, bis mein Rücken mit einem schmerzhaften Brennen gegen die Wand stößt. Ich unterdrücke ein Keuchen und verdränge den Schmerz wieder. So wie ich es in all den vergangenen Tagen getan habe. Grade so sehe ich noch wie Demjan zum Schlag ausholt.

Game of DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt