Es donnerte.
Elaine warf einen skeptischen Blick in den Himmel, doch vorerst konnte man nur die dunklen Wolken sehen, die sich monströsen Gebilden gleich in den Himmel erhoben, in ihrem Schatten den Abend in Finsternis tauchten.
Sie kamen vom Meer her, unaufhaltsam und gewaltig.
Aber vermutlich würden sie noch ein paar Minuten benötigen um die Insel zu erreichen, hoffentlich genug Zeit damit sie trocken an ihrem Arbeitsplatz erschien.
Denn welcher Mann wollte schon gerne eine Prostituierte, die vom Regen durchnässt war.
Niemand jedenfalls, der noch halbwegs nüchtern war.
Und Elaine hatte einmal einen betrunkenen Kunden angenommen – dieser hatte sie dann nach halber Arbeit liegen gelassen, war nicht einmal mehr fähig gewesen zu bezahlen.
Natürlich hatte sie sich ihr Geld auf andere Art und Weise von ihm zurück geholt, aber eine Lehre war es dennoch gewesen.
Erneuter dunkler Donner grollte.
Sie versuchte ihr Kleid noch etwas mehr zu raffen, damit sie besser vorwärts kam, lief so schnell es eben ging.
Vor sich konnte sie schon die „Laughing Widow" erkennen, eine der weniger bekannten Kneipen dieser versoffenen Piratenstadt, aber dadurch mit akzeptablerer Kundschaft.
Ausgelassenes Gelächter schwappte durch die angelehnten Türen der Kneipe auf die Straße, eine kleine Gruppe spielte Musik.
Noch keine Schlägerei.
Das war immer gut.
Endlich erreichte sie das Vordach der Kneipe, warf noch einmal einen Blick Richtung Meer.
Die Gewitterwolken hatten Tortuga nun schon fast erreicht, erste Blitze zuckten durch die Dunkelheit.
Jeder Lichtblitz wurde von einem gewaltigen Donnerschlag begleitet.
Der Wind hatte ebenfalls aufgefrischt, die See wurde rauer und an den Stegen begannen sich die Schiffe gegen ihre Taue zu stemmen.
Doch Wellengang und starker Wind waren nicht das Einzige, das der Sturm nach Tortuga brachte.
In der Einfahrt konnte sie ein gewaltiges Schiff erkennen, dessen Segel langsam eingeholt wurden.
Überrascht hielt sie inne, beobachtete das Schiff dabei, wie es im Hafen vor Anker gehen wollte.
Irgendwie kam es ihr bekannt vor, doch sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie es schon einmal gesehen hatte. Dass es kein häufiger Gast auf dieser Insel war, konnte man allein daran erkennen, dass auch andere auf den Straßen stehen geblieben waren um das Manöver zu beobachten.
Widerwillig riss Elaine sich von dem Anblick des fremden Schiffes los und trat in die Kneipe. Sofort schlug ihr der Geruch von Alkohol, fettig gebratenem Fleisch, sowie Schweiß in die Nase.
Der Wirt am Tresen nickte ihr leicht zu, hatte ihr bereits einen kleinen Krug zur Seite gestellt.
„Ich hoffe du hast Erfolg, Mädchen", brummte er und sie nickte dankend, leerte den Krug so schnell es ihr möglich war.
Draußen hatte es angefangen zu regnen.
Abschätzend ließ sie ihren Blick über die anwesenden Seemänner wandern, fand jedoch nur das gleiche tunichtgute Pack wie jeden Abend. Kein Kapitän oder Händler.
Nun, dann wurde es wohl keine so lukrative Nacht...
Ein letztes Mal atmete sie tief durch, dann setzte sie sich in Bewegung, sprach jeden Seemann, der einigermaßen gepflegt aussah, an.
Doch entweder waren die Männer zu sehr mit Glücksspielen beschäftigt um sich um eine Dirne zu kümmern, oder waren bereits an eine Kollegin vergeben.
Der Sturm hatte inzwischen zugelegt und die Fensterläden der Kneipe schlugen krachend auf und zu, ließen Regen und kalten Wind hinein.
Die allgemein gute Stimmung ließ sich dadurch nicht trüben – allein Elaine wurde dadurch noch missmutiger.
Inzwischen hatte sie sich an einem kleinen Tisch niedergelassen und hoffte, dass sich vielleicht jemand umentschloss und sie doch noch etwas Geld verdienen konnte.
Erneut rollte ohrenbetäubender Donner über die Stadt hinweg, übertönte das Krachen der Eingangstüren, als ein neuer Gast die Kneipe betrat.
Seine große Gestalt baute sich beinahe im gesamten Türrahmen auf, bedrohlich und einschüchternd.
Für einen kurzen Moment richtete sich die gesamte Aufmerksamkeit auf den Fremden, dann entschloss man sich, doch lieber wieder den eigenen Angelegenheiten nachzugehen.
Bei dem Fremden handelte es sich um einen kräftigen Mann, der einen kurzen Blick abschätzend über die Anwesenden wandern ließ, bevor er sich mit einem unzufriedenen Knurren dem Tresen zuwandte.
Er trug vom Unwetter komplett durchnässte Kleidung, die jedoch auf einen hohen Stand an Bord eines Schiffes schließen ließ. Vor allem sein Hut war mehr als auffällig.
Am Tresen lehnte er sich mit dem Rücken an das Holz, begann sich eine Pfeife zu stopfen.
Elaine musterte ihn interessiert.
Er könnte ihr, wenn sie Glück hatte, eine gute Summe Geld einbringen...
Entschlossen stand sie auf, warf ihre dunkelblonden Haare zurück und atmete tief durch.
Der Fremde bedachte sie mit einem mürrischen Seitenblick, als sie sich neben ihn an den Tresen lehnte, dem Wirt bedeutete, er solle ihr einen weiteren Krug bringen.
„Sie kommen nicht häufig nach Tortuga, kann das sein?"
„Möglich", knurrte er, zündete seine Pfeife an.
„Kann ich Ihnen nicht verübeln. Es gibt bessere Orte um seine Zeit zu verbringen..."
„Nicht für mich."
Sie runzelte überrascht die Stirn, suchte den Blick dieses seltsamen Mannes.
„Dürfte ich Sie fragen, weshalb?"
„Nein. Und wenn Sie mich nun in Ruhe lassen würden..."
„Entschuldigen Sie, Sir. Ich kann mir nur nicht vorstellen, dass jemand mit ihrer Ausstrahlung gerne in so ein Loch kommt. Nicht, wenn ich selbst am liebsten so weit weg wie möglich wäre - und das obwohl ich hier geboren wurde."
Der Fremde schnaubte nur kurz, den Blick stur abgewandt.
Elaine wusste, wann sie verloren hatte.
Sie griff sich ihren Krug und wollte sich gerade wieder abwenden, als der Fremde sie unerwartet zurück hielt.
„Wie ist Euer Name?"
„Elaine Smith, Sir."
Er nickte nachdenklich, winkte sie wieder zu sich.
„Ich gehe richtig in der Annahme, dass Sie eine der Frauen sind, die einen dazu bringen kann, für eine Nacht alles zu vergessen?"
„Wenn Ihr das wollt..."
Und zum ersten Mal trafen ihre Blicke aufeinander.
Seine Augen waren von einem blau so tief und dunkel wie das Meer, doch stand in ihnen eine Traurigkeit, die ihr selbst beinahe das Herz brach.
„Das möchte ich..."
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To the end of the world...
FanfictionDie Geschichte eines Lebens kann mal lang und mal kurz sein. Wenn man unter schwarzer Flagge segelt erwartet man jedoch nicht all zu alt zu werden. Dafür erwarten einen Freunde und Verbündete, Feinde, Abenteuer und Ungeheuer. Dies ist die Geschichte...