Kapitel 14
Das stetige auf und ab der Wellen grüßte mich, als ich wieder zu Bewusstsein kam.
Mit einem genervten Schnauben öffnete ich vorsichtig die Augen, blinzelte in die bereits hoch stehende Sonne.
Mir tat der Kopf weh und auch sonst meinte ich ein paar neue Prellungen aufweisen zu können.
Ich erinnerte mich an den Abend zuvor, an meine kurze Unterhaltung mit Teague und an die Männer, die meine Mutter als Geisel benutz und mich dann verschleppt hatten.
„Sie sind also wieder wach", brummte es zu meiner linken und ich wandte wenig interessiert den Kopf.
Neben mir saß ein Mann mit verdreckten braunen Haaren, seine ehemalige Offiziersjacke war ebenfalls mit Dreck beschmiert. Genau genommen sah er aus, als hätte er sich vor Ablegen des Schiffes in einem Schweinestall gewälzt.
„Und Sie wären?", brummte ich, schloss noch einmal die Augen, als eine Schmerzwelle durch meinen Kopf zog.
„Wie unhöflich von mir - James Norrington. Und Sie sind?"
„Käpt'n Smith."
„Vielleicht waren Sie Käpt'n, aber nicht auf diesem Schiff", gab er zurück und ich knurrte nur missbilligend.
„Käpt'n Smith?"
Ich öffnete überrascht die Augen wieder und blickte in ein allzu bekanntes schlankes Gesicht mit Holzauge.
„Sie sind es tatsächlich! Wir dachten, Sie hätten die Sache auf der Insel nicht überlebt", erklärte Ragetti freudig, dann musterte er mich besorgt.
„Was machen Sie eigentlich hier an Bord?"
„Lass dem Käpt'n doch mal Zeit Luft zu holen", knurrte Pintel und ich konnte mir ein amüsiertes Schnauben nicht verkneifen.
„Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte euch beide nicht irgendwie vermisst", murmelte ich, ließ mir von Ragetti auf die Beine helfen.
„Ihr drei kennt euch?"
„Natürlich! Wir haben viele Jahre unter Käpt'n Smith, sowie unter Käpt'n Barbossa gedient", erklärte Pintel und ich atmete tief durch, ließ schließlich einen Blick über das Schiff schweifen.
Schwarzes Holz, schwarze Segel...
Es konnte sich nur um ein einziges Schiff handeln und das musste auch bedeuten...
In diesem Moment öffnete sich die Kapitänskajüte und niemand anderer als Jack Sparrow erschien an Deck, hinter ihm eine gewisse blondhaarige Frau, die ich ebenfalls nicht vergessen hatte.
Sie unterhielten sich über irgendwelche Papiere, die Sparrow in den Händen hielt, doch ich schenkte dem Gespräch im Gegensatz zu Norrington keine Beachtung.
Ich sah Rot.
Zuerst nahm er mir meinen besten Freund und nun hatte er mich auch noch entführt, mir noch dazu meine Waffen genommen.
Aber das störte mich nicht, ich würde ihm den Hals mit bloßen Händen umdrehen!
Bevor Pintel und Ragetti mich aufhalten konnten, stürmte ich auch schon zähnefletschend vorwärts.
„SPARROW! Du verfluchter Mistkerl!", donnerte ich, riss den überraschten Mann im nächsten Moment von den Füßen, versenkte meine Faust in seinem Gesicht.
Schreie an Deck wurden laut und bevor ich auch nur die Möglichkeit bekam erneut zuzuschlagen, hatten mich schon mehrere Männer gepackt und von ihrem Kapitän gezerrt.
Ich wand mich in ihren Griffen, trat um mich, traf mindestens einen in seine Weichteile.
Sparrow hatte sich inzwischen wieder auf die Füße gekämpft, hielt eine Hand über seine blutende Nase.
„Du bist doch nicht noch immer wegen der Sache auf der „Isla de Muerta" wütend, oder Liebes?", wollte er nuschelnd wissen und ich spuckte ihm wütend ins Gesicht.
„Beantwortet das deine Frage, Arschloch?"
Er seufzte theatralisch, dann wandte er sich einem Mann zu, den ich ebenfalls kannte. Ich hatte ihn auf Nassau nach Gerüchten über die „Pearl" gefragt....
Wie war sein Name noch gleich?
„Gibbs, sperrt sie in die Brigg. Aber sorgt dafür, dass sie nicht bewusstlos wird - sonst könnte sie ja nicht den Kraken aufhalten", fügte er an und ich knurrte wütend.
Deswegen war ich also hier - ich sollte ihm den Kraken vom Hals halten.
Ich wehrte mich weiterhin, konnte jedoch aufgrund der Überzahl meiner Gegner nicht verhindern, dass ich tatsächlich in eine kleine Zelle unter Deck gesperrt wurde.
Natürlich hatten sie sich die kleinste Zelle ausgesucht, dafür war in dieser aber auch der Boden trocken.
Unruhig begann ich auf und ab zu schreiten, drei Schritte nach links, drei Schritte nach rechts.
Sparrow hatte also Angst vor dem Kraken.
Aber warum?
Hatte er eine Abmachung mit Jones getroffen?
Oder hatte er Jones auf eine andere Art und Weise verärgert?
Eigentlich war der Grund dahinter auch egal. Fakt war, dass der Kraken hinter ihm her war und ich ihn aufhalten sollte.
Einen Dreck würde ich tun.
Ich hatte ja schon damit gespielt den Kraken auf ihn zu hetzen, warum also sollte ich diese Gelegenheit nicht nutzen?
Warum nicht zurücklehnen und meinem großen Freund dabei zusehen, wie er das Schiff zerstörte?
„Käpt'n?"
Ich wandte mich um und neigte fragend den Kopf.
„Sollten Sie irgendetwas brauchen, vielleicht was zu trinken oder so, dann werden wir es Ihnen besorgen", verkündete Ragetti und ich konnte nicht verhindern, dass meine Mundwinkel amüsiert zuckten.
„Zuerst könntet ihr zwei mir mal erklären, was genau los ist."
„Also, Käpt'n Sparrow hatte einen Deal mit Davy Jones, der abläuft. Er sollte hundert Seelen in drei Tagen beschaffen, oder der Kraken zerstört das Schiff und frisst ihn. Und jetzt ist er auf der Suche nach dem Herz des Tentakelwesens", schloss der hagere Pirat und ich blinzelte nur ungläubig.
„Dem Herz? Ich dachte das ist nur eine Geschichte..."
„Anscheinend nicht."
„War verliebt und hat es sich dann herausgeschnitten", fügte Ragetti beinahe fasziniert an und ich schüttelte nur wieder den Kopf, verschränkte die Arme vor der Brust.
Ich hatte noch nie gehört, dass sich jemand...
Nein.
Obwohl, andererseits...
Wie sollte sich sonst der Kraken erklären lassen?
Aber warum hätte meine Mutter ausgerechnet mit ihm...?
Vielleicht täuschte ich mich aber auch.
„Käpt'n?"
„Vielleicht - vielleicht wäre was zu trinken nicht schlecht...Aber was stärkeres als Wasser", murmelte ich und ließ mich dann am Rand der Zelle zu Boden gleiten.
„Sind schon unterwegs", brummte Pintel und war im nächsten Moment schon wieder verschwunden.
Ragetti hingegen blieb noch einmal kurz zurück.
„Ist schön Sie wieder zu sehen, Käpt'n", lächelte er, dann folgte er seinem Kumpel.
Es war mein zweiter Tag an Bord des Schiffes, als die „Pearl" vor Anker ging.
Ich war nicht wirklich überrascht, als zwei Männer unter Deck kamen und mir die Hände fesselten, bevor sie mich an Deck führten.
Nach dem Dämmerlicht meines Gefängnisses blendete mich die Sonne im ersten Moment und ich stolperte beinahe über die letzte Stufe.
Als sich meine Sicht schließlich an die Helligkeit gewöhnt hatte, erkannte ich eine kleine, unscheinbare Insel.
Ebenso Pintel und Ragetti, die gerade ein Beiboot klar machten.
„Scheint wohl, als würdet Ihr uns begleiten, Miss Smith", verkündete Norrington und nahm mich meinen Wächtern ab.
„Und wohin genau?"
„Zum Herz von Davy Jones. Und ich hoffe doch, dass Ihr Euch inzwischen beruhigt habt, Liebes."
Ich zischte Sparrow nur kalt an, woraufhin er vorsichtshalber wieder einen Schritt zurück trat.
„Sie halten wohl nicht viel von Sparrow, oder?"
„Sollte ich?", entgegnete ich gereizt und Norrington schüttelte nur amüsiert den Kopf.
„Sind wir bereit zum ablegen?"
„Aye, Sir!", verkündete Pintel und Sparrow nickte zufrieden, kletterte nach den beiden Piraten hinab in das Boot. Die blondhaarige Frau folgte und nachdem Norrington anscheinend die Aufsichtspflicht für mich hatte, stieg ich vor ihm hinab ins kleine Beiboot.
Der Weg vom Schiff zum Strand war nicht weit, aber weit genug, damit Pintel und Ragetti eine ausführliche Diskussion über den Kraken und seinen Namen führen konnten.
Ich hielt mich aus dem Gespräch raus, war mehr damit beschäftigt Blondchen und Sparrow mit Blicken umzubringen.
Nicht effektiv, aber ich fühlte mich besser.
An Land angekommen schulterte Norrington zwei Schaufeln, während Pintel und Ragetti beim Boot bleiben sollten.
Blondchen war bereits mit einem Kompass in der Hand los marschiert, notgedrungen folgte ich der Gruppe.
Wir schritten durch weichen, beinahe weißen Sand und die Sonne brannte auf uns herunter.
Anfangs schob ich das Pochen in meinen Ohren auf die Hitze, doch schon bald wurde mir klar, dass es mein eigener Herzschlag sein musste, der in meinen Ohren nachklang.
Zuerst war er noch schnell, angetrieben durch die Wut in meinem Blut, doch mit jedem Schritt wurde er ruhiger, als würde er sich einem anderen Takt in der Nähe anpassen.
Wir kamen zum Stillstand, als Blondchen unschlüssig begann auf und ab zu laufen. Schließlich ließ sie sich schmollen in den Sand fallen.
„Das ist doch alles Unsinn! Und dieser Kompass zeigt garantiert nicht auf das, was wir am Meisten auf dieser Welt wollen", verkündete sie frustriert und Sparrow trat an ihre Seite, warf einen Blick auf dem im Sand liegenden Kompass.
„Das tut er, Liebes. Ihr sitzt nur drauf!"
Daraufhin verscheuchte er die junge Frau und Norrington schnaubte abfällig, griff sich dann jedoch eine Schaufel und begann mit der Arbeit.
Ich sah ihm dabei zu, abwartend und zu einem gewissen Grad auch neugierig.
Irgendetwas war dort im Sand versteckt, etwas, das mir vertraut schien...
Mit einem leichten Kopfschüttel verwarf ich diesen Gedanken wieder.
Ich musste mich eher darauf konzentrieren, wie ich entkommen konnte - am besten natürlich in einer Version, bei der Sparrow und wahlweise auch die Frau nicht lebend herauskamen.
Doch dann traf Norringtons Schaufel auf festen Untergrund.
Während er die Schaufel beiseite warf, sammelten wir uns alle um das Loch, legten mit ein paar Handgriffen eine große und alte Truhe frei.
Sie war leicht aus dem Loch zu heben und mithilfe der Schaufel zerschlug Sparrow das alte verrostete Schloss der Truhe.
Sie war gefüllt mit Briefen, handgeschrieben und sorgfältig aufbewahrt. Ein Strauß getrockneter Blumen lag ebenfalls zwischen den Umschlägen und ich ließ vorsichtig einen Finger über eines der trockenen Blütenblätter wandern.
Alles in dieser Kiste schrie nach gebrochenem Herzen, nach einer Liebe, die nicht endete, wie sie hätte enden sollen.
Sparrow inzwischen hatte eine kleinere und reichlich verzierte Kiste unter den Briefen hervorgezogen, lauschte ehrfürchtig daran.
Erleichterung, aber vor allem Zufriedenheit breitete sich auf seinem Gesicht aus, als ein gleichmäßiger, ruhiger Herzschlag zu vernehmen war.
„Es stimmt also...", murmelte Blondchen betroffen, wich verstört von der Kiste zurück.
„Ihr habt doch nicht gelogen", fügte Norrington an und Sparrow warf ihm einen beleidigten Blick zu.
„Das mache ich tatsächlich sehr häufig und trotzdem seid ihr immer überrascht", entgegnete er schmollend.
„Zu guter Recht!", mischte sich nun jemand ein, den ich sofort erkannte, obwohl er triefnass vor uns stand.
Der Welpe.
Entweder war mein Glücks- oder mein Pechtag, immerhin hatte ich alle Beteiligten von der „Isla de Muerta" nun wieder auf einem Haufen.
Die blonde Frau warf sich Turner um den Hals, verwickelte ihn in einen leidenschaftlichen Kuss, wobei ich es Vorzug meinen Blick abzuwenden.
Stattdessen widmete ich meine Aufmerksamkeit der Truhe, strich mit einer Hand über das kalte Metall.
Hastig zog ich die Hand wieder zurück, als mir bewusst wurde, dass das Herz in der Truhe im gleichen Rhythmus schlug, wie das Herz in meiner eigenen Brust.
Natürlich könnte es nur Zufall sein...aber trotzdem, eine gewisse Unsicherheit blieb.
Dennoch handelte ich aus Reflex, als Turner seine Hand auf die Truhe legte, gleichzeitig ein altes Messer in der Hand hielt.
Ohne darüber nachgedacht zu haben, zog ich die Truhe zu mir, funkelte ihn wütend an.
„Finger weg, Welpe", zischte ich angriffslustig und er starrte mich überrascht an, hatte im nächsten Moment die Klinge von Sparrows Schwert an der Kehle.
„Ich kann nicht zulassen, dass du dem Herz etwas tust. Denn auch wenn Miss Smith hier den Kraken zurück pfeifen könnte, scheint sie mir nicht sonderlich kooperativ zu sein, und ich möchte mein Leben schon gar nicht in ihre Hände legen", meinte er und ich hob wenig beeindruckt eine Augenbraue.
„Ich kann es ebenso wenig zulassen. Lord Beckett hat großes Interesse an diesem Herz und wenn ich es ihm bringe, habe ich eine Chance mein altes Leben zurück zu bekommen", mischte sich nun auch Norrington ein, zog ebenfalls sein Schwert.
Turner stahl kurzfristig das seiner Freundin.
Und schon im nächsten Moment schlugen die drei Männer wie Wilde aufeinander ein, entfernten sich immer weiter von mir und der Truhe.
Als Blondchen ihnen aufgebracht folgte, nutzte ich meine Chance.
Ich schnappte mir mit meinen noch immer gefesselten Händen die Truhe und hastete los.
Sollten die drei sich prügeln - wenn ich Glück hätte, würden sie sich Problemlos gegenseitig umbringen.
Nach kurzer Zeit kamen mir Pintel und Ragetti entgegen, starrten mich überrascht an.
„Was gibt's Männer?"
„Wo sind die anderen?", wollte Ragetti wissen und ich warf einen kurzen Blick über die Schulter.
„Die sind damit beschäftigt sich gegenseitig umzubringen. Und wenn ihr so freundlich wärt mich endlich von meinen Fesseln zu befreien, dann könnten wir uns das Schiff schnappen und mit der Beute abhauen", verkündete ich und Pintel zog sein Messer, durchtrennte meine Fesseln, während Ragetti die Truhe in der Zwischenzeit hielt.
„Die „Dutchman" ist übrigens hier - es wird nicht mehr lange dauern, bis wir angegriffen werden", verkündete Ragetti und ich nickte grimmig.
„Umso mehr ein Grund zurück aufs Schiff zu kommen. Die „Pearl" ist nicht Ziel des Kraken und selbst wenn, dann würde er mir nichts tun", schnaubte ich und hastete dann schon weiter Richtung Beiboot.
Pintel und Ragetti folgten mir.
Und plötzlich stand Blondchen vor uns, ein siegessicheres Grinsen im Gesicht, welches jedoch verflog, als sie bemerkte, dass sie uns ohne Waffen gegenüber stand.
Ich bedachte sie mit einem genervt-mitleidigen Blick, zog kurzfristig Pintels Schwert aus seiner Scheide.
„Wird Zeit, dass ich anfange meine Liste abzuarbeiten", seufzte ich und wollte soeben das Schwert heben, als der Boden unter unseren Füßen zu vibrieren anfing.
Krachend schlug sich ein altes Mühlrad seinen Weg durchs Unterholz, wobei ich auf dem Gestell Norrington sowie Turner ausmachen konnte. Sparrow erschien kurz darauf ebenfalls zu Fuß, hechtete dem Mühlrad hinterher.
„Ist so etwas normal?", wollte ich ungläubig wissen und die anderen zuckten nur mit den Schultern.
„In der Regel", antwortete die Frau mir gegenüber und ich schüttelte nur überrascht den Kopf, bevor ich mich ihr wieder zuwandte.
Doch erneut wurden wir unterbrochen - diesmal von einer Axt, die sich in den Stamm einer Palme auf Höhe unserer Köpfe bohrte.
Ein Blick zurück offenbarte eine Meute aus Männern, die mehr nach menschlichen Korallenriffen aussahen, als nach Seemännern.
„Lauft!"
Das musste ich nicht zweimal sagen. Pintel und Ragetti hasteten mit der Truhe in je einer Hand voran, während ich direkt hinter ihnen blieb, die Blondhaarige dicht auf meinen Fersen.
Zu unserem Pech war die Crew der Dutchman jedoch schneller und schon wenige Augenblicke später mussten wir Schwerthieben und Schlägen ausweichen.
Ich focht gegen einen Mann, dessen Kopf die Form eines Hammerhais angenommen hatte und der anscheinend das Kommando über die Truppe führte.
Er war ein guter Kämpfer, aber ich war besser.
Den Abgrund sahen wir jedoch beide nicht.
Während Pintel und Ragetti dem Trampelpfad den Hang hinab folgten, nahmen der Haifischkopf und ich den direkten Weg hinab, rollend und rutschend und unter der Entstehung einiger Prellungen.
Noch dazu landete ich mit dem Gesicht voran im weißen Sand.
Anscheinend war es doch mein Pechtag.
Vom Sturz benommen rollte ich mich auf den Rücken, spuckte so viel von dem Sand aus, wie möglich war. Dennoch knirschte immer noch etwas unangenehm zwischen meinen Zähnen.
Die Meute donnerte an mir vorbei, woraufhin ich mich langsam wieder auf die Füße stemmte, mir gleichzeitig den Sand aus dem Gesicht wischte.
Der Kampf hatte sich nun um das Beiboot verlegt und irgendwann war Sparrow ebenfalls dort aufgekreuzt.
Ich konnte erkennen, dass er Pintel und Ragetti die Truhe abgenommen hatte und fluchte laut.
Das konnte nichts Gutes bedeuten.
Noch bevor ich zu den Kämpfenden aufgeschlossen hatte, nahte krachend das Mühlrad, zog eine Schneise von umgeworfenen Piraten durch den Küstenstreifen, bis es schließlich umfiel und lautstark ins Wasser schlug.
Norrington und Turner kletterten benommen daraus hervor.
Ich wurde von einem Mann mit Muräne im Bauch entdeckt, konnte gerade noch rechtzeitig seiner Klinge ausweichen.
Auch der Haifischkopf hieb erneut auf mich ein und gemeinsam schafften sie es, mich immer weiter ins Wasser zu treiben.
Das würde nicht gut enden. Für keinen von uns, solange die Crew nicht die Truhe bekam. Aber ich befand mich schon zu weit vom Ruderboot entfernt um ihnen die Truhe zuzuwerfen.
„Verdammt, ich will die Truhe doch gar nicht", giftete ich den Haifischkopf an, parierte einen Schlag auf meinen rechten Arm.
Doch dieser knurrte mich nur wütend an, versetzte mir einen Stoß gegen die Brust. Ich taumelte aufgrund des Wasserwiderstandes, konnte mein Gleichgewicht jedoch gerade so noch halten.
Der erwartete nächste Hieb blieb jedoch aus.
Ich blinzelte überrascht, senkte mein Schwert, als die beiden Männer vor mir sich abwandten und wieder Richtung Insel hasteten.
Was war nun schon wieder geschehen?
Meine Antwort fand ich, als ich Norrington erkannte, der zusammen mit der Truhe im Urwald verschwand.
Da konnte doch etwas nicht stimmen.
Weshalb sollte er sich opfern, damit der Rest entkommen konnte?
Apropos entkommen...
Ich wandte mich dem Ruderboot zu, doch die panischen Piraten hatten es bereits in die Wellen geschoben und ruderten was das Zeug hielt.
Genau genommen war ich nicht erpicht darauf zurück an Bord der „Pearl" zu kommen, solange Sparrow dort Kapitän war, aber auf dieser Insel wollte ich nun auch wieder nicht zurück bleiben.
Mir blieb also nichts anderes über, als zu schwimmen.
Frustriert schnaubend schob ich das Schwert ein, sprang dann in die Wellen des kristallklaren Wassers und schwamm.
Als ich den halben Weg zum Schiff zurückgelegt hatte, erschien sie.
Einem Korken gleich brach die „Flying Dutchman" durch die Meeresoberfläche, hatte sich längsseits der „Pearl" gelegt.
Die „Dutchman" war um einiges größer als die „Pearl" und ich konnte mir gut vorstellen, was für ein stattliches Schiff unter dem grünen Algenbewuchs stecken musste.
Zu meinem Unglück musste ich jedoch auch mit ansehen, wie die „Pearl" den Anker lichtete.
„Verdammte Scheiße", knurrte ich, schwamm lieber weiter, als noch länger zu starren.
Ohne Hilfe würde ich es dennoch wohl nicht schaffen das Schiff noch rechtzeitig zu erreichen.
Aber Hilfe war näher, als ich erwartet hatte.
Er begrüßte mich mit einem herzlichen Stups gegen mein Bewusstsein, wie ein Gefühl von Wärme, dass sich in mir Ausbreitete-eine Geste, die mich zum lächeln brachte und die ich nur zu gerne erwiderte.
Einem Donnerschlag gleich hallten die ersten Schüsse der „Dutchman" durch die Luft.
„Du könntest mich nicht zufällig auf dem Schiff absetzen?", murmelte ich leise, hatte es inzwischen aufgegeben weiter zu schwimmen.
Die „Pearl" hatte volle Segel gesetzt und war somit für mich außer Reichweite. Selbst die „Dutchman" würde ich nicht erreichen können...
Er warnte mich nicht vor, sondern packte mich mit einem Tentakel, vorsichtig aber bestimmt um die Hüfte, zog mich im nächsten Moment unter Wasser.
Gerade noch rechtzeitig konnte ich die Luft anhalten, krallte mich in das weiche Fleisch des Kraken. Die Wassermassen drückten auf mich ein und bevor ich mich an die Ereignisse im Hurrikane erinnern konnte, wurde ich schon wieder aus dem Meer gehoben und so vorsichtig wie möglich an Deck eines Schiffes abgesetzt.
Hustend klammerte ich mich zuerst noch an den Tentakel, dann an die seltsam glitschige Reling.
„Das nächste Mal wäre eine Warnung nett", knirschte ich und er ließ mir nur seine Belustigung für einen kurzen Moment zukommen.
Ich versuchte ein Lächeln zu unterdrücken, atmete tief durch.
Jetzt musste ich nur noch Sparrow von Bord werfen und die Sache hätte sich erledigt.
„Und wer, wenn ich fragen darf, seid Ihr?"
Aufgrund der fremden Stimme wandte ich mich überrascht um, sah im nächsten Moment in das misstrauische Gesicht von Davy Jones.
Er hatte soeben den Befehl gegeben die Bugkanonen gegen die „Pearl" einzusetzen, als der Krake mit ihnen aufgeschlossen hatte.
An sich nichts ungewöhnliches, aber das er im nächsten Moment eine triefnasse Frau neben ihm auf dem Achterdeck absetzen würde, brachte ihn doch etwas aus der Fassung.
Hustend stützte sie sich zuerst am Kraken und schließlich an der Reling ab, fand ihr Gleichgewicht wieder.
„Das nächste Mal wäre eine Warnung nett", knirschte sie und der Kraken ließ von ihr wieder ab, zog sich in die Tiefen unterhalb des Schiffes zurück.
Auch der Rest der Crew hatte ihre Aufmerksamkeit inzwischen auf die Fremde an Deck gerichtet.
Er schüttelte kurz die Verwunderung von sich ab, dann funkelte er sie misstrauisch an.
„Und wer, wenn ich fragen darf, seid Ihr?", zischte er und sie wandte sich ihm überrascht zu.
Er würde sie auf Anfang vierzig schätzen, dunkelblonde Haare, kantiger Körper. Ihre Kleidung sprach von einem höheren Stand an Bord, auch wenn ihre Körperhaltung davon schließen ließ, dass sie normalerweise noch einen Mantel trug; eine Kette mit einem seltsamen Medaillon hing um ihren Hals.
Was ihn jedoch faszinierte, waren ihre Augen.
Augen, so tief und wild wie das Meer, von einem blau, dass an die Farbe des Meeres über einem Abgrund erinnerte.
Das gleiche blau, auf welches er früher so stolz gewesen war, als er noch seine menschliche Gestalt hatte annehmen können.
Die anfängliche Überraschung wich aus ihrem Gesicht und sie erwiderte seine Musterung mit erhobenem Kopf, deutete schließlich eine leichte Verbeugung an.
„Ich bin Cathrin Smith, Käpt'n der „Feuertiger"."
Seine Hände zuckten vor Vorfreude, als er erkannte, wer ihm da soeben auf dem Silbertablett serviert worden war.
Cathrin Smith.
Diese verdammte Laus, die ihm die Kontrolle über den Kraken streitig machte!
„Was für ein Zufall - wir haben nämlich schon eine ganze Weile nach Ihnen gesucht", knurrte er aufgebracht und bedeutete zwei Männern sie festzuhalten.
Doch sie war schneller, zog ein altes Schwert aus ihrem Gürtel und griff an.
Er rechnete damit, dass seine Männer schnell mit ihr fertig werden würden, wandte sich deshalb auch wieder dem fliehenden Schiff zu.
Um Smith würde er sich kümmern, sobald Sparrow seine Schuld beglichen hatte.
Die „Pearl" war inzwischen weit aus ihrer Reichweite gekommen, nicht einmal mehr die Bugkanonen konnten ihr noch Schaden zufügen.
Diese Jagd konnten sie auf diesen Weg nicht gewinnen.
Also gab er den Befehl das Schiff wieder zu verlangsamen und stattdessen den Kraken auf die „Pearl" anzusetzen.
Ein Schrei brachte ihn dazu sich wieder umzuwenden und er bekam gerade noch mit, wie Miss Smith auch den zweiten seiner Männer über die Reling warf.
Sie atmete schwer, aber in ihrem Gesicht stand Entschlossenheit. Unerschütterlich und gefährlich.
Er schnaubte abwertend.
Musste er sich auf diesem Schiff um alles selber kümmern?
Er wandte sich ihr direkt zu, zog nicht einmal seine Waffe.
Bevor sie reagieren konnte, hatte er mit seiner mutierten Hand bereits ihre Deckung durchbrochen, rammte sie gegen die Reling.
Die Krabbenschere schloss sich schmerzhaft um ihren Hals und reflexartig hatte sie ihr Schwert fallen gelassen.
„Ich sollte Sie für Ihren Mut bewundern, Miss Smith. Oder handelt es sich eher um Wahnsinn?", zischte er und sie schnappte nur mit aufgerissenen Augen nach Luft.
Er war jedoch erstaunt keine Angst in ihrem Blick zu sehen.
Sie nahm ihren baldigen Tod an - zwar nur widerwillig, doch die Akzeptanz war da.
„Fürchtet Ihr den Tod, Miss Smith?"
In diesem Moment spürte er selbst abgestumpft den Schmerz, den der Kraken erlitt, als die Crew der „Black Pearl" sich gegen ihren Untergang wehrte.
Er ignorierte ihn, stutzte jedoch, als sich das Gesicht der Frau vor ihm vor Schmerzen beinahe grotesk verzog.
Jedoch hatte er seinen Griff weder verstärkt, noch gelockert.
Konnte es wirklich möglich sein, dass sie...
Es konnte nicht möglich sein.
Es gab keinen Weg, wie so etwas möglich sein könnte.
Keinen außer vielleicht einen...
Aber diese Möglichkeit wollte er nicht einmal ansatzweise in Betracht ziehen.
Es war absurd.
Es war falsch.
Es musste eine andere Erklärung geben...
„Die Kanonen, schnapp dir die Kanonen", röchelte sie beinahe unhörbar, doch schon im nächsten Moment schossen die Tentakel des Kraken aus dem aufgewühlten Meer und steuerten zielstrebig die Geschütze der Galeone an.
Er wollte nichts mehr davon sehen!
Gerade als er ihr mit einer schnellen Bewegung das Genick brechen wollte, geschah es.
In einem verzweifelten Versuch sich vielleicht doch von ihm zu befreien, hatte sie ihre eigenen Hände auf die Krabbenschere gelegt.
In diesem Augenblick verstummte die Welt um sie herum und nur ihr Herzschlag, hastig aber gleichmäßig dröhnte in seinen Ohren, stach ihm bei jedem Schlag einem Messer gleich in die Brust.
Fühlte es sich so an, wieder ein Herz zu besitzen?
Er war sich nicht wirklich sicher...
Und noch etwas geschah.
Mehr als deutlich spürte er den Schmerz, den er ihr zufügte, spürte ihn, als wäre es sein eigener.
Er zog seine Hand hastig wieder zurück, beinahe als hätte er sich an ihr verbrannt.
Der Herzschlag in seinen Ohren verstummte, doch die Schmerzen blieben, wenn auch in abgeschwächter Form.
Während er vor ihr zurück wich, stützte sie sich an der Reling ab und versuchte wieder so viel Luft wie möglich in ihre Lunge zu pumpen.
Was genau war geschehen?
Gab es etwa eine Verbindung zwischen dieser Frau und ihm?
Wie konnte so etwas nur möglich sein?
Am liebsten hätte er sie erledigt, diesen Haufen Fragen aus seinem Leben gestrichen, doch er wagte es nicht.
Was, wenn er nicht nur ihre Schmerzen fühlen konnte?
„Richtet ein Beiboot für Miss Smith her", befahl er barsch und die Männer beeilten sich der Aufforderung Folge zu leisten.
„Sie müssen lernen, sich vor seinen Schmerzen zu verschließen. Bauen Sie sich eine Mauer um ihren Verstand, die den Schmerz abhält", brummte er und sie sah ihn überrascht an, hob langsam ihr Schwert wieder auf.
„Ich werde es versuchen", murmelte sie schließlich außer Atem und er nickte knapp.
Das Beiboot wurde zu Wasser gelassen und er musterte sie ein letztes Mal.
„Mischen Sie sich nicht noch einmal in meine Angelegenheiten ein oder sie werden nicht so glimpflich davon kommen", drohte er und entgegen seiner Vermutung lächelte sie leicht.
„Solange es weder mein Schiff noch meine Freunde und Familie betrifft", gab sie zurück, dann neigte sie unerwarteter Weise respektvoll den Kopf und wankte die Treppe zum Achterdeck hinab und zur Reling.
Sie warf noch einen kurzen Blick zurück, bevor sie über Bord kletterte und in das Ruderboot stieg.
„Sir, warum lassen wir sie noch einmal gehen?"
Er hatte keine Antwort darauf.
Er wusste nicht, was gerade geschehen war.
Er wusste jedoch, dass der Schmerz in seiner Brust langsam nachließ, je weiter sie sich von der „Dutchman" entfernte.
Erneut heulte der Kraken auf, eine Explosion erschütterte die „Pearl".
Sein Blick huschte zu Miss Smith, die im Beiboot zusammengebrochen war und er atmete tief durch.
Es gab einiges über das er nachdenken musste, aber zuerst musste er etwas nachprüfen. Er musste sicher sein, dass dieses verfluchte Ding wirklich in Sicherheit war.
„Holt die Truhe her", knurrte er und Maccus hastete sofort los, um sie von ihrem Platz auf dem Deck zu beschaffen.
Währenddessen beobachtete er zufrieden, wie der Kraken seinen finalen Schlag gegen die „Black Pearl" und ihren Kapitän führte, beide in die Tiefe zog.
Immerhin etwas, das nach Plan verlaufen war.
„Sparrow, unsere Rechnung ist somit beglichen", knurrte er, war sich der unsicheren Blicke seiner Crew bewusst.
„Nicht einmal Sparrow kann den Teufel besiegen", murmelte Maccus und er versuchte den Kommentar zu ignorieren, doch seine Nervosität stieg.
Tatsächlich hatte Sparrow viel zu oft ein unverschämtes Glück...
„Öffnet die Truhe."
„Sir?"
„Öffnet die Truhe! Ich will es sehen!", blaffte er, bevor er es sich anders überlegen konnte.
Die Männer taten, wie ihnen befohlen und er zögerte nicht lange den Deckel zu öffnen.
Was ihn jedoch erwartete, füllte ihn mit einer Angst und einer Wut, die er noch nie zuvor verspürt hatte.
Das Herz war verschwunden.
Ich lag in dem alten Beiboot und starrte hinauf in den dunkler werdenden Himmel.
Die Schmerzen des Kraken hatten langsam nachgelassen und seit er die „Pearl" hinab gezogen hatte, dümpelte er neben mir durch das Meer, hatte einen Tentakel zu mir ins Boot gelegt.
Ich kraulte das gummiartige Fleisch tröstend und dachte nach.
Die Begegnung mit Davy Jones war anders verlaufen, als ich erwartet hatte.
Ich war mir sicher gewesen, dass er mich töten würde.
Bis zu dem Moment, als ich den Versuch unternommen hatte, seine Krabbenschere von meinem Hals zu lösen.
Für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl gehabt, als ob es eine Verbindung zwischen uns beiden geben würde. Eine Gemeinsamkeit, für die es keinen Namen gab.
„Denkst du, es wäre tatsächlich möglich?", murmelte ich und der Kraken brummte nachdenklich, wobei mein Kopf zu vibrieren schien.
„Wie könnte man sonst unsere Verbindung erklären...?"
Er brummte wieder, tätschelte mir mit dem Tentakel leicht über den Bauch.
„Sind die anderen eigentlich noch in der Nähe? Es wird langsam dunkel", seufzte ich und richtete mich im Boot wieder auf.
Tatsächlich war das Beiboot der „Pearl" nicht allzu weit von uns entfernt, hielt geradewegs auf die Flussmündung eines Mangrovenwaldes zu.
Schon bald würde das Wasser zu seicht für den Kraken werden.
„Nun gut, mein Großer. Wir werden uns bald wieder sehen, denke ich", murmelte ich und gab dem Tentakel einen abschließenden Klopfer.
Er hingegen stupste mich mental noch einmal an, dann tauchte er.
Für einen kurzen Moment sah ich ihm hinterher, hielt die Ruder bereits in der Hand.
Manchmal frug ich mich schon, ob er von Davy Jones die gleiche Zuneigung gezeigt bekam, wie von mir. Und dann stellte ich mir vor, wie der Kapitän der „Flying Dutchman" an der Reling stand und mit seinem Kraken redete, wie manch einer mit seinem Hund.
Lachend schüttelte ich über diesen Gedanken den Kopf und begann lieber zu rudern.
Doch es war anstrengender und schwieriger als ich dachte, so ein großes Beiboot komplett alleine zu steuern, erst Recht, wenn man auf dem Weg in einen Sumpf war und man mit dem Rücken zum Ziel saß.
Es dauerte also nicht lange, bis ich das Boot gegen eine gewaltige Wurzel gesetzt hatte und nicht mehr frei bekam.
„Verdammt..."
Wenn ich nicht die Nacht im Beiboot verbringen wollte, musste ich schwimmen.
Vielleicht hätte ich mich doch an die nächste Insel halten sollen, anstatt den Überlebenden der „Pearl" zu folgen.
Aber jetzt war es schon zu spät und die Sonne sank schnell.
Mit wenig Begeisterung kletterte ich aus dem Beiboot und war nur froh, dass das Wasser noch einigermaßen warm war.
Auch wies die Flussmündung keine starke Strömung auf, weshalb ich relativ schnell vorwärts kam.
Doch je tiefer ich in die Mangroven eindrang, desto mehr spürte ich das Verlangen wieder umzudrehen.
Überall aus den Schatten erschienen Menschen, hielten Kerzen in den Händen und schienen entweder zu beten, oder zu singen.
Als das Wasser niedrig genug war um darin stehen zu können, watete ich unbehaglich zwischen den Gestalten weiter, hielt eine Hand am Schwert und versuchte zu ignorieren, wie sich die Härchen an meinem Nacken unheilvoll aufgestellt hatten.
Der Sumpf hatte eine ähnliche Ausstrahlung wie die „Isla de Muerta" damals und gefiel mir somit überhaupt nicht.
Ich watete um eine Biegung des Flusses und fand mich vor einer Hütte wieder. Sie stand auf Stelzen und schien von außen geräumig, aber gleichzeitig auch abschreckend.
Doch weniger abschreckend war das vertäute Beiboot, sowie die mir bekannte Gestalt, die auf der Veranda des Hauses stand und sich bei meinem Anblick an seinem Getränk verschluckte.
„Heilige Maria, Mutter Gottes", stieß er aus und ich schnaubte nur genervt, legte die letzten Meter zu der Leiter zurück.
Inzwischen war auch Ragetti auf der Veranda erschienen und im Gegensatz zu Mr. Gibbs beeilte er sich mir die Leiter hinauf zu helfen.
„Käpt'n Smith! Wir dachten sie wären der Crew der „Dutchman" zum Opfer gefallen", verkündete er und ich strich mir die nassen Haare aus dem Gesicht.
„Warum glauben immer alle, ich wäre so leicht zu töten?", knurrte ich empört und Gibbs räusperte sich verlegen.
„Wir alle Trauern um Jack, Sie müssen deswegen nicht gleich so unhöflich sein."
Ich starrte ihn einen kurzen Moment überrascht an, dann konnte ich mir ein sarkastisches Lachen nicht verkneifen.
Doch so schnell wie es begonnen hatte, beendete ich es auch wieder.
„Ich sehe keinen Grund über den Tod dieses Mistkerls zu trauern, Mr. Gibbs. Meine schlechte Laune rührt wohl eher daher, dass ich gerade diesen verdammten Fluss hinauf geschwommen bin und den ganzen Tag weder etwas zu trinken, noch etwas zu essen hatte", erklärte ich schroff und er zuckte leicht zusammen.
„Cathrin Smith, ich habe Euch bereits erwartet."
Ich wandte mich unbeeindruckt um, musterte die etwas kleinere Frau vor mir skeptisch.
„Haben Sie das? Dann haben Sich auch hoffentlich ein Handtuch oder immerhin etwas zu trinken für mich?"
Im nächsten Moment wurde mir wortlos ein warmer Becher in die Hand gedrückt und ich atmete erleichtert durch.
„Immerhin etwas. Danke."
„Sie haben tatsächlich seine Augen", bemerkte die dunkelhäutige Frau mit dem schweren Akzent und den schwarzen Haaren.
„Interessant. Ich werde mich jetzt drinnen etwas aufwärmen, wenn Sie nichts dagegen haben", brummte ich abweisend und betrat das vollgestopfte Innere des Hauses.
Ich konzentrierte mich gar nicht auf die ganzen Gegenstände, Gefäße, Tierreste und was weiß ich noch was, dass in diesem Raum herumstand, sondern analysierte nur kurz die Gesichter um mich herum - allen voran Blondchen und Turner.
„Wenn ich es mir noch einmal anders überlegen kann, dann bleib ich wohl doch lieber draußen", schnaubte ich und wollte mich schon wieder umwenden, doch die Fremde hatte mir bereits den Weg versperrt.
„Ihr seid aus einem Grund hier. Wartet noch einen Moment und er wird Euch offenbart", meinte sie und ich verdrehte nur genervt die Augen.
Es waren zu viele Leute anwesend die ich nicht ausstehen konnte, ich hatte Hunger und wollte eigentlich nur wieder zurück nach Tortuga um dort eine kleine Angelegenheit mit meiner Mutter zu klären und schließlich mit meinem eigenen Schiff wieder in See zu stechen. Ich hatte keinen Nerv und keine Lust, mich auf irgendwelchen mystischen Schnickschnack einzulassen.
Die Frau verteilte weiterhin warme Getränke an die anderen und neben Ragetti trat auch Gibbs wieder in die Hüte, blieb im Türrahmen stehen.
„Auf Jack. Er war ein Gentleman unter den Piraten", verkündete Gibbs und hob seinen Becher und der Rest folgte mit ähnlichen Lobpreisungen.
Ich jedoch schwieg und nahm einfach einen Schluck von dem Getränk, das sich als aufgewärmter Rum entpuppte.
Er schmeckte nicht schlecht und schaffte es tatsächlich ein wenig die Kälte in meinem Körper zu vertreiben. Es würde jedoch nichts bringen, solange meine Kleidung noch immer vom Flusswasser tropfte.
„Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe...", begann plötzlich der Welpe und ich warf ihm einen skeptischen Blick zu.
Was hatte er jetzt vor?
Die dunkelhäutige Frau wandte sich ihm jedoch ruckartig zu.
„Was würdest du tun? Was würde ein jeder von Euch tun um den einzigartigen Jack zurück zu holen, hm?"
Sie wandte sich jedem von uns zu, wobei ich nur wenig beeindruckt eine Augenbraue hochzog.
Als ob man die Toten einfach zurück holen könnte.
Das war unmöglich und in diesem Fall auch unnötig.
„Würdet ihr zum Ende der Welt segeln und darüber hinaus, hm?"
„Aye!"
Gibbs war der Erste der Zustimmte, alle anderen folgten kurz darauf, sogar Pintel und Ragetti.
Ich jedoch blieb stumm, lehnte mich an die Tür eines alten Schrankes und erwiderte ihre abwartenden Blicke kalt.
„Was? Ich bin nicht bereit mein Leben für Sparrow zu riskieren. Von mir aus kann er dort verrotten, wo er jetzt ist", zischte ich angriffslustig, wartete nur darauf, dass sie mich herausforderten.
Doch bevor Gibbs oder jemand der anderen den Mund öffnen konnte, trat unsere Gastgeberin auf mich zu, betrachtete mich forschend.
„Du hast nicht nur seine Augen, sondern auch noch seine Schwächen. Du hast ein gebrochenes Herz und versuchst es nun mit Grausamkeit zu verstecken, Kind. Aber ich glaube, ich kenne jemanden, der dir helfen kann", eröffnete sie mit einem wissenden Lächeln, auf welches ich nur erneut die Augen verdrehte.
„Verschonen Sie mich mit Ihren mystischen Aussagen, Miss. Sobald ich etwas trockener bin, mach ich mich wieder auf den Weg nach Tortuga."
Sie lächelte jedoch weiter und nach einem kurzen Moment wandte sie sich wieder von mir ab.
Komische Frau...
„Wenn ihr zum Ende der Welt segelt, braucht ihr einen Käpt'n, der sich in diesen Gewässern auskennt", fuhr sie mit ihrer vorherigen Rede fort, wandte sich einer versteckten Treppe zum oberen Stockwerk zu.
Schritte näherten sich.
Schritte, die ich überall wieder erkennen würde.
Die Schritte eines Toten.
Ich richtete mich auf, spähte über Gibbs hinweg, der nun ebenfalls in die Hütte getreten war und mir die Sicht verdeckte.
Mir war beinahe schlecht, während mein Herz schmerzhaft gegen meine Rippen hämmerte.
Ich hatte mich nicht getäuscht.
Es war niemand geringeres als Hector Barbossa, der auf der letzten Stufe stehen blieb, Jack den Affen auf den Schultern und einen Apfel in der Hand.
„Sagt mir, was ist aus meinem Schiff geworden?"
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To the end of the world...
FanfictionDie Geschichte eines Lebens kann mal lang und mal kurz sein. Wenn man unter schwarzer Flagge segelt erwartet man jedoch nicht all zu alt zu werden. Dafür erwarten einen Freunde und Verbündete, Feinde, Abenteuer und Ungeheuer. Dies ist die Geschichte...