Epilog

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Die Luft ist winterlich kalt, der Tag neigt sich dem Ende und ein kühler Wind heult an jedermanns Fenster vorbei. Sowie üblich zu dieser Jahreszeit, liegt die Welt auch am zweiten Weihnachtsfeiertag bereits um sechs Uhr im Dunklen. Während die Nachbarn in dicken Jacken eingepackt und trotzdem fröstelnd von ihrem Spaziergang mit dem Hund heimkehren, liegen im Nebenhaus zwei Jungs im Bett. Mika und John, von Heizungsluft warm gehalten, und so zufrieden, wie sie es nur sein könnten.

„An was denkst du gerade?", fragt Mika seinen Freund und bewundert die leuchtende Wand vor seinem Bett. Das leise Stimmengewirr, das aus dem Wohnzimmer bis nach oben dringt, erscheint nicht störend, sondern angenehm.

„An nicht viel. Ich bin einfach glücklich."
Wie Mika legt John nun die Hände unter seinen Kopf und lässt sich von den Lichtern der Lichterkette berieseln. Sie erhellen den Raum gerade so viel, wie es nötig ist und wirken wie kleine Sterne zum Anfassen. Die Füße der beiden ruhen auf Mika's Kopfkissen, denn die achtjährigen Jungs von damals, die sie im Herzen noch immer sind, haben sich verkehrt herum auf das Bett gelegt.

John hat allen Grund dazu, glücklich zu sein. Anlässlich der besinnlichen Zeit sind ihre Familien zusammengekommen. Im Wohnzimmer finden sich Mika's Eltern, John's Mutter, Tom, Anna, Lea und Mika's Großeltern. Es ist eine bunte Mischung, in der jeder einzelne willkommen ist. Damit es harmonisch zugeht, wurden für den heutigen Tag jegliche Streitigkeiten beiseite geschoben, oder -in Carinas und Toms Fall- auf ein Minimum reduziert.

„Schon Vorsätze oder Pläne für's neue Jahr?", hakt der Schwarzhaarige nach.
„Drogenfrei bleiben. Du?"
Mika kann stolz auf sich sein. Nicht jeder Tag ist gut, doch seit dem Ende ihrer Reise vor ein paar Monaten macht er wöchentlich Fortschritte bei Herrn Neumann. Er bleibt konsequent und hält sich von Alkohol sowie anderen Substanzen fern.

„Leben."
Existiert hat John schon lange genug. Nun wird genossen, gelacht und geliebt. Um das in die Realität umsetzen zu können, hat er sich nach seinem Klinikaufenthalt ebenfalls für eine ambulante Therapie entschieden. Er ist zurück in seiner Wohngruppe und besucht wieder die Schule. Mit Mika trifft er sich jedes Wochenende entweder in Köln, oder hier in Düsseldorf.

„Und was machst du nach dem Abi?", entgegnet John grinsend. Bei Kaffe und Kuchen hat Mika's Oma ihren Enkel das mehrmals gefragt. Es schien, sie hoffe irgendwann eine Antwort darauf zu bekommen, die ihr besser gefällt.

„Ich fahre mit meinem besten Freund an die Ostsee."
Mika lächelt entwaffnend und steckt John damit an. Ihre Wangen sind durch die Wärme leicht errötet. Geplant ist ein längerer Urlaub in Grömitz, um sich von dem Schulstress zu erholen und Fiona näher kennenzulernen. Viel weiter haben Mika und John noch nicht gedacht.

Besser als manch anderer wissen sie das Glück ihrer aktuellen Lebenssituation zu schätzen und wollen es auskosten, solange sie nur können. Sollen Gleichaltrige sich doch stressen lassen, sich mit den Lerninhalten im Studium plagen, oder sich in nur wenigen Jahren zum CEO eines erfolgreichen Unternehmens hocharbeiten. Die zwei Freunde haben ihr eigenes Tempo, und das ist auch gut so.

„Mika! John! Es gibt Abendessen. Kommt ihr runter?", hören sie die liebevolle Stimme von Carina.
„Oh man", stöhnt der Braunhaarige. „Ich will nicht."
Auch wenn das Miteinander toll ist, können Verwandte ziemlich anstrengend sein und Druck ausüben. Die Ruhe mit John war für Mika wie eine Erholung von der erholsamen Zeit.

„Ich hab' Bauchschmerzen", nuschelt der Schwarzhaarige gähnend und streckt seinen Körper durch.
„Bauchschmerzen?" Mika's Sorge um ihn ist sofort geweckt. Wenn es etwas gibt, das seinen Freund bedrückt, möchte er es für ihn aus der Welt schaffen.
„Gute Bauchschmerzen", korrigiert John. „Zu viel gegessen."
Er denkt an das ausgiebige Frühstück, das Mittagessen und an den Schokoladenkuchen vom Nachmittag. Alles war wirklich lecker, doch insgesamt genug für ihn.

„So so. Gute Bauchschmerzen. Ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt."
Mika fährt mit seiner kühlen Hand unter John's hellblaues T-Shirt und legt sie auf seinen Bauch. Zart beginnt er, ihn in kreisenden Bewegungen zu streicheln.
Lass das, das kitzelt", entgegnet John stirnrunzelnd. Sobald er Mika's schelmisches Lachen hört, weiß er, dass er das nicht hätte sagen sollen. Der inzwischen 18 Jährige sieht dies nämlich nicht als Anlass zu stoppen, sondern viel mehr als eine Einladung intensiver weiterzumachen.

Er richtet sich auf, beugt sich über ihn und kitzelt ihn mit beiden Händen. John kann nichts anderes tun, als zu versuchen, ihm zu entkommen und zu glucksen.
„Mika! Mika stop", lacht er herzhaft. Es ist ein Spiel aus Nähe und Distanz. Der Schwarzhaarige zieht seinen Oberkörper weg, sucht aber gleichzeitig den Kontakt zu seinem Vertrauten. In einem Moment gelingt es ihm, das Ruder herumzureißen. Er dreht sich samt Mika auf die andere Seite, sodass er nun über ihm kniet. Die unbändigen Arme seines Freundes fixiert er eng neben dessen Oberkörper.

Plötzlich schießt die Tür auf und Fiona kommt hinein. Beide stoppen das Rumgealbere und blicken zur ihr. Mika sieht die junggebliebene Frau von seiner Position aus nur auf dem Kopf.
„Es gibt essen. Habt ihr das nicht mitgekriegt?", erkundigt sie sich. Sie betrachtet die Jungs etwas länger, als probiere sie zu verstehen, was genau sie dort machen.
„Ich...ehm...kommt ihr runter? Oder soll ich sagen, dass ihr...ehm...beschäftigt seid?", schlägt sie vor.

„Die zweite Option wäre super. Danke dir", antwortet John, woraufhin der Junge unter ihm bestätigend nickt.
„Gut, dann...ehm...viel Spaß euch noch." John's Mutter winkt einmal und verlässt eilig das Zimmer, um sie nicht weiter zu stören. Ihr Sohn steigt von Mika herunter und legt sich wieder neben ihn auf das Bett.
„Ziemlich coole Frau", kommentiert jener. Er weiß genau, seine Eltern hätten die zwei genötigt, sich wenigstens mit den Anderen an den Tisch zu setzen. Auch ohne etwas zu essen.

John dreht seinen Kopf zur Seite, platziert seine Stirn genau an der des Braunhaarigen.
„Ich hoffe die sind uns nicht sehr böse. Ich hab' sie alle gern, aber was soll ich denn machen? Es ist eben keiner wie du", schmunzelt Mika. Er betrachtet den Lockenkopf wie ein farbenfrohes Kunstwerk und beißt sich verführerisch auf die Unterlippe.

„Kein einziger", erwidert John und denkt dasselbe über seinen Freund. Beide spüren den warmen Atem des jeweils anderen auf ihrer Haut. Sie schauen einander in die Augen, in warmherziges Braun und treues Blau, und fühlen sich wahrhaftig geliebt. Mehr können sie sich vom Leben nicht wünschen.

Was an diesem magischen Abend noch passiert oder auch nicht passiert, bleibt ein Geheimnis, das nur die zwei Jungs kennen. Eine Sache ist jedoch so sicher wie das Amen in der Kirche: Das Band, das sie verbindet, werden sie unter keinen Umständen noch einmal aus den Augen verlieren.

Keiner Wie DuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt