03| Liebeschaos

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MIKA

Ich quetsche mich durch die Menschenmenge und gehe die Treppe hoch, bis zu Alyas Zimmer. Als ich angekommen bin, lasse ich die Tür zu knallen und lehne mich aufgebracht davor. Tief ein und wieder ausatmen. Ein und wieder aus. Alles wird gut, du willst das doch gar nicht Mika. High sein, sich wie der Größte fühlen und der überfordernden Realität entfliehen. Das hat dir bis jetzt nur doppelt so viele Probleme bereitet, versuche ich mich selbst zu überzeugen. Wie konnte ich nur so blöd sein und denken, ich würde auf dieser Party Spaß haben?

„Mika?", höre ich auf einmal eine Stimme aus dem dunklen Raum. Ich blicke auf und finde meine beste Freundin Alya. Sie sitzt im Schneidersitz auf dem Boden vor ihrem Bett.
„Hey, alles in Ordnung? Wo ist Nora?", frage ich und bin ein bisschen besorgt. Bis gerade eben lief es doch noch super für die Beiden.
„Sie ist gegangen. Irgendein Notfall in ihrer Familie." Alya seufzt enttäuscht.
„Achso", sage ich und bin froh, dass ihr nicht das Herz gebrochen wurde, wie ich kurz befürchtet hatte. Ich setzte mich neben sie ans Bett und schenke ihr ein Lächeln. „Na dann erzähl, wie war's mit ihr?"

Eine Portion Alya könnte helfen, mir Karim's Joint endgültig aus dem Kopf zu schlagen. Als hätte sie nur auf diese Frage gewartet, weitet sie ihre Augen und ich sehe ihr förmlich an, dass jeden Moment ein Sturm über mich hineinbrechen wird.
„Oh.Mein.Gott, gut dass du fragst. Hast du uns gesehen? Klar hast du das. Wir waren uns unglaublich nah, es war soo magisch. Und...oh mein Gott hier oben haben wir uns geküsst. Sie ist eine unglaubliche Küsserin...ich meine, das ist weltverändernd, das musst du erleben. Natürlich nicht mit Nora, aber du...du weißt schon. Ich meine, ich war mir vorher gar nicht sicher, ob ich es kann, aber dann ist es einfach passiert. Und es war gut, für uns beide. Glaube ich. Hoffe ich...", redet sie komplett durcheinander.

„Ja, ich versteh' schon. Besser als du denkst", gebe ich im Gegensatz zu ihr ganz ruhig von mir. Daraufhin verblasst ihr Lächeln ein wenig und ihre Gesichtszüge nehmen wieder normale Dimensionen an.
„Oh meint Gott, ich hab's schon wieder getan, oder? Tut mir leid. Manchmal übertreibe ich einfach ein wenig."
„Ist schon okay", erwidere ich ehrlich. Ich möchte nicht, dass sie das Gefühl hat, sich in meiner Nähe verstellen zu müssen.

„Ich wollte dir jetzt schon länger mal sagen: Danke, dass du eine so gute Freundin warst. Ich weiß, dass wir nicht viel gemeinsam haben, aber durch deine Anrufe hast du mir in der Klinik wirklich den Tag gerettet. Auch wenn du fast nur darüber geredet hast, wie unsterblich verliebt du bist. Ein bisschen Normalität war schön, also...danke."
Zugegeben, neigt nicht nur mein Umfeld in letzter Zeit dazu sentimental zu werden, sondern auch ich. Sie hat an mich gedacht, als jeder meiner Freunde sich gewünscht hat, mich nicht zu kennen. Das rechne ich ihr hoch an.

„Ohh...wie süß von dir." Sie fasst sich gerührt an ihr Herz. „Du warst mir schon immer der Liebste von euch drei Idioten. Du bist echt genauso wie dein Vater."
Mein Blick schießt zu ihr und ich mustere sie fragend. „Wie meinst du das?"
„Als Direktor ist er echt das Beste, was unserer Schule passieren konnte. Er ist so emphatisch, loyal und gewissenhaft. Wenn man ihm auf dem Flur begegnet, möchte man ihm am liebsten sofort sein Herz ausschütten."
„Oh...okay...danke", sage ich schmunzelnd. Bisher habe ich keinem meiner Freunde erzählt, dass ich adoptiert bin. Manchmal fühlt es sich an, als wäre das vollkommen unwichtig, manchmal aber auch, als würde ich sie schon jahrelang belügen.

Ich höre, wie jemand die Tür öffnet und drehe meinen Kopf in diese Richtung. Zum Vorschein kommt eine Person mit einem beigen Pullover und orangenen Haaren, die sie einzigartig machen und von allen anderen unterscheiden.
„Lara", entweicht es mir erschrocken. Intuitiv stehe ich auf und bleibe ein paar Schritte vor ihr stehen.
„Hi eh...ich wollte nicht stören. Ich brauchte nur mal einen Moment für mich."
Sie streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr und mustert mich und Alya abwechselnd. Nun sind wir schon drei hier. Scheinbar ist eine Party anstrengender als gedacht.
„Du störst nicht. Ich hatte sowieso gerade vor, zu gehen", meint Alya und erhebt sich vom Boden. Kurz bevor sie ihr eigenes Zimmer verlässt, bleibt sie hinter Lara stehen, beginnt zu grinsen und zeigt mir einen Daumen nach oben, so wie ich es vorhin bei ihr und Nora gemacht habe.

Keiner Wie DuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt